Sehnsuchtsorte – Editorial zur Urlaubsausgabe

Redaktion am 09.08.2022

2022 08 09 pb alb berge2 Foto: Wolfgang Terhörst

Berge. Sie sind große deutsche Sehnsuchtsorte. Jedes Jahr in der Ferienzeit strömen Millionen Flachlandindianer aus den norddeutschen Tiefebenen in die Höhen von Alpen und Bayerischem Wald. Mitunter deckt sich dann die Sehnsucht nicht ganz mit den Erinnerungen an einen Kindheitsurlaub …

Ihre zwi­schen­zeit­lich fast voll­stän­dig ein­ge­büß­te Schwin­del­frei­heit jeden­falls stell­te kürz­lich eine mir bekann­te lie­be Per­son schon bei der Anfahrt über stei­le Ser­pen­ti­nen zur gebuch­ten Unter­kunft vor bei­na­he unlös­ba­re Her­aus­for­de­run­gen. Oben ange­kom­men jedoch ent­schä­dig­te der wei­te Blick in die Salz­bur­ger Schie­fer­al­pen reich­lich für die aus­ge­stan­de­nen Ängste.

Aber nicht nur tou­ris­ti­sche Som­mer­frisch­ler“ zieht es zu den stei­ner­nen Rie­sen. Ihre Ber­ge“ las­sen auch die Ein­hei­mi­schen selbst nicht los – immer wie­der müs­sen sie hin­auf. Woher kommt nur die­se magi­sche Anzie­hungs­kraft, was macht sie aus? Viel­leicht ist es die­ses Mehr“ einer gewal­ti­gen, eben­so gran­dio­sen wie furcht­erre­gen­den Natur, das über uns ver­letz­li­che, fehl­ba­re Mensch­lein hin­aus­weist. Viel­leicht ist es aber auch viel bana­ler: Gehen, sich bewe­gen, auf einen Berg stei­gen und wie­der abstei­gen – das ist eine Par­al­le­le zum Leben. So gese­hen hat der Berg gro­ße Sym­bol­kraft und Bedeu­tung“, meint der öster­rei­chi­sche Extrem­berg­stei­ger Peter Habe­ler (*1940).

2022 08 09 pb alb berge1 Foto: Wolfgang Terhörst

Wahr­schein­lich ist es eine Mischung aus bei­dem. Im Gebir­ge wer­den die Mus­keln müde und der Kopf frei. In die Anstren­gung über einen stei­len Auf­stieg mischt sich immer wie­der das schie­re Stau­nen über die Natur. Kaum jemand hat das Phä­no­men tie­fer durch­drun­gen und schö­ner beschrie­ben als der lang­jäh­ri­ge Inns­bru­cker Berg­bi­schof“ Rein­hold Ste­cher (19212013): Es ist eine wun­der­ba­re Erfah­rung, wenn Mensch und Schöp­fung, dunk­ler Abgrund und lich­te Höhe, Gip­fel­spur und blau­er Hori­zont, Leben und Tod, Zeit und Ewig­keit in der See­le zusam­men­klin­gen wie eine gro­ße Sym­pho­nie des Daseins.“ Selt­sam: auf unweg­sa­men Berg­pfa­den fühlt man sich viel geer­de­ter als auf siche­rem Pflas­ter. Und zugleich dem Him­mel viel näher. Lei­den­schaft­li­che Berg­wan­de­rer ver­ste­hen, was gemeint ist – sie wis­sen sich auf unbe­stimm­te Wei­se ver­bun­den, grü­ßen ein­an­der auch als völ­lig Frem­de ganz selbstverständlich.

Ber­ge füh­ren vie­le Men­schen an jene Gren­ze, die man Schwel­le des Glau­bens nennt. Sie tun es still und unauf­dring­lich, behut­sam und vor­nehm, und gera­de des­halb tun sie es so eindrucksvoll.”

Bischof Reinhold Stecher

Es tut uns Men­schen gut, hin und wie­der über unse­re Gren­zen hin­aus zu gehen, Ohn­macht und Schwin­del aus­zu­hal­ten – um eine beson­de­re Form der Gebor­gen­heit zu fin­den. Noch ein­mal Rein­hold Ste­cher: Ber­ge füh­ren vie­le Men­schen an jene Gren­ze, die man Schwel­le des Glau­bens nennt. Sie tun es still und unauf­dring­lich, behut­sam und vor­nehm, und gera­de des­halb tun sie es so eindrucksvoll“. 

Lie­be Lese­rin­nen und Leser, genie­ßen Sie Ihren Urlaub, ihre Aus­zei­ten in den Ber­gen. Begeg­nen Sie sich selbst … und viel­leicht auch Gott auf neue Wei­se. Vie­le Wege füh­ren zu ihm – einer geht über die Ber­ge!“ Das sagt, Sie ahnen es, Rein­hold Stecher.

Wolfgang Terhoerst

Wolfgang Terhörst

Redaktionsleiter

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