Es ist kein leichter Abschied. Schwester Lidwina, geboren in Röhrnbach, muss mit ihren 96 Jahren noch einmal die Koffer packen. Sie und Sr. Margarete (84) sind bereits in das Kloster Neuwerk in Mönchengladbach umgezogen. Dorthin folgen in den kommenden Wochen Sr. Fabiola (89), Sr. Gisela (93) und Sr. Marcella (79). Die Oberin des Hauses, Sr. Helene, hat als einzige Schwester einen anderen Ort als ihre neue Heimat: Bad Wurzach. „Bad Wurzach ist landschaftlich ein Traum. Ich bin nur ein‑, zweimal da gewesen, einfach mal ganz kurz über Nacht und jetzt mal zwei, drei Tage im Herbst. Das ist schon schön. Ich hoffe einfach, dass es dort gut wird. Der Ort ist sehr salvatorianisch geprägt.“
Ursprünglich wäre es auch für sie nach Neuwerk gegangen: „Nach Mönchengladbach wäre ich gerne gegangen, weil ich einfach schon jahrelang über die historische Forschung über unsere Gründerin, ihre Texte und ihr Leben arbeite. Aber ich wusste, wenn ich dorthin gehe, bekomme ich wieder keine Zeit dazu, das zu Ende zu führen.“
Die Geschichte des Ordens in der Dreiflüssestadt beginnt am 2. Juni 1926, als auf Gut Donauhof ein Fürsorgeheim für Mädchen errichtet wird. Die Armut und die schwierigen Jahre im Nationalsozialismus forderten die Schwestern anfangs sehr heraus: „Ich erinnere mich, dass eine Schwester sagte, sie seien froh gewesen, wenn sie den Mädchen morgens wenigstens eine Kartoffel in die Hand geben konnten“, berichtete Sr. Helene. Doch die Schwestern setzten sich trotz der Armut weiter für die Mädchen aus dem Bayerischen Wald ein, die damals als schwierig galten. „Die Schwestern haben schon damals unwahrscheinlich viel auf sich genommen. Nach der Kriegszeit haben sie dann gemerkt, dass viele junge Frauen im Bayerischen Wald keine Ausbildung hatten. Sie konnten nur irgendwo auf einem Bauernhof oder ähnlichem arbeiten. Die Schwestern sahen, dass eine Haushaltungsschule notwendig war, und gaben den Mädchen hier wirklich eine Grundhilfe. Mehrere Jahrgänge lernten hier Haushaltsführung, Nähen, Schneidern, Waschen und sogar Stenografie, Schreibmaschine und Englisch.“ So folgten die Gründung einer Hauswirtschaftsschule und die Aufnahme des Schulbetriebs alsbald. Bei allen Entwicklungen habe sich der Schwerpunkt jedoch nie verändert: „Es blieb immer ein Mädchenheim und es war immer Fürsorgeerziehung. Kinder, die zu Hause nicht bleiben konnten, Mädchen, die Schlimmes erlebt hatten, und Familien, die Hilfe brauchten, fanden hier Unterstützung. Es hat mich schon immer berührt, dass hier immer versucht wurde, mit allen Mitteln nach dem neuesten Stand der Erziehungsmethoden zu arbeiten und den Mädchen so gut wie möglich zu helfen und sie auszubilden.“
Aufgrund fehlenden Nachwuchses der Schwestern ging 1988 das Gebäude selbst auf die Caritas über, während die Schule geschlossen wurde und die Schwestern den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten verlagerten. Das sei ein harter Schnitt gewesen, so die Oberin. Sie engagierten sich nun etwa im Missionsbüro der Salvatorianer auf dem Klosterberg, in der Altenseelsorge, durch geistliche Begleitung und den Betrieb einer Krankenpflegestation für Mitschwestern. Am wichtigsten war ihnen jedoch die Vernetzung mit der Nachbarschaft.
„Es ist kein einfacher Abschied“, so Sr. Helene. „Ich denke, dass wir gewohnt waren, uns nicht festzusetzen irgendwo, dass wir bereit sind, zu gehen. Aber wenn es dann plötzlich so weit ist und wir alles hier zurücklassen müssen, das ist anders.“ Jedoch erinnere sie sich immer daran, was ihre Profess bedeutet: „Wir dürfen aber auch schauen, was uns entgegenwächst. Das ist es jedenfalls für mich: immer spüren, wo mich Gott ruft. Es bedeutet, bereit zu sein, diese Hingabe, die wir eben mit der Profess gemacht haben, zu leben und zu geben. Und jetzt ist die Situation, dass wir in dem Alter sind, wo wir hier nicht mehr können. Gott kommt uns auch auf neue Weise entgegen. Auch in diesem Kloster wird Neues entstehen.“ Was mit dem Donauhof geschieht, können sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. „Am liebsten wäre uns natürlich wieder eine Aufgabe, wo für Menschen etwas geschieht. Ob es jetzt Kinder sind oder ältere Menschen. Ich würde mir wünschen, es bliebe ein Ort, wo Menschen einfach leben dürfen und wo dafür gesorgt wird, dass Menschen leben können“, so der Wunsch der Oberin.
Bei seinem Abschiedsbesuch erinnerte Bischof Stefan Oster daran, was aus seiner Sicht eine Ordensberufung zuerst bedeutet: „Wir dürfen beim Vater sein und er zieht uns an sein Herz – durch Jesus. Wir dürfen am Herz des Vaters ruhen. Dann ist alles andere zweitrangig. Ob wir in Passau sind oder anderswo – wir sind schon daheim und sind schon gerettet und gehören zum Vater.“ Auch bedeute die Lebensform, dass sie schon alles verlassen hätten – um des Herren willen. „Ihr habt doch schon alles verlassen – und gleichzeitig sind wir Menschen und loslassen ist nicht leicht.“ Und er schloss mit einem Dank und dem Wunsch: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie aus dieser Erfahrung leben dürfen, weil wir in gewisser Weise schon alles verlassen haben – und obwohl es ein Abschied ist, ist es ein großer Trost unseres Glaubens, dass wir alle zusammen Leib Christi sind und miteinander auf dem Weg sind und bleiben.“
Susanne Schmidt
Bischöfliche Pressesprecherin