
Es geht um alles. Es geht um Gott. Es geht um die Frage: Gibt es einen Gott oder gibt es ihn nicht? Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hat diese großen Worte gewählt, als er die Ziele für das Godehardjahr 2022 formulierte.
Vor genau 1000 Jahren hat der Mainzer Erzbischof Aribo den Abt von Niederaltaich zum Bischof von Hildesheim geweiht. Nur widerstrebend fügte sich der Mann aus Bayern dem Ruf in den hohen Norden. „Lieber in Bayern ein Abt als da oben ein Bischof“, mit diesen Worten soll der immerhin schon 62-Jährige versucht haben, Kaiser Heinrich umzustimmen. Doch der wusste, dass der Reformer aus dem Süden der neuen Aufgabe besser gewachsen sein würde als jeder andere und ließ deshalb auch nicht mit sich reden. Und er sollte Recht behalten.
Glauben geht! Das ist der Titel eines neuen Buches über den heiligen Godehard, das die Bischöfe Stefan Oster und Heiner Wilmer im September zum Jubiläum gemeinsam herausbringen. Neben den beiden Oberhirten haben darin u.a. Abt Marianus Bieber OSB, die Historiker Hannelore Putz und Thomas Scharf-Wrede sowie Journalisten aus Hildesheim und Passau das Leben, Denken und Wirken Godehards nachgezeichnet. Beim Lesen wird offensichtlich: Auch nach 1000 Jahren hat der erste Altbayer, der heiliggesprochen wurde, nicht an Aktualität und Ausstrahlung verloren. Godehard oder Gotthard, wie er bei uns im Süden gerufen wird, berührt, spornt an, schenkt Hoffnung. Er bestärkt einen, seine eigene Bestimmung zu erforschen und sich einzulassen auf die Frage: Wozu bin ich auf dieser Welt?
„Godehard war ein Prediger des einfachen Lebens, der sinnvollen Arbeit, des beharrlichen Gebets in der Gemeinschaft, der Festigkeit des geistigen Standorts.”
Aber wer war dieser Mensch, der Niederaltaich zu höchster Blüte führte und als Bischof so gewirkt hat, dass sein Name die Jahrhunderte überdauerte? Godehard-Biograf Josef Nowak bezeichnete ihn als „Prediger des einfachen Lebens, der sinnvollen Arbeit, des beharrlichen Gebets in der Gemeinschaft, der Festigkeit des geistigen Standorts.“ Damit ist schon einiges gesagt. Godehard war tief im Evangelium und in der Regel des heiligen Benedikt verankert. Diese starken Wurzeln verliehen ihm eine unbändige Kraft und Freiheit. Er redete nicht nur von Frömmigkeit und Bescheidenheit, er lebte sie vor. Ob als Abt oder Bischof, Godehard empfing jeden Menschen mit der gleichen Freundlichkeit und Offenheit und mit ehrlichem Interesse. Mahn- und Drohpredigten waren nicht das Seine, viel lieber sprach er von der Liebe Gottes. Und weil er innerlich so gefestigt war, hatte er keine Probleme, Entscheidungen gegebenenfalls auch wieder zurückzunehmen.
Er blieb zeitlebens ein Lernender, ein Hörender, ein Seelsorger, der immer die Menschen besonders im Blick hatte, die in Not waren, und der seinen Sinn für das Schöne und Feine kultivierte. Mit all diesen Eigenschaften war er seiner Zeit weit voraus. Und ich fürchte fast, er ist auch tausend Jahre später noch weit voraus. Und doch ist gerade in diesen verwirrenden, herausfordernden, krisenhaften Tagen einer wie Godehard wichtiger denn je. Ein Fels in der Brandung. Ein Macher mit Herz, Hirn und Seele. Einer, der vorlebt, wie Glauben geht, wie Leben Sinn macht. Egal ob in Bayern, in Niedersachsen oder an einem anderen Fleck auf dieser Welt.

Wolfgang Krinninger
Chefredakteur