Soziales

„An Sebastiani wächst der Tag um einen Hirschensprung“

Redaktion am 17.01.2023

2023 01 16 pb alb heiliger sebastian Foto: Roswitha Dorfner
Der heilige Sebastian, Darstellung in der St. Michaelskirche in Altötting.

Volkskundliches rund um den 20. Januar, einen ehemals großen Feiertag in Altbayern

In tra­di­tio­nel­len Stü­cken des Komö­di­en­sta­dels gab es frü­her oft die Figur eines Dienst­bo­ten, der schein­bar ein bis­serl begriffs­stut­zig war, aber es tat­säch­lich faust­dick hin­ter den Ohren hat­te. Und der hieß ger­ne Wast; im Dia­lekt aus­ge­spro­chen, klingt das zuge­ge­ben rela­tiv dun­kel, plump und wenig ele­gant. Und dann gab es noch eine Viel­zahl krumm­bei­ni­ger Dackel, die oft auf den Namen Was­ti hörten.

So nimmt es nicht Wun­der, dass sich in Süd­ost­bay­ern ein spä­ter bekann­ter Poli­ti­ker unger­ne als jun­ger Mann des klas­si­schen baye­ri­schen Kurz­na­mens für Sebas­ti­an bedie­nen woll­te und so das geschmei­di­ge­re Seban kre­ierte. Jahr­zehn­te spä­ter war Sebas­ti­an der belieb­tes­te Vor­na­me in Deutsch­land, und das für bei­na­he zwei Deka­den. An den Was­tis, Bas­tis, Bas­ti­ans und Wastls war kein Vor­bei­kom­men mehr, in man­chen Klas­sen gab es Sebas­ti­ans nur mehr in num­me­rier­ter Form, um die Schü­ler aus­ein­an­der­hal­ten zu können.

2023 01 16 pb alb sebastiani wallfahrt Foto: Günter Reichelt
Wiederbelebte Tradition für den Patron der Schützen. Auch heuer am 20. Januar findet wieder eine Sebastiani-Wallfahrt der Gebirgsschützenkompanie (GSK) Rosenheim mit einem Gottesdienst um 19.30 Uhr in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Rosenheim Heilig Blut statt. Auf dem Bild die Prozession von Happing zur Kirche.

Was bei aller Popu­la­ri­tät des Namens aller­dings immer mehr ver­schwand, war das Wis­sen um den Namens­pa­tron selbst und das man­nig­fal­ti­ge Brauch­tum, das den 20. Janu­ar in Alt­bay­ern und im angren­zen­den Alpen­raum aus­mach­te. Eini­ges hat sich bis heu­te erhal­ten, ande­re Tra­di­tio­nen wur­den wie­der belebt wie die Sebas­tia­ni­wall­fahrt der Inn­ta­ler Gebirgs­schüt­zen­kom­pa­nien. Sie führt von Hap­ping nach Pang zur Kir­che Hei­lig Blut am Wasen“. Der Hei­li­ge Sebas­ti­an ist der Schutz­pa­tron der Schüt­zen, die Schüt­zen­ver­ei­ne hal­ten das Brauch­tum in Form von Pro­zes­sio­nen, tra­di­tio­nel­lem Anschie­ßen und gro­ßen Fest­ver­samm­lun­gen immer noch hoch.

1799 war der 20. Janu­ar, der Tag des Patro­zi­ni­ums des Hei­li­gen Sebas­ti­ans, zum letz­ten Mal ein offi­zi­el­ler Fei­er­tag in Bay­ern. Es war auch der ers­te Markt­tag im neu­en Jahr. Wäh­rend der Sebas­tia­ni­dult durf­ten zum ers­ten Mal im Jahr wie­der Bre­zen ver­kauft wer­den; die Bäcker durf­ten sie nur vom 21. Janu­ar bis zum Palm­sonn­tag backen. Die Bre­zen, die an Sebas­tia­ni selbst an eigens mit bun­ten Bän­dern, gekreuz­ten Pfei­len und dem Sebas­ti­ans­bild­nis geschmück­ten Markt­stän­den ver­kauft wur­den, waren hell, groß und ohne Lau­ge. In Alt­bay­ern schenk­te man eine sol­che Bre­ze der Ver­lob­ten und den Dienstboten.

Die Tra­di­ti­on, ein spe­zi­el­les Gebäck am 20. Janu­ar zu fer­ti­gen, gibt es noch im Bam­ber­ger Land. Dort flicht man aus Hefe­teig einen ova­len Ring, der, der Über­lie­fe­rung nach, eine Schlan­ge dar­stel­len soll, die sich in den Schwanz beißt. Die Schlan­ge ist eines der Attri­bu­te des Hei­li­gen. Der Sebas­ti­ans- oder Eier­ring ist auch der Namens­ge­ber für die Bitt­gän­ge im Bis­tum Bam­berg, die im Volks­mund als Eier­ring­pro­zes­sio­nen bezeich­net wer­den. In Endl­kir­chen bei Rei­schach ver­teilt der Pfar­rer am Sebas­tia­ni­tag heu­te noch geba­cke­ne Sebas­ti­ans­pfei­le an die Kir­chen­be­su­cher. Ver­mut­lich han­delt es sich bei die­sen Tra­di­tio­nen um Opfer­ge­bäck, das man ursprüng­lich zur Sebas­tia­nikirch­weih am Altar nie­der­leg­te, war doch der Tag ursprüng­lich auch ein stren­ger Fast­tag, der erst beim Auf­gang des Mon­des ende­te. In der Gegend um Tölz kennt man den Fast­brauch noch, man ver­zich­tet heu­te auf etwas, das man ger­ne mag.

2023 01 16 pb alb sebastianikapelle1 Foto: Roswitha Dorfner
„Der Ehrwürdige“ bedeutet der Name Sebastian übersetzt. Im Bild eine Darstellung des Märtyrers und Heiligen in der Sebastianikapelle in der Altöttinger Stiftspfarrkirche.

Die beson­de­re Ver­eh­rung des Hei­li­gen hat in Alt­bay­ern his­to­ri­sche Grün­de: das rasche Vor­rü­cken der Pest aus Ita­li­en gegen Ende des 16. Jahr­hun­derts, bedingt durch die engen Han­dels­be­zie­hun­gen, die ver­hee­ren­den Wel­len der Pest­pan­de­mie mit immensen Zah­len von Toten, das Elend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Kriegs und auch die immer wie­der­keh­ren­den Aus­brü­che der Cho­le­ra, denen man hilf­los gegen­über­stand. Von Sebas­ti­an, des­sen Hirn­scha­le in Ebers­berg als Reli­qui­ar seit 1450 ver­ehrt wird, erhoff­te man sich Ret­tung vor dem gro­ßen Sterb“. In Gemein­den, die ganz beson­ders unter der Pest zu lei­den hat­ten, wur­den Bru­der­schaf­ten zu sei­nen Ehren gegrün­det, die bis heu­te exis­tie­ren. In Rei­schach im Öttin­ger Holz­land fand man 1586, im benach­bar­ten Endl­kir­chen zwei Jah­re spä­ter zusam­men. Die Pfar­rei St. Jakob in Burg­hau­sen lädt heu­er zum 423. Haupt­fest sei­ner Sebas­tia­ni­bru­der­schaft ein, in Hai­ming und Köß­larn fin­den eben­falls tra­di­tio­nell Sebas­ti­an­s­um­gän­ge statt.

In Ebers­berg tran­ken die Pil­ger geweih­ten Wein aus der Hirn­scha­le und erwar­ben klei­ne Pfei­le aus Zinn, die sie sich umhäng­ten oder an ihren Rosen­kranz ban­den, zum Schutz vor Anste­ckung. Den Brauch, Wein an Sebas­tia­ni zu wei­hen, tru­gen die Pil­ger in ihre Pfar­rei­en. Er hat sich bis heu­te gehal­ten. In man­chen Gegen­den trinkt man aller­dings zu Ehren des Hei­li­gen nach dem Kir­chen­be­such am 20. Janu­ar einen Schnaps aus Holun­der- oder Vogel­bee­ren; bei­den Bee­ren wird ja in der Volks­me­di­zin eine beson­de­re Heil­kraft nachgesagt.

Auch für die Holz­ar­bei­ten war und ist der 20. Janu­ar von beson­de­rer Bedeu­tung, da ab die­sem Tag kein Holz mehr gefällt wer­den darf, denn an Sebas­tia­ni steigt der Saft in den Bäu­men hina­ni“; wer sich ein Sebas­tia­nipfei­ferl schnit­zen will, soll­te an die­sem Tag einen geeig­ne­ten Wei­den- oder Hasel­nuss­ste­cken schneiden.

Abzu­war­ten bleibt, ob sich auch heu­er wie­der das Wet­ter­phä­no­men der Sebas­tia­ni-Käl­te zeigt, denn, so heißt es an Fabi­an und Sebas­ti­an fängt der rech­te Win­ter an“. Auf was wir sicher ver­trau­en dür­fen, ist, dass es am 20. Janu­ar, einen Hir­schen­sprung, also 35 Minu­ten, län­ger hell sein wird.

Text: Maxi­mi­lia­ne Saalfrank

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