Kirche vor Ort

Ein Raum zum Austausch

Redaktion am 14.02.2023

2023 02 13 pb alb treffen demenz1 Foto: Adobe Stock
Demenz: Viele Menschen halten sich mehr und mehr an der Vergangenheit fest, wenn ihnen das Heute entgleitet...

Treffen für Angehörige von Demenzkranken. Sie können gemeinsam darüber sprechen wie es sich anfühlt, einen lieben Menschen stückchenweise zu verlieren. Teilnehmende sollen gestärkt werden, damit der weitere Weg leichter wird.

Ein Abschied in Raten.“ Das sei Demenz sowohl für die von der Krank­heit Betrof­fe­nen als auch für deren Ange­hö­ri­ge. Paul Ilg, ehe­ma­li­ger Pfarr­ge­mein­de­rats­vor­sit­zen­der in Salz­weg, hat bis zu ihrem Tod vor sechs Jah­ren sei­ne an Demenz erkrank­te Frau fünf Jah­re lang zu Hau­se gepflegt. Er weiß, wie es sich anfühlt, einen lie­ben Men­schen stück­chen­wei­se zu ver­lie­ren“. Was ihm selbst damals gehol­fen hät­te, wäre ein Ort gewe­sen, an dem er sich mit ande­ren in ähn­li­chen Situa­tio­nen aus­tau­schen hät­te kön­nen. So bin ich ein biss­chen allei­ne gestan­den“, sagt er heu­te und nimmt die­se Erfah­rung zum Anlass, Men­schen einen Ort zu geben, an dem sie ins Gespräch kom­men kön­nen. Zusam­men mit Kon­rad Haber­ger von der Gemein­de­ca­ri­tas Hau­zen­berg hat er schon 2018 eine Selbst­hil­fe­grup­pe für Ange­hö­ri­ge von Demenz­kran­ken ins Leben geru­fen. Nach einer pan­de­mie­be­ding­ten Pau­se star­tet die Grup­pe jetzt neu. 

Die Selbst­hil­fe­grup­pe soll sich wie schon in den Anfangs­zei­ten auf monat­li­che Tref­fen fokus­sie­ren, in denen Ange­hö­ri­ge von Demenz­kran­ken abwech­selnd zu Gesprächs­run­den und zu Fach­vor­trä­gen von Exper­tin­nen und Exper­ten aus ver­schie­de­nen Berei­chen zusam­men­kom­men. So sei­en in ver­gan­ge­nen Tref­fen etwa ein Neu­ro­lo­ge oder ein Spe­zia­list für Ernäh­rung zu Gast gewe­sen, aber auch das The­ma spi­ri­tu­el­le Beglei­tung sei im Zen­trum eines Tref­fens gestan­den. Im Rah­men der Gesprächs­run­den und des Erfah­rungs­aus­tau­sches unter den Teil­neh­men­den sei vor allem Paul Ilg der Exper­te, wie Kon­rad Haber­ger erklärt. Ein Exper­te im wort­wört­li­chen Sin­ne: Einer, der Erfah­rung hat.“ Allein das Reden, das ein biss­chen aus sich Her­aus­kom­men, ist bereits Selbst­hil­fe“, beschreibt Paul Ilg den Kern der Grup­pe. Kon­rad Haber­ger schließt sich dem an: Es tut ein­fach gut, einen Raum zu haben, wo man mit sei­ner Situa­ti­on nach vor­ne kom­men kann. Wo man ein­fach auf Augen­hö­he mit­ein­an­der ins Gespräch kom­men kann.“

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Paul Ilg und Konrad Haberger laden Angehörige von Demenzkranken jetzt zu gemeinsamen Treffen ein.

Paul Ilg hat die Krank­heit in den Jah­ren, in denen er sei­ne Frau gepflegt hat, gut ken­nen­ge­lernt. Zwar sei der Krank­heits­ver­lauf immer indi­vi­du­ell, doch gebe es Mus­ter, die immer wie­der auf­tre­ten. Für die Ange­hö­ri­gen der Betrof­fe­nen sei es oft die größ­te Schwie­rig­keit, die Demenz als Krank­heit zu erken­nen und nicht als Makel. Betrach­te man sie als Makel, füh­re das oft dazu, dass man die Betrof­fe­nen iso­liert. Man glau­be oft, sie wür­den ab einem gewis­sen Zeit­punkt nichts mehr mit­be­kom­men, und über­se­he dabei, dass der demen­te Mensch sei­ne Gefüh­le oft ein­fach nicht mehr ent­spre­chend aus­drü­cken kön­ne. Die Nähe, die ein demen­ter Mensch dann eigent­lich braucht, schwin­det eher“, fasst Ilg zusam­men. Die­se feh­len­de Nähe rufe schließ­lich Angst­ge­füh­le her­vor, die es sei­tens der Ange­hö­ri­gen zu erken­nen gilt. Das Umfeld muss wis­sen: Da ist jetzt jemand, der ist krank“, for­dert Paul Ilg auf. Wenn jemand eine Grip­pe habe oder sich das Bein bre­che, sei das eben­so kein Makel. Bei der Demenz sei dies nur schwie­ri­ger zu akzep­tie­ren. Und genau hier set­ze die Selbst­hil­fe­grup­pe an. 

Du kannst kein Rezept anbie­ten“, stellt Paul Ilg über sei­ne Rol­le in der Selbst­hil­fe­grup­pe fest. Ein­fach zuhö­ren, das sei vor allen Din­gen sei­ne Auf­ga­be. Als pfle­gen­der Ange­hö­ri­ger müs­se man viel Fan­ta­sie haben und sich hin­ein­den­ken kön­nen in eine Welt, die nicht die unse­re ist“. Dabei soll das Ange­bot unter­stüt­zen. Der Erhalt der Men­schen­wür­de der Betrof­fe­nen sol­le schließ­lich stets im Vor­der­grund ste­hen, so Kon­rad Haber­ger. Vor die­sem Hin­ter­grund die Teil­neh­men­den dabei zu unter­stüt­zen, das Leben anzu­neh­men, sehe er als eines der Zie­le der Grup­pe, die er mit­un­ter auch durch spi­ri­tu­el­le Beglei­tung för­dern wol­le. Er wol­le die Teil­neh­men­den immer mit posi­ti­ven Gedan­ken aus den Tref­fen ent­las­sen und ihnen etwas mit­ge­ben, was ihnen den wei­te­ren Weg erleichtert.

Am 16. Febru­ar um 18 Uhr fin­det im Pfarr­heim in Salz­weg nun das ers­te Tref­fen der Grup­pe statt, zu dem alle Ange­hö­ri­gen von Demenz­kran­ken herz­lich ein­ge­la­den sind. Unter der Betei­li­gung der Orts­ca­ri­tas­ver­ei­ne Hau­zen­berg, Salz­weg-Straß­kir­chen und Hut­thurm sowie des Senio­ren­clubs Salz­weg-Straß­kir­chen hof­fen die Orga­ni­sa­to­ren, schon bald jeden Monat eine Grup­pe von etwa acht bis zwölf Per­so­nen begrü­ßen zu dür­fen. Das Ange­bot sei dabei eine Ergän­zung zu bereits bestehen­den pro­fes­sio­nel­len Ange­bo­ten bei­spiels­wei­se des Kreis­ca­ri­tas­ver­bands Pas­sau. Denn: Es gibt genug Bedarf.“

Text: Tami­na Friedl 

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