Kirchenmusik

Gänsehaut beim Klang der vielen Stimmen

Redaktion am 27.11.2023

2023 11 27 pb alb caecilientag1 Foto: Roswitha Dorfner
Zu Ehren der heiligen Cäcilia: Am 22. November, dem Gedenktag der Schutzpatronin der Kirchenmusik sangen drei Chöre gemeinsam in der Stiftspfarrkirche Altötting.

Die Kirchenmusik in Altötting hat eine lange Tradition. Auch heute noch erfreuen zahlreiche Chöre die vielen Besucher der Wallfahrtsstadt – und bereichern gleichzeitig das Leben der Sängerinnen und Sänger.

Unfrei­wil­lig Tratsch und Klatsch mit­an­hö­ren zu müs­sen ist meist unan­ge­nehm. Wenn aber eine Pas­sa­gie­rin am Cäci­li­en­tag (22. Novem­ber) in einem Lini­en­bus in der Wall­fahrts­stadt spon­tan über die Musik in den Alt­öt­tin­ger Kir­chen ins Schwär­men gerät, dann hört man genau­er hin, am Tag der Kir­chen­mu­sik im Novem­ber. Der Sound in der Basi­li­ka, der haut dich ein­fach um. Der Chor, das Orches­ter, die Orgel – ich krieg jedes Mal Gän­se­haut. Ich habe das im Advent zufäl­lig für mich ent­deckt, weil ich im War­men auf Freun­de war­te­te, wir woll­ten zum Christ­kindl­markt. Denn eigent­lich gehe ich schon lan­ge nicht mehr in die Kir­che, aber jetzt bin ich so oft dabei, wie es nur geht“. Die Frau ern­tet ungläu­bi­ges Nicken von ihren Mit­fah­rern, die tat­säch­lich von ihren Han­dys auf­schau­en. Der Sound. Es ist ein­fach so schön, und tut mir gut“, sagt sie kurz vor dem Aus­stei­gen lei­se mehr zu sich selbst als zu den im Bus Sitzenbleibenden. 

Dass das gemein­sa­me Sin­gen Freu­de macht, einem gut in der See­le tut, das sagen alle Sän­ge­rin­nen und Sän­ger der zahl­rei­chen Alt­öt­tin­ger Kir­chen­chö­re, und zwar uni­so­no. Sie schät­zen die Gemein­schaft, den freund­schaft­li­chen Zusam­men­halt und dass man etwas Mit­ein­an­der auf die Füße stellt. Das beflü­gelt einen“, sagt Eli­sa­beth Stra­ßer. Sie singt seit 33 Jah­ren im Alt­öt­tin­ger Kapell­chor, davor war sie bereits Mit­glied in einem klei­nen Land­chor und auch im Kir­chen­chor in St. Josef in Alt­öt­ting Süd. Im Gespräch mit Stra­ßer über ihr Mit­wir­ken an der Kir­chen­mu­sik kommt etwas zur Spra­che, was typisch für Alt­öt­ting zu sein scheint. Ob die zwei Pfarr­chö­re unter der Lei­tung von Anselm Ebner, der Kol­ping­chor, der Bach­chor, der Kir­chen­chor aus Unter­holz­hau­sen, ob in For­ma­tio­nen wie Autin­gas oder in der Scho­la Autin­gen­sis, dem Kapell­chor, den Frau­en­bund­chö­ren oder dem Ehe­ma­li­gen­chor der Schü­le­rin­nen der legen­dä­ren Chor­lei­te­rin Sr. Avi­ta Bichl­mai­er, die Mit­glied­schaf­ten in den Kir­chen­chö­ren sind flie­ßend. Vie­le sin­gen in zwei bis drei Chö­ren par­al­lel und ver­brin­gen drei bis vier Tage mit nach­mit­täg­li­chen oder abend­li­chen Chorproben.

Ein­fühl­sa­me Lei­tung: Die erwach­se­nen Mit­glie­der des Frau­en­bund­chors der Pfar­rei St. Phil­ip­pus und Jako­bus füh­len sich bei Saki Tsu­ji (1. Bild) genau­so wohl wie die Jüngs­ten im Kin­der­chor St. Josef bei Sibyl­le Garus. Das Ergeb­nis sind Freu­de an der Musik und begeis­ter­te Zuhörer.

Fotos: Maxi­mi­lia­ne Heigl-Saalfrank

Eine der Alt­öt­tin­ge­rin­nen, die in drei Kir­chen­chö­ren in der Wall­fahrts­stadt seit vie­len Jah­ren mit­wirkt, ist Eli­sa­beth Kind­ler. Sie schät­ze die Unter­schie­de, die für sie per­sön­lich das Beson­de­re aus­ma­chen und sie in ihrem All­tag berei­cher­ten. Sie ist seit über vier Jahr­zehn­ten Mit­glied im Frau­en­bund­chor St. Phil­ip­pus und Jako­bus, singt im Kapell­chor und in der Scho­la Autin­gen­sis, in der die ältes­te Kir­chen­mu­sik, etwa die Gre­go­ria­nik und frü­he mehr­stim­mi­ge Chor­wer­ke gepflegt wer­den. Und Kind­ler kennt die fei­nen Unter­schie­de der Alt­öt­tin­ger Kir­chen­chö­re aus eige­nem Erle­ben sehr genau. So haben sich die etwas mehr als 20 Sän­ge­rin­nen des Frau­en­bund­chors aus Alt­öt­ting-Nord in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ein recht umfang­rei­ches Reper­toire wäh­rend ihrer vier­zehn­täg­li­chen Pro­ben erar­bei­tet. Für mich ist der Pro­be­n­a­bend wie ein Kurz­ur­laub, hier kann ich ganz bei mir und auch für mich sein. Es fällt, wenn ich zu sin­gen anfan­ge, der gan­ze All­tags­bal­last von mir ab. Beim Sin­gen füh­le ich mich frei“, erzählt eine Sän­ge­rin, die unge­nannt blei­ben möch­te, nach der Pro­be im Saal des Begeg­nungs­zen­trums an der Rai­ten­har­ter Stra­ße. Sie wür­de ger­ne noch mehr sin­gen, habe aber im Moment nicht die Zeit dazu. Die Frau­en des Katho­li­schen Frau­en­bunds gestal­ten mit ihrer Chor­lei­te­rin Saki Tsu­ji ein­mal im Monat den sonn­täg­li­chen Abend­got­tes­dienst in der Stift­s­pfarr­kir­che und tre­ten im Kran­ken­haus, bei Geburts­tags­fei­ern und auch außer­halb Alt­öt­tings auf.

Nach­wuchs für den Chor­ge­sang zu fin­den ist trotz allem nicht mehr leicht. Über die Grün­de dafür kann nur spe­ku­liert wer­den, lang­jäh­ri­ge Sän­ge­rin­nen und Sän­ger machen sich dazu natür­lich Gedan­ken, erle­ben sie doch haut­nah mit wie schwe­re Krank­heit und Tod ihre Sän­ger­schar plötz­lich dezi­mie­ren kön­nen. Auch Stifts­ka­pell­meis­ter Ste­phan Thin­nes, er beklei­det die­se Funk­ti­on seit Juli 2020, erin­nert sich mit Weh­mut an einen sei­ner Sän­ger, den er wegen sei­ner beson­de­ren Per­sön­lich­keit und sei­ner Zuver­läs­sig­keit sehr ver­misst. Das geschieht gera­de an den Fei­er­ta­gen wie Weih­nach­ten, wenn ich mich dar­an erin­ne­re, was wir noch im letz­ten Jahr mit­ein­an­der gestal­tet haben“. Die Coro­na-Pan­de­mie sei für alle, den Kapell­chor wie auch die dazu­ge­hö­ri­gen Orches­ter­mu­si­ker, eine Her­aus­for­de­rung gewe­sen, im posi­ti­ven wie im nega­ti­ven Sin­ne. Wir nutz­ten die Gunst der Stun­de, wenn man so sagen darf, um kam­mer­mu­si­ka­li­scher auf­zu­tre­ten. Unse­re sechs Solis­ten gaben ihr Mög­lichs­tes, mit Mas­ke und den ein­zu­hal­ten­den Abstän­den. Aber ich pro­bier­te auch mit mei­nem klei­nen Ensem­ble Neu­es aus, etwa für die Christ­met­te, in der nur Sopran und Tenor zum Ein­satz kamen, die Mes­se­be­su­cher durf­ten ja nicht sin­gen. Eini­ge Stü­cke habe ich dann neu geschrie­ben. Sobald es ging, nah­men wir unse­re Pro­ben wie gewohnt wie­der auf“, blickt Thin­nes auf die ver­gan­ge­nen Jah­re zurück. Blei­bend geän­dert hat sich für den Kapell­chor und das Kapell­or­ches­ter der Pro­ben­rhyth­mus, sie kom­men nur mehr alle zwei Wochen zusam­men. Es bleibt jetzt mehr Zeit zum Pro­ben,“ sagt der Stifts­ka­pell­meis­ter. Sein Chor umfasst im Moment zwi­schen 25 bis 30 akti­ve Sän­ger jeg­li­chen Alters, eini­ge kom­men auch von aus­wärts, etwa von Sim­bach am Inn, dem vor­ma­li­gen Wir­kungs­kreis von Thin­nes. Der Sopran ist am bes­ten besetzt, Män­ner sind Man­gel­wa­re, gera­de im Bereich des Tenors, sie wach­sen lei­der nicht auf den Bäu­men“, gibt Ste­phan Thin­nes schmun­zelnd zu. War­um aus den Kin­der­kir­chen­chö­ren weni­ge in die Kir­chen­chö­re im Erwach­se­nen­al­ter über­wech­sel­ten, auch in Alt­öt­ting, dar­über wun­de­re er sich selbst, kön­ne sich das aber nicht so ganz erklären.

Zu Ehren der hei­li­gen Cäci­lia: Am 22. Novem­ber, dem Gedenk­tag der Schutz­pa­tro­nin der Kir­chen­mu­sik san­gen drei Chö­re gemein­sam in der Stift­s­pfarr­kir­che Altötting.

Fotos: Ros­wi­tha Dorfner

Die Nach­wuchs­ar­beit im Kir­chen­chor­ge­sang wird in der Wall­fahrts­stadt seit zwei Jahr­zehn­ten wie­der sehr geför­dert. 2003 begrün­de­te das Alt­öt­tin­ger Mari­en­werk die Alt­öt­tin­ger Kapell­sing­kna­ben wie­der, deren Anfän­ge um 1490 erst­mals schrift­lich erwähnt wur­den, ihre tat­säch­li­che Geschich­te dürf­te aber wohl bis ins das frü­he 13. Jahr­hun­dert zurück­rei­chen. Eine Mäd­chen­kan­to­rei kam wenig spä­ter dazu. Der­zeit sin­gen um die 100 Kin­der und Jugend­li­che unter der Lei­tung von Her­bert Hager in ver­schie­de­nen Aus­bil­dungs­stu­fen. Ihr Reper­toire umfasst geist­li­che Wer­ke und welt­li­che Lie­der, sti­lis­tisch wen­det sich die Chor­ge­mein­schaft einer Viel­zahl von Musik­epo­chen gekonnt und hoch­pro­fes­sio­nell zu. In der Vor­weih­nachts­zeit prä­sen­tie­ren die Alt­öt­tin­ger Kapell­sing­kna­ben und die Mäd­chen­kan­to­rei tra­di­tio­nell ein fest­li­ches Advents­kon­zert mit hoch­ka­rä­ti­gen Gäs­ten in der St. Anna-Basi­li­ka, so auch in die­sem Jahr am 10. Dezem­ber mit dem Kam­mer­or­ches­ter viva musi­ca aus Salz­burg und der Mühl­dor­fe­rin Eva Bar­ba­ri­no an der Orgel. 

Auch die Alt­öt­tin­ger Pfar­rei­en ver­su­chen, die Kir­chen­chor­ar­beit mit Kin­dern und Jugend­li­chen zu pfle­gen – die Begeis­te­rung ist bei den mit­wir­ken­den Kin­dern und Jugend­li­chen groß und das Enga­ge­ment enorm. Leb­haf­tes Zeug­nis legt die klei­ne Chor­for­ma­ti­on der Pfar­rei St. Josef in Alt­öt­ting-Süd, unter der Lei­tung von Sibyl­le Garus, ab. Der Kin­der­kir­chen­chor besteht seit 2015 und wur­de auf Anre­gung von Pfarr­vi­kar Deva Gudi­pal­li gegrün­det. Die zehn Sän­ge­rin­nen und Sän­ger wer­den bei ihren frei­täg­li­chen Pro­ben im Pfarr­heim von einem Gitar­ris­ten beglei­tet, der Spaß, den alle Betei­lig­ten haben, ist deut­lich hör- und sicht­bar. Schuld dar­an dürf­te nicht nur die ver­spro­che­ne Scho­ko­la­de sein, die es nach den Pro­ben gibt, son­dern ein­fach die freund­li­che Aus­strah­lung der Chor­lei­te­rin, die auf­ge­räumt hei­te­re Stim­mung und das sich sofort ein­stel­len­de Gefühl, in die­ser klei­nen Run­de ange­nom­men und ange­kom­men zu sein. 

Alle sind sich einig, dass ihnen das Mit­ein­an­der­sin­gen in die­sem Kreis ein­fach gefällt, ihre Fix­punk­te, an denen sie im Kir­chen­jahr auf­tre­ten, sind ihnen hei­lig. Das merkt man ihrem Pro­ben­ei­fer an und ganz beson­ders der Detail­freu­de ihrer Erzäh­lun­gen über die Advents­kranz­wei­he, die Kin­der­met­te, die Kin­der­auf­er­ste­hungs­fei­er und ganz beson­ders über die Blüh­wie­sen­mai­an­dacht, zu der auf eine Blüh­wie­se in der Nähe des Alt­öt­tin­ger Flug­plat­zes gera­delt wird.

2023 11 27 pb alb caecilia Foto: Roswitha Dorfner
Die heilige Cäcilia – im Bild eine Darstellung in Gars am Inn – ist Schutzpatronin der Kirchenmusik.

Die Kir­chen­chor­land­schaft in Alt­öt­ting ist leben­dig, viel­fäl­tig und freut sich auf jeden, der ger­ne singt, wie Anselm Ebner, Chor­lei­ter der bei­den Pfarr­chö­re in Alt­öt­ting-Nord und Süd, nicht müde wird, zu beto­nen. Es ist für jede, für jeden etwas dabei, unab­hän­gig von der Stimm­la­ge. Unter­schie­de gibt es nur in den Chor­tra­di­tio­nen, etwa was die Gesel­lig­keit nach den Pro­ben anbe­langt“, sagt Ebner mit einem Augen­zwin­kern. Das Wich­tigs­te ist, dass das Sin­gen Spaß macht und sie für sich etwas mit­neh­men“. Der hei­li­gen Cäci­lie, der Patro­nin der Kir­chen­mu­sik, hät­te es in Alt­öt­ting ganz sicher gefal­len. Und das nicht nur an ihrem Ehren­tag, am 22. Novem­ber. Und so soll­te der Applaus, zu dem Stadt­pfar­rer Dr. Metzl anläss­lich der Cäci­li­en­mes­se die Besu­cher ermun­ter­te, um den Chö­ren, Musi­kern und ihren Diri­gen­ten zu dan­ken, eigent­lich nie verhallen.

Text: Maxi­mi­lia­ne Heigl-Saalfrank

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