In traditionellen Stücken des Komödienstadels gab es früher oft die Figur eines Dienstboten, der scheinbar ein bisserl begriffsstutzig war, aber es tatsächlich faustdick hinter den Ohren hatte. Und der hieß gerne Wast; im Dialekt ausgesprochen, klingt das zugegeben relativ dunkel, plump und wenig elegant. Und dann gab es noch eine Vielzahl krummbeiniger Dackel, die oft auf den Namen Wasti hörten.
So nimmt es nicht Wunder, dass sich in Südostbayern ein später bekannter Politiker ungerne als junger Mann des klassischen bayerischen Kurznamens für Sebastian bedienen wollte und so das geschmeidigere Seban kreierte. Jahrzehnte später war Sebastian der beliebteste Vorname in Deutschland, und das für beinahe zwei Dekaden. An den Wastis, Bastis, Bastians und Wastls war kein Vorbeikommen mehr, in manchen Klassen gab es Sebastians nur mehr in nummerierter Form, um die Schüler auseinanderhalten zu können.
Was bei aller Popularität des Namens allerdings immer mehr verschwand, war das Wissen um den Namenspatron selbst und das mannigfaltige Brauchtum, das den 20. Januar in Altbayern und im angrenzenden Alpenraum ausmachte. Einiges hat sich bis heute erhalten, andere Traditionen wurden wieder belebt wie die Sebastianiwallfahrt der Inntaler Gebirgsschützenkompanien. Sie führt von Happing nach Pang zur Kirche „Heilig Blut am Wasen“. Der Heilige Sebastian ist der Schutzpatron der Schützen, die Schützenvereine halten das Brauchtum in Form von Prozessionen, traditionellem Anschießen und großen Festversammlungen immer noch hoch.
1799 war der 20. Januar, der Tag des Patroziniums des Heiligen Sebastians, zum letzten Mal ein offizieller Feiertag in Bayern. Es war auch der erste Markttag im neuen Jahr. Während der Sebastianidult durften zum ersten Mal im Jahr wieder Brezen verkauft werden; die Bäcker durften sie nur vom 21. Januar bis zum Palmsonntag backen. Die Brezen, die an Sebastiani selbst an eigens mit bunten Bändern, gekreuzten Pfeilen und dem Sebastiansbildnis geschmückten Marktständen verkauft wurden, waren hell, groß und ohne Lauge. In Altbayern schenkte man eine solche Breze der Verlobten und den Dienstboten.
Die Tradition, ein spezielles Gebäck am 20. Januar zu fertigen, gibt es noch im Bamberger Land. Dort flicht man aus Hefeteig einen ovalen Ring, der, der Überlieferung nach, eine Schlange darstellen soll, die sich in den Schwanz beißt. Die Schlange ist eines der Attribute des Heiligen. Der Sebastians- oder Eierring ist auch der Namensgeber für die Bittgänge im Bistum Bamberg, die im Volksmund als Eierringprozessionen bezeichnet werden. In Endlkirchen bei Reischach verteilt der Pfarrer am Sebastianitag heute noch gebackene Sebastianspfeile an die Kirchenbesucher. Vermutlich handelt es sich bei diesen Traditionen um Opfergebäck, das man ursprünglich zur Sebastianikirchweih am Altar niederlegte, war doch der Tag ursprünglich auch ein strenger Fasttag, der erst beim Aufgang des Mondes endete. In der Gegend um Tölz kennt man den Fastbrauch noch, man verzichtet heute auf etwas, das man gerne mag.
Die besondere Verehrung des Heiligen hat in Altbayern historische Gründe: das rasche Vorrücken der Pest aus Italien gegen Ende des 16. Jahrhunderts, bedingt durch die engen Handelsbeziehungen, die verheerenden Wellen der Pestpandemie mit immensen Zahlen von Toten, das Elend des Dreißigjährigen Kriegs und auch die immer wiederkehrenden Ausbrüche der Cholera, denen man hilflos gegenüberstand. Von Sebastian, dessen Hirnschale in Ebersberg als Reliquiar seit 1450 verehrt wird, erhoffte man sich Rettung vor dem „großen Sterb“. In Gemeinden, die ganz besonders unter der Pest zu leiden hatten, wurden Bruderschaften zu seinen Ehren gegründet, die bis heute existieren. In Reischach im Öttinger Holzland fand man 1586, im benachbarten Endlkirchen zwei Jahre später zusammen. Die Pfarrei St. Jakob in Burghausen lädt heuer zum 423. Hauptfest seiner Sebastianibruderschaft ein, in Haiming und Kößlarn finden ebenfalls traditionell Sebastiansumgänge statt.
In Ebersberg tranken die Pilger geweihten Wein aus der Hirnschale und erwarben kleine Pfeile aus Zinn, die sie sich umhängten oder an ihren Rosenkranz banden, zum Schutz vor Ansteckung. Den Brauch, Wein an Sebastiani zu weihen, trugen die Pilger in ihre Pfarreien. Er hat sich bis heute gehalten. In manchen Gegenden trinkt man allerdings zu Ehren des Heiligen nach dem Kirchenbesuch am 20. Januar einen Schnaps aus Holunder- oder Vogelbeeren; beiden Beeren wird ja in der Volksmedizin eine besondere Heilkraft nachgesagt.
Auch für die Holzarbeiten war und ist der 20. Januar von besonderer Bedeutung, da ab diesem Tag kein Holz mehr gefällt werden darf, denn „an Sebastiani steigt der Saft in den Bäumen hinani“; wer sich ein Sebastianipfeiferl schnitzen will, sollte an diesem Tag einen geeigneten Weiden- oder Haselnussstecken schneiden.
Abzuwarten bleibt, ob sich auch heuer wieder das Wetterphänomen der Sebastiani-Kälte zeigt, denn, so heißt es an „Fabian und Sebastian fängt der rechte Winter an“. Auf was wir sicher vertrauen dürfen, ist, dass es am 20. Januar, einen Hirschensprung, also 35 Minuten, länger hell sein wird.
Text: Maximiliane Saalfrank