Nachricht 1 kommt von meinem Wetterdienst direkt auf mein Handy: „Akutwarnung: Sehr ergiebiger Neuschnee, Warnstufe ROT!“
Nachricht 2 schickt die Katholische Nachrichtenagentur auf meinen Computer: Jose Martin Chavez Enriquez aus Mexiko hat 16 Familienmitglieder und damit einen Großteil seiner Familie durch die Corona-Pandemie verloren. „Sie wurden krank und starben“, wird er zitiert.
Sie haben recht: Außer dass mich beide Meldungen am gleichen Tag erreichten, hat die eine eigentlich nichts mit der anderen zu tun. Was mich fassungslos macht, ist dieser unglaubliche Gegensatz: In meiner Welt kommt eine Alarmmeldung mit rotem Rahmen, weil es vielleicht 15 Zentimeter Neuschnee gibt; mit Hinweisen auf mögliche Auswirkungen und empfohlene Schutzmaßnahmen. In der fernen, sehr viel ärmeren Welt muss ein Mensch hilflos zusehen, wie seine Familie wegstirbt. Und als ob das nicht schon viel zu viel für ein Leben wär‘, ist der Mann auch noch finanziell ruiniert, weil er sogar für den Sauerstoff zur Beatmung selbst aufkommen musste.
Mir geht diese Diskrepanz nicht mehr aus dem Kopf. Geht es uns zu gut? Machen wir deshalb aus jeder Mücke einen Elefanten, blasen wir jede Herausforderung zur Katastrophe auf, damit wir nicht merken, wie wir im Hamsterrad des Alltags veröden? Am Ende muss das jeder selbst für sich beantworten. Ich fürchte nur, dass uns mit der künstlichen Dauereskalation der Sinn für das wahre Leben immer mehr verloren geht. Auch ganz ohne Corona – ob Bildung, Wirtschaft, Politik oder auch Kirche –, es kriselt und krampft angeblich überall in unserem reichen Land. Und manchen Politikern und Medienleuten können die Buchstaben nicht groß genug sein, um das Feuer der Empörung zu speisen.
Kein Zweifel: Konstruktive Kritik ist wichtig, um vorwärts zu kommen. Aber oft schimpfen und wüten wir halt doch noch aus einer recht warmen, gut abgesicherten Stube heraus. Die Leidtragenden der ständigen Panikmache sind die, denen es wirklich schlecht geht, die um ihre Existenz bangen, die sich an jeden Strohhalm klammern, weil sie durchs Raster gefallen sind. Wir hören sie nicht mehr im Raunen der Dauerempörung, wir fühlen nicht mehr mit, weil wir abgestumpft sind in der Dauerschleife der Belanglosigkeit und der gespielten Depression. Wie viel wäre gewonnen, wenn wir aufhören würden zu jammern und stattdessen anfangen würden, Dinge anders und besser zu machen? Jeder von uns hat die Wahl.
Und damit komme ich zur besten Nachricht: Als Christen haben wir diese Wahl schon getroffen. Wir sind Menschen der Hoffnung. Jeden Tag aufs Neue. Auch bei mehr als 15 Zentimetern Neuschnee.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur