Das glauben wir

Glauben heißt nichts wissen – Oder doch?

Redaktion am 05.01.2022

2022 01 05 Miteinander gotteslob Foto: Roswitha Dorfner
Gotteslob in der Kirche. – Ist der Glaube an Gott nichts weiter als eine bloße Geschmackssache?

Gibt es in Sachen Religion und Glaube nur Hypothesen und Vermutungen? Hat jeder und jede dazu einfach seine private Meinung? Ist der Glaube an Gott nichts weiter als eine bloße Geschmackssache?

Wenn es Gott gibt, dann ist er wahr­schein­lich das Wich­tigs­te, was es gibt; denn ohne ihn gäbe es ja alles ande­re nicht – mich ein­ge­schlos­sen. Und wenn Gott drei­fal­tig ist – ein Wesen in den drei Per­so­nen Vater, Sohn und Hei­li­ger Geist – und also das Chris­ten­tum Recht hat, dann wäre es wohl das Ver­nünf­tigs­te, Chris­tin oder Christ zu sein. Aber was ist dann mit den ande­ren Reli­gio­nen? Sind sie falsch? Und wenn Jesus der Sohn Got­tes ist, der Offen­ba­rer, der Erlö­ser und all das ande­re, was der christ­li­che Glau­be ihm zuschreibt, dann wäre es wohl das ein­zig Rich­ti­ge, an ihn zu glau­ben, ihm nach­zu­fol­gen, sei­ne Jün­ge­rin bzw. sein Jün­ger zu sein. Und wenn es den Hei­li­gen Geist gibt, dann soll­te man ihm wohl die Chan­ce geben, bei uns ankom­men und uns ver­wan­deln zu kön­nen. Und wenn die Kir­che die Fol­ge des Wir­kens des Hei­li­gen Geis­tes ist, die Kon­se­quenz aus der Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums; wenn ihr die Bewah­rung und Ver­kün­di­gung der Bot­schaft Jesu auf­ge­tra­gen ist, dann wäre es unklug zu mei­nen, man brau­che sie gar nicht – nicht für die­ses und nicht für das nächs­te Leben.

Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern dass sie ist

2022 01 05 Miteinander adoratio priester mit evangelienbuch Foto: Roswitha Dorfner
Adoratio-Kongress 2019: Beim Einzug in die Altöttinger St. Anna Basilika hält ein Priester das Evangelienbuch hoch.

Vie­le Wenns“ und Danns“ – die Rei­he lie­ße sich belie­big fort­set­zen. Ist der reli­giö­se Glau­be nicht voll­kom­men rela­tiv, rein belie­big? – Das klingt für vie­le heu­te plau­si­bel und attrak­tiv. Man lässt ein­fach alles Mög­li­che (und Unmög­li­che) neben­ein­an­der ste­hen und jeder glaubt, was und wie er will. Und nicht sel­ten bedient man sich bei den ver­schie­de­nen Reli­gio­nen und Glau­bens­rich­tun­gen wie in einem Ramsch­la­den und bas­telt sich etwas nach dem eige­nen Gus­to zusam­men: hier ein wenig Nächs­ten­lie­be (oder eher Tole­ranz – denn den Nächs­ten, oder gar den Feind lie­ben, wie es Jesus in der Berg­pre­digt lehrt, geht dann doch irgend­wie zu weit …), dann ein wenig Öko­be­wusst­sein (Stich­wort: Schöp­fungs­ver­ant­wor­tung) und dazu viel­leicht noch ein wenig Wie­der­ge­burts­glau­be (Kreuz und Auf­er­ste­hung klin­gen zu hart und zu ein­deu­tig; ich las­se mir lie­ber eine Hin­ter­tür offen) …

Stimmt es also, was der (baye­ri­sche) Volks­mund sagt: Glaub’n hoaßt: nix wis­sen“, oder: Nix g’wieß woaß ma ned …“?

Zuge­ge­ben, wenn man über Gott und unse­re Bezie­hung zu ihm ernst­haft ins Nach­den­ken kommt, dann merkt man nicht nur, dass sich da die ganz gro­ßen Fra­gen stel­len und sehr schnell zu per­sön­li­chen Her­aus­for­de­run­gen wer­den, die letzt­lich zulau­fen auf die Grund­fra­ge nach dem Sinn mei­nes Lebens, nach dem Grund mei­nes Daseins, ja, nach dem Grund von allem über­haupt. Der Phi­lo­soph Gott­hold Wil­helm Leib­niz (16461716) hat das in die Fra­ge gefasst: War­um ist über­haupt etwas und nicht viel­mehr nichts?“ Und der Phi­lo­soph Lud­wig Witt­gen­stein (18891951) bemerkt im Satz 6.44 sei­nes Trac­ta­tus logi­co-phi­lo­so­phi­cus“: Nicht wie die Welt ist, ist das Mys­ti­sche, son­dern dass sie ist.“

2022 01 05 Miteinander frau im gebet vor gnadenbild aoe Foto: Roswitha Dorfner
Eine betende Frau vor dem Altöttinger Gnadenbild in der Gnadenkapelle.

Wer sich grund­le­gen­de Fra­gen wie die­se den­kend und glau­bend zu Her­zen und zu Ver­stand gehen lässt, der wird sich viel­mehr die Denk­ar­beit nicht erspa­ren wol­len und kön­nen – das, was der Phi­lo­soph Georg Wil­helm Fried­rich Hegel (17701831) die Anstren­gung des Begriffs“ genannt hat. Schon Aris­to­te­les (384322 v.Chr.) wuss­te: Alle Men­schen stre­ben nach Wis­sen“; sie wol­len her­aus­fin­den, wie die Din­ge in Wahr­heit sind. Papst Johan­nes Paul II. bemerkt dazu: Der Mensch ist das ein­zi­ge Wesen in der gan­zen sicht­ba­ren Schöp­fung, das nicht nur zu wis­sen fähig ist, son­dern auch um die­ses Wis­sen weiß; dar­um inter­es­siert er sich für die tat­säch­li­che Wahr­heit des­sen, was für ihn sicht­bar ist. Ehr­li­cher­wei­se darf nie­man­dem die Wahr­heit sei­nes Wis­sens gleich­gül­tig sein. Wenn er ent­deckt, dass es falsch ist, ver­wirft er es; wenn er es hin­ge­gen als wahr fest­stel­len kann, ist er zufrie­den.“ (Enzy­kli­ka Fides et ratio“, Nr. 25)

Wie ein dicker, roter Faden zieht sich die Über­zeu­gung durch die Geschich­te christ­li­chen Den­kens von sei­nen Anfän­gen an: dass aus der Mühe, die objek­ti­ve und abso­lu­te Wahr­heit zu erken­nen, nicht folgt, dass es sie nicht gibt, und aus der Schwie­rig­keit, die damit zusam­men­hän­gen­den Fra­gen zu beant­wor­ten, nicht folgt, dass kei­ne Ant­wort auf sie mög­lich ist.

Anders her­um wird ein Schuh dar­aus: An und für sich erscheint jede Wahr­heit, auch Teil­wahr­heit, wenn sie wirk­lich Wahr­heit ist, als uni­ver­sal. Was wahr ist, muss für alle und für immer wahr sein. Außer die­ser Uni­ver­sa­li­tät sucht der Mensch jedoch nach einem Abso­lu­ten, das in der Lage sein soll, sei­nem gan­zen Suchen und For­schen Ant­wort und Sinn zu geben: etwas Letz­tes, das sich als Grund jeder Sache her­aus­stellt. Mit ande­ren Wor­ten, er sucht nach einer end­gül­ti­gen Erklä­rung, nach einem höchs­ten Wert, über den hin­aus es wei­te­re Fra­gen oder Ver­wei­se weder gibt noch geben kann. Hypo­the­sen kön­nen den Men­schen fas­zi­nie­ren, aber sie befrie­di­gen ihn nicht. Es kommt für alle der Zeit­punkt, wo sie, ob sie es zuge­ben oder nicht, das Bedürf­nis haben, ihre Exis­tenz in einer als end­gül­tig aner­kann­ten Wahr­heit zu ver­an­kern, wel­che eine Gewiss­heit ver­mit­telt, die nicht mehr dem Zwei­fel unter­wor­fen ist.“ („Fides et ratio“, Nr. 27)

Text: Dr. Anton Spreit­zer, Lei­ter Haupt­ab­tei­lung Bil­dung und Evangelisierung

Anton Spreitzer neu

Dr. Anton Spreitzer

Domkapitular, Hauptabteilungsleiter

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