Keine Weicheier – Mit Krisen leben

Redaktion am 06.09.2022

2022 09 05 pb alb anni sigl3 Foto: Uschi Friedenberger
Die 86-jährige Bäuerin Anni Sigl aus Hilgenreith ist auch jetzt zufrieden – trotz der anhaltenden Krisen. Mit dem Bulldog ist sie nur noch gelegentlich für Besorgungen unterwegs.

„Lage hoffnungslos – aber nicht ernst!“ heißt der Titel einer amerikanischen Kriegskomödie. Bei manchen Zeitgenossen schaut der Blick in die Zukunft zurzeit ähnlich düster aus – angesichts täglicher Hiobsbotschaften über Krieg, Krise und davongaloppierende Preise zum Beispiel für Energie und Lebensmittel. Doch man kann auch optimistisch bleiben und einfach weiter leben ...

Man kann die Ent­wick­lung und die Sor­gen natür­lich nicht weg­dis­ku­tie­ren. Aber nur den Kopf in den Sand zu ste­cken bringt auch nichts. Ich habe da eine gute alte Freun­din“, die auch jetzt wie­der Zuver­sicht ver­sprüht. Es ist Anni Sigl, die Apfel-Exper­tin aus Hil­gen­reith bei Innern­zell, die im Jahr 2012 durch das Buch Anni und Alo­is. Arm sind wir nicht. Ein Bau­ern­le­ben“ und vie­le Bei­trä­ge im Baye­ri­schen Fern­se­hen weit­um bekannt wur­de. Auch im Bis­tums­blatt haben wir oft über sie berichtet. 

Heu­te sit­ze ich mal wie­der mit der 86-jäh­ri­gen Ein­öd­bäue­rin auf der Haus­bank vor ihrem Anwe­sen. Wir spre­chen wie immer über Gott und die Welt, und heu­te auch über die ange­spann­te Lage in die­sen schwie­ri­gen Zei­ten. Mir tut die Kri­se nix!“ stellt die Anni gleich klar. Von Ener­gie­prei­sen ist sie ja unab­hän­gig, denn eine Zen­tral­hei­zung hat sie noch nie besessen. 

Die Anni ist das beschei­de­ne Leben gewöhnt. Sie kennt es nicht anders. Wenn ange­sichts der Kri­sen­zei­ten über Ein­schrän­kun­gen und Spar­maß­nah­men dis­ku­tiert wird, ist das für die genüg­sa­me Frau nichts Unge­wöhn­li­ches. Sich ein­schrän­ken – das gehört seit Kin­des­bei­nen zu ihrem Leben. Für Anni steht fest: Wir sind halt auch nicht auf­ge­wach­sen wie die Weicheier!“ 

2022 09 05 pb alb anni sigl4 Foto: Uschi Friedenberger
Ein Aprikosenbaum hat der Bäuerin Anni Sigl heuer sehr viele schmackhafte Früchte geliefert.

Da könn­te sie stun­den­lang erzäh­len: Wir haben als Kin­der für die Pau­se oft nur ein har­tes Stück Brot in die Schu­le mit­be­kom­men. Und das Holz und die Koh­len in der Schu­le haben wir Kin­der selbst in den Dach­bo­den rauf­ge­tra­gen und dann zum Hei­zen wie­der run­ter­ge­tra­gen. Den­noch ist in der Schu­le so spar­sam geheizt wor­den, dass man Hand­schu­he gebraucht hät­te!“ Ihre Erst­kom­mu­ni­on hat die 9‑jährige Anni im April 1945 bei Flie­ger­alarm erlebt. Arbei­ten muss­te sie schon als Kind. Mit 14 Jah­ren ist sie dann in Stel­lung nach Mün­chen gekom­men. Schwe­re Arbeit hat ihr gan­zes Leben beglei­tet. Ausg’schund’n sind wir halt heu­te“, stellt Anni fest. Die Gene­ra­ti­on, die Krieg und Nach­kriegs­zeit erlebt hat, weiß, was das Wort kri­sen­fest“ bedeutet. 

Frei­lich, für die alten Leu­te mit einer klei­nen Ren­te, die Mie­te zah­len müs­sen, ist es schon hart“, gibt die Bäue­rin zu beden­ken. Sie selbst hat auch nur eine klei­ne Ren­te und meint: Ich komm aus. Aber wenn die Leu­te leben müss­ten so wie ich, da wär’s aus!“ Die Anni ist gesund­heit­lich ange­schla­gen. Die Band­schei­be macht ihr sehr zu schaf­fen und das bedeu­tet stän­di­ge Schmer­zen. Und sie hat natür­lich auch kei­ne Patent­re­zep­te für alle. Aber mich hat noch nie­mand jam­mern gehört!“, betont sie und lässt vol­ler Freu­de den Blick über die Fül­le und Pracht in ihren zwei Gemü­se­gär­ten und im Obst­gar­ten schweifen.

Was man von Men­schen vom Schlag der Anni Sigl ler­nen kann? Sie ist ein Vor­bild in Sachen Kri­sen­ma­nage­ment“, Opti­mis­mus in allen Lebens­la­gen und Zuver­sicht auch in schwie­ri­gen Zei­ten. Nicht über das zu jam­mern, was fehlt, son­dern das zu schät­zen, was man hat, ist eine Lebens­phi­lo­so­phie, die Anni Sigl erfun­den haben könn­te. Und mit ihrem grü­nen Dau­men im Gar­ten ist die Anni für mich das Mus­ter­bei­spiel für all das, was auch heu­te immer mehr gefragt und modern ist: Nach­hal­tig­keit, spar­sa­mes Wirt­schaf­ten und Leben im Ein­klang mit der Natur und den Jah­res­zei­ten. Und sie ist kein Weichei! 

Uschi Friedenberger

Ursula Friedenberger

Redakteurin

Weitere Nachrichten

2024 07 21 pb alb engerl am grab
22.07.2024

Über Leben und Tod

Manchmal erhält man sehr überraschende Anrufe – einer dieser Anrufe bei unserem Autor des Editorials der…

2024 07 21 pb alb wallfahrt malteser4
Wallfahrt
22.07.2024

Mit Maria gesund werden

Rund 1.000 Teilnehmer zählte heuer die 52. Wallfahrt der Malteser mit dem Würzburger Bischof Franz Jung am…

2024 07 21 pb alb synodaler ausschuss
Bistum
22.07.2024

„Gut integriert“

Diözesanratsvorsitzender Markus Biber nimmt an Sitzungen des Synodalen Ausschusses teil.

2024 07 21 pb alb interview studiengang pastorale arbeit
Bistum
22.07.2024

Investition in die Zukunft

Weichenstellung: Universität und Bistum Passau bringen gemeinsam den Masterstudiengang Pastorale Arbeit auf…