Weltkirche

„Einfach Mensch sein dürfen“

Redaktion am 20.05.2025

2025 05 20 pb alb abt nikodemus schnabel1 Foto: Wolfgang Terhörst
Tatkraft und innere Ruhe: Abt Nikodemus Schnabel (47) leitet seit 2023 die deutschsprachige Benediktinerabtei Dormitio auf dem Zionsberg in Jerusalem und das Priorat Tabgha am See Genezareth.

Es war nicht leicht, aus Jerusalem nach Altötting zu kommen aufgrund der schwierigen Lage im Heiligen Land. Abt Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg hat die Strapazen trotzdem gerne auf sich genommen – er war Ehrengast bei der Jubiläumsfeier des Bayerischen Pilgerbüros. Im Gespräch verrät er seine Sorgen, aber auch, warum er sich so über die Wahl von Papst Leo XIV. freut.

Abt Niko­de­mus, die Lage im Hei­li­gen Land ist – wie­der ein­mal – dra­ma­tisch. Was bedeu­tet das für die Dor­mi­tio-Abtei selbst und wie bli­cken Sie vom Zions­berg umge­kehrt auf das Gesche­hen in Isra­el, in Gaza, im West­jor­dan­land und im Liba­non?
Abt Niko­de­mus: Seit dem 7. Okto­ber 2023 (dem Angriff der Hamas auf Isra­el, Anm. d. Red.) ste­hen wir unter enor­mer Her­aus­for­de­rung – und zwar in zwei­fa­cher Hin­sicht: Die eine neh­men wir sehr ger­ne an, das ist die pas­to­ral-seel­sorg­li­che. Unse­re Klös­ter in Jeru­sa­lem und in Tabgha am See Gene­za­reth sind Hoff­nungs­in­seln in einem Oze­an von Leid gewor­den, für Juden, Chris­ten und Mus­li­me glei­cher­ma­ßen. Wir haben sehr vie­le Seel­sor­ge-Gesprä­che, sehr vie­le Kon­zer­te und Aus­stel­lun­gen. Wir sagen auch immer wie­der zu Men­schen, kommt zu uns ins Klos­ter und bleibt eine Wei­le, wenn es euch gut­tut. Die zwei­te Her­aus­for­de­rung ist enorm und rein finan­zi­el­ler Natur. Wir leben von den Pil­gern und auch Tou­ris­ten – die sind weg­ge­bro­chen in einer Grö­ßen­ord­nung wie bei Coro­na. Ich kämp­fe um das Über­le­ben mei­ner bei­den Klös­ter. Und das nicht nur für uns Mön­che, son­dern auch für die Ange­stell­ten, ich möch­te nie­man­den ent­las­sen. Uns sind 24 Mit­ar­bei­ter mit ins­ge­samt 29 Kin­dern im schul­pflich­ti­gen Alter anver­traut – Chris­ten aus Beth­le­hem. Zusam­men­fas­send: Geist­lich geht es uns gut, weil wir noch ein­mal neu Ja“ gesagt haben zu die­sen bei­den Orten. Wir sind neu gefor­dert als Mön­che, als Beter, als Seel­sor­ger. Finan­zi­ell ist es schwierig.

Haben Sie trotz­dem Hoff­nung, dass es irgend­wann ein fried­li­che­res Mit­ein­an­der geben kann im Hei­li­gen Land?
Abt Niko­de­mus: Ja, ich habe abso­lut Hoff­nung! Weil ich von bei­den Sei­ten wun­der­ba­re Men­schen ken­ne, gera­de gläu­bi­ge Men­schen. Die Men­schen, die mir im Moment am meis­ten Trost geben sind tief­gläu­bi­ge Juden, tief­gläu­bi­ge Mus­li­me, tief­gläu­bi­ge Chris­ten, die aus dem Glau­ben her­aus sagen ein Zusam­men­le­ben ist mög­lich“. Der ande­re, sehr kost­ba­re Gedan­ke, den wir tei­len ist: JEDER Mensch ist Eben­bild Got­tes, hat eine unver­äu­ßer­li­che Men­schen­wür­de. Die­se reli­giö­sen Men­schen sind Geschwis­ter im Geis­te. Reli­gi­on ist eben auch eine Quel­le, die Zukunft ermög­licht. Das Pro­blem sind die Hoo­li­gans der Reli­gi­on“, wie ich sie ger­ne nen­ne. Das sind die, die Reli­gi­on miss­brau­chen – die gibt es auf bei­den Sei­ten und die sind auf bei­den Sei­ten lei­der auch in poli­ti­scher Verantwortung.

Unse­re Klös­ter in Jeru­sa­lem und in Tabgha am See Gene­za­reth sind Hoff­nungs­in­seln in einem Oze­an von Leid gewor­den, für Juden, Chris­ten und Mus­li­me gleichermaßen.”

Abt Nikodemus Schnabel

Kürz­lich haben Sie die Chris­ten in aller Welt, auch in Deutsch­land, zu mehr Soli­da­ri­tät mit ihren Glau­bens­brü­dern im Hei­li­gen Land auf­ge­ru­fen. Was brau­chen die­se zur­zeit am meis­ten und was erhof­fen bzw. erwar­ten Sie von den Chris­ten hier­zu­lan­de?
Abt Niko­de­mus: Von den Chris­ten kommt rela­tiv wenig Soli­da­ri­tät. Da ist die Soli­da­ri­tät von Juden und Mus­li­men welt­weit mit ihren Glau­bens­brü­dern deut­lich stär­ker. Es ist auch nicht so leicht: Wir sind nicht ein­fach auf der Sei­te Isra­els oder Paläs­ti­nas, wir sind auf bei­den Sei­ten. Unse­re Hal­tung als Kir­che ist: Wir sind pro Mensch“! Ich wür­de mir ein­fach wün­schen, dass die Chris­ten wie­der Mut haben zur Pil­ger­schaft, dass die Chris­ten ein­fach auch hören, was die Chris­ten in der Geburts­hei­mat Jesu zu sagen haben. Und natür­lich wäre auch finan­zi­el­le Soli­da­ri­tät schön.

Was kön­nen Sie selbst, als Mön­che vor Ort leis­ten für die oft ver­zwei­fel­ten Men­schen?
Abt Niko­de­mus: Erst ein­mal: Wir sind da! Das ist eine ganz gro­ße Sache, ein Bekennt­nis: Wir sind kei­ne Schön­wet­ter-Mön­che, wir sind da und blei­ben da. Alle ande­ren Aus­län­der haben ihre Kof­fer gepackt und panik­ar­tig das Land ver­las­sen. Wir sind dage­blie­ben, frei­wil­lig, und mit offe­nen Türen. Das wur­de enorm posi­tiv wahr­ge­nom­men. Wir sind da im Gebet, wir sind da als Seel­sor­ger – und dann haben wir noch zwei Son­der­be­ru­fun­gen“ ent­deckt: Das eine ist Jeru­sa­lem als Kul­tur­ort. Denn nach mei­ner Über­zeu­gung kommt der Mensch am stärks­ten mit sei­ner Men­schen­wür­de in Kon­takt, wenn er schöp­fe­risch krea­tiv sein darf. Wir wur­den DER Ort für Künst­ler, DER Kon­zert­ort in Jeru­sa­lem. Wir hat­ten Tanz­thea­ter bei uns, wir hat­ten Aus­stel­lun­gen bei uns. Wir erle­ben gera­de, Men­schen machen das Leben ande­rer Men­schen zur Höl­le wegen Men­schen­ge­mach­tem: wo eine Lan­des­gren­ze ver­läuft, wo wel­che Flag­ge weht. Was momen­tan unter die Räder kommt ist das, was uns Men­schen ent­zo­gen ist, was wirk­lich gött­lich ist – dass der Mensch in sei­ner Wür­de unan­tast­bar ist, die Hei­lig­keit jedes Men­schen­le­bens. Wir erle­ben eine gegen­sei­ti­ge Dehu­ma­ni­sie­rung und Dämo­ni­sie­rung. Hier wir­ken wir ent­ge­gen und beto­nen gera­de jetzt die Men­schen­wür­de. Natür­lich unter­stüt­zen wir auch Men­schen in Not, trotz unse­rer eige­nen finan­zi­el­len Schwie­rig­kei­ten schi­cken wir nie­man­den weg, der hung­rig vor unse­rer Tür steht. Und im Gegen­zug zum Kul­tur­ort Dor­mi­tio bie­ten wir in Tabgha einen Rück­zugs­ort für Men­schen, die unter dem Krieg lei­den, um ein­fach ein­mal zur Ruhe zu kom­men. Die Men­schen hun­gern nach Orten, wo sie nicht mit Paro­len gefüt­tert wer­den, son­dern ein­fach Mensch sein dürfen.

Ich habe rich­tig Freu­de mit Papst Leo und ich füh­le mich – klei­ne Fuß­no­te – auch per­sön­lich ver­stan­den: Ich kom­me aus einem Kriegs­ge­biet und die ers­ten Wor­te des Paps­tes waren ein Friedensgruß.”

Abt Nikodemus Schnabel

Zuletzt, aus aktu­el­lem Anlass: Wie bewer­ten Sie die Wahl des Ordens­bru­ders Robert Pre­vost zum neu­en Papst Leo XIV. und was erhof­fen Sie sich von sei­nem Pon­ti­fi­kat?
Abt Niko­de­mus: Ich bin beken­nend begeis­tert! Ich war natür­lich als Ordens­mann begeis­tert, dass ein beken­nen­der Ordens­mann, ein Augus­ti­ner zum Papst gewählt wur­de. Robert Pre­vost hat damit eine sehr kla­re Spi­ri­tua­li­tät, aus der er kommt. Außer­dem kann ich als Ordens­mann – das ken­ne ich selbst vom Zusam­men­le­ben mit mei­nen Mit­brü­dern – nicht eigen­bröt­le­risch sein oder skur­ril wer­den. Da wür­den mir mei­ne Mit­brü­der sofort eine Rück­mel­dung geben – also, man bleibt da sehr geer­det. Als ehe­ma­li­ger Gene­ral­obe­rer sei­nes Ordens kennt der neue Papst die gan­ze Welt, unter­schied­lichs­te Kul­tu­ren, hat einen ganz wei­ten Blick. Was mich auch begeis­tert: Robert Pre­vost ist angst­frei. Und er hat Lust auf Zukunft – Stich­wort digi­ta­le Revo­lu­ti­on und künst­li­che Intel­li­genz: In einer sei­ner ers­ten Reden hat er gesagt, das wir eine neue Form einer theo­lo­gi­schen Ant­wort auf die­se Her­aus­for­de­rung brau­chen. Ein Papst, der mit einer Vor­wärts­dy­na­mik sagt, das gehen wir jetzt an, macht gro­ße Freu­de. Außer­dem ist Leo XIV. natür­lich Kos­mo­po­lit und poly­glott. Wir brau­chen jeman­den mit einem ganz wei­ten Hori­zont. Und ich traue dem neu­en Papst zu, dass er den glo­ba­len Süden mit dem glo­ba­len Nor­den ver­ei­nen kann. Als US-Ame­ri­ka­ner hat Robert Pre­vost auch das Poten­zi­al, poli­tisch und kir­chen­po­li­tisch eige­ne Akzen­te zu set­zen. Einen US-Staats­bür­ger, einen gebür­ti­gen Chi­ca­go­er, den kann man nicht ein­fach so abtun. Was mich auch total fas­zi­niert ist, wie Leo XIV. von Anfang an die Welt umarmt, Brü­cken baut zwi­schen soge­nann­ten Pro­gres­si­ven und Kon­ser­va­ti­ven. So muss Papst. Ich habe rich­tig Freu­de mit Papst Leo und ich füh­le mich – klei­ne Fuß­no­te – auch per­sön­lich ver­stan­den: Ich kom­me aus einem Kriegs­ge­biet und die ers­ten Wor­te des Paps­tes waren ein Friedensgruß.

Wolfgang Terhoerst

Wolfgang Terhörst

Redaktionsleiter

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