Weltkirche

Gottesdienst am „Rauch, der donnert“

Redaktion am 14.07.2020

Victoria-falls Andeas Drouve
Das Ziel aller Besucher in Victoria Falls: die weltberühmten Victoria-Wasserfälle – „der Rauch, der donnert“.

Father Christopher Sibanda hat in Victoria Falls, Simbabwe, mit bescheidenen Mitteln eine lebendige Kirchengemeinde aufgebaut. Neben seiner karitativen Arbeit möchte er vor allem Menschenfischer sein für die Sache Christi.

Was für ein Grol­len! Was für sagen­haf­te Was­ser­vor­hän­ge, in denen sich Son­ne und Gischt zu Regen­bö­gen ver­mi­schen! Wer in den Wes­ten Sim­bab­wes reist, hat zunächst nur eines im Sinn: die welt­be­rühm­ten Vic­to­ria-Was­ser­fäl­le zu sehen. Jede Minu­te stür­zen 550 Mil­lio­nen Liter Was­ser von Afri­kas viert­längs­tem Fluss, dem Sam­be­si, bis zu 108 Meter tief in eine Schlucht. Eigent­lich hei­ßen die Fäl­le in der Spra­che der Ein­hei­mi­schen Mosi-oa-Tunya“, was bedeu­tet: der Rauch, der don­nert“. Als der schot­ti­sche Mis­sio­nar und Ent­de­cker David Living-stone 1855 ein­traf, nann­te er das Natur­wun­der Vic­to­ria Falls“, zu Ehren der bri­ti­schen Köni­gin Vic­to­ria (18191901).

Vic­to­ria Falls heißt auch der angren­zen­de Ort, wo sich Unter­künf­te, Sou­ve­nir­lä­den, Restau­rants bün­deln. Und plötz­lich, etwas abseits hin­ter Mau­ern aus Back­stein, öff­net sich ein erstaun­li­cher Win­kel des Glau­bens: die katho­li­sche Kir­che Our Lady of Peace“, Unse­re Lie­be Frau des Frie­dens“. Ein archi­tek­to­ni­sches Schmuck­stück ist der Bau sicher nicht. In den 1960er-Jah­ren errich­tet, gleicht die Kir­che in Sei­ten­an­sicht eher einer Lager­hal­le. Statt eines Turms erhebt sich sepa­rat ein Metall­mast mit einer Glo­cke dran. Ein wei­ßes Kreuz ziert die oran­ge-rosa­far­be­ne Haupt­fas­sa­de. Das Kir­chen­in­ne­re ist ein­schif­fig, lang­ge­streckt, prag­ma­tisch. Natur­licht dringt durch Milch­glas­fens­ter, an der Decke rei­hen sich Neon­leuch­ten auf. Doch die nüch­ter­ne Aura ändert sich schlag­ar­tig, sobald die leb­haf­te Gemein­schaft zu Got­tes­diens­ten anrückt, sobald er auf­taucht: Chris­to­pher Siban­da, der Pfar­rer, Father“, wie man hier sagt.

Father Christopher Andreas Drouve
Father Christopher Sibanda vor der Marienskulptur in seiner Kirche

Father Chris­to­pher, 44, stammt aus Hwan­ge, dem Sitz der Diö­ze­se, etwa hun­dert Kilo­me­ter ent­fernt. Er spricht flie­ßend Eng­lisch, ist ein hoch­ge­bil­de­ter Mann mit zwei absol­vier­ten Stu­di­en, Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie. Seit drei Jah­ren leis­tet er in Vic­to­ria Falls gan­ze Arbeit – und das gleich dop­pelt. Im Orts­zen­trum küm­mert er sich um die Pfar­rei Our Lady of Peace, etwas außer­halb um die Gemein­de Saint Kizito – und damit um ins­ge­samt 900 Gläu­bi­ge. Er wohnt direkt neben der Kir­che der Frie­dens­jung­frau, braucht für die Mobi­li­tät ein Auto.

Vic­to­ria Falls ist sei­ne drit­te Sta­ti­on als Pfar­rer, ordi­niert wur­de er 2009. War­um die­ser Lebens­pfad? Weg­wei­send, erin­nert er sich, sei­en die Geist­li­chen gewe­sen, denen er schon als Jun­ge“ begeg­ne­te. Der Glau­be, den sie ver­mit­tel­ten, ihr Lebens­stil – das berühr­te mein Herz“, so Father Chris­to­pher. Er ver­brach­te viel Zeit“ mit ihnen, kann­te schon früh“ eine Viel­zahl von Gebe­ten. Der Keim war gesetzt.


Die Gemein­den, die er in Vic­to­ria Falls betreut, bezeich­net er als Schmelz­tie­gel“, als Mini­welt“. Hier sei­en Arm und Reich ver­tre­ten, unter­schied­lichs­te Kul­tu­ren von Zuge­wan­der­ten, Spra­chen wie Sho­na und Süd-Nde­be­le. Neben der kari­ta­ti­ven Arbeit sieht er als Haupt­an­lie­gen, wei­ter Gläu­bi­ge zu gewin­nen, in der bes­ten Nach­fol­ge Chris­ti Men­schen­fi­scher“ zu sein. Es sei essen­zi­ell, aber nicht ein­fach“, Leu­te davon zu über­zeu­gen, zu glau­ben und auch am Got­tes­dienst teil­zu­neh­men.“ Man­che gehen irgend­wann weg, so Father Chris­to­pher, und nennt die Pfingst­be­we­gung als Glau­bens­kon­kur­renz, aber wenn sie zurück­kom­men, dann bin ich glück­lich.“ Den Anteil der Katho­li­ken in Sim­bab­we schätzt er auf zehn bis elf Pro­zent, es kön­ne aber auch etwas mehr sein.

Basis­ar­beit leis­tet der Pfar­rer in den Gemein­den und eben­so in einer Grund­schu­le, die die Kir­che in Vic­to­ria Falls begrün­det hat. Dort gibt er Jun­gen und Mäd­chen mon­tags und mitt­wochs Reli­gi­ons­un­ter­richt. Zusätz­lich steht sams­tags eine Zusam­men­kunft an, bei der die Eltern dabei sind. Father Chris­to­pher ist über­dies für die Jugend­pas­to­ral der Diö­ze­se zustän­dig und in Orte wie Lupa­ne und Binga manch­mal bis zu 300 Kilo­me­ter unter­wegs. Bei sei­nem Wir­ken durch­lebt er Höhen und Tiefen.

Du kannst ein Jahr lang eine dyna­mi­sche Grup­pe haben, aber dann sind alle weg, und du musst neu begin­nen. Jun­ge Leu­te sei­en sehr unter­neh­mungs­lus­tig, die wol­len vie­les ausprobieren.”

Father Christopher Sibanda

Der Höhe­punkt der Woche in der Gemein­de Our Lady of Peace“, auch für Father Chris­to­pher, ist die Sonn­tags­mes­se. Wäh­rend sams­tags abends der Zulauf bei der Mes­se eher dürf­tig ist, platzt das Got­tes­haus am Mor­gen dar­auf um acht Uhr aus allen Näh­ten. Vie­le machen sich dafür rich­tig schick! Frau­en haben dick Lip­pen­stift auf­ge­tra­gen, Haar­mus­ter kunst­voll gerich­tet, haut­enge Kos­tüm­chen und High-Heels ange­legt. Dage­gen trägt Father Chris­to­pher San­da­len, was den geho­be­nen Tem­pe­ra­tu­ren geschul­det ist. Man­che Gläu­bi­ge fah­ren in Pick-ups und Land­crui­sern auf den Kirch­hof, ande­re kom­men zu Fuß. Die meis­ten gehö­ren zur Alters­klas­se der 20- bis 50-Jäh­ri­gen. Eini­ge Frau­en sind mit Baby­tra­ge­tü­chern ver­tre­ten. Es gibt kaum Älte­re. In den Rei­hen riecht es nach Sham­poo, einem Hauch von Par­füm. Auf dem Altar bren­nen eben­so Ker­zen wie in der Ecke links hin­ter dem Ein­gang vor der Frie­dens­jung­frau; die Mari­en­skulp­tur trägt ein weiß­gol­de­nes Gewand, hat die Hän­de zum Gebet gefal­tet.

In der Grund­struk­tur mag der Mess­fahr­plan welt­weit gleich sein – doch hier gehen Umset­zung, Rah­men und Atmo­sphä­re für Orts­frem­de mit Über­ra­schun­gen ein­her. Ven­ti­la­to­ren wir­beln an der Decke und quir­len die Wär­me. Man schwitzt. Eini­ge Kin­der haben Trink­fla­schen dabei. Durch die geöff­ne­ten Fens­ter dringt Vogel­ge­zwit­scher, ver­mengt mit dem fer­nen Moto­ren­lärm der Heli­ko­pter­flü­ge über die Vic­to­ria-Was­ser­fäl­le. Und gleich beim ers­ten Lied befeu­ern Trom­meln und Ras­seln die Freu­de des Glau­bens. Auf den Bän­ken schwin­gen die Anwe­sen­den im Rhyth­mus mit – und es hat den Anschein, als müss­ten sich vie­le zurück­hal­ten, um nicht gleich los­zu­tan­zen. Ein Bea­mer pro­ji­ziert Lied- und Lesungs­tex­te auf die Wand neben dem Altar­raum. Bei der Pre­digt baut Father Chris­to­pher manch­mal inter­ak­ti­ve Ele­men­te ein, fragt vol­ler Ver­ve ins Publi­kum, sorgt für Unru­he und Denk­an­stö­ße. Die Kol­lek­te wird aufs Neue von Ras­sel- und Trom­mel­klän­gen unter­legt. Ganz am Ende heißt es übers Mikro­fon, aus­wär­ti­ge Gäs­te mögen sich erhe­ben. Heu­te sind es zwei. Bei­de wer­den in der hei­li­gen Hal­le mit Applaus bedacht! Ein­ein­halb Stun­den hat die Mes­se gedau­ert. Drau­ßen fin­det sich Father Chris­to­pher zu per­sön­li­chen Gesprä­chen ein – doch er muss bald los. Um zehn Uhr beginnt sei­ne zwei­te Mes­se in Saint Kizito.

Was macht Father Chris­to­pher in sei­ner knapp bemes­se­nen Frei­zeit? Um zu rela­xen, sehe ich fern“, gibt er unver­blümt preis, am liebs­ten Sei­fen­opern aus Süd­afri­ka.“ Oder Action­fil­me, sol­che wie mit Jackie Chan. Manch­mal schaut er sogar Hor­ror­strei­fen. Dann wie­der greift er zu spi­ri­tu­el­ler Lek­tü­re“, ger­ne von Tere­sa von Ávila oder Franz von Sales. Oder er betreibt poli­ti­sche Stu­di­en“ zur Situa­ti­on in sei­nem Hei­mat­land. Natür­lich zieht es ihn, wie die Tou­ris­ten, auch an die Victoria-Wasserfälle. 

Die vie­len Male, die ich dort gewe­sen bin, kann ich gar nicht zählen.”

Father Christopher Sibanda

Text und Fotos: Andre­as Drouve

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