Soziales

Ein schaurig-schönes Hobby

Redaktion am 20.12.2022

2022 12 16 pb alb perchten1 Foto: Tamina Friedl
Das Maskenschnitzen ist echte Handarbeit. Julian Hauer in Aktion.

Julian Hauer, der Maskenschnitzer aus Thalberg, erzählt von seiner Arbeit, die sehr viel Feingefühl erfordert. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: „Bei uns ist eigentlich jede Perchtenmaske schön greislig“, sagt er.

In der klei­nen Hüt­te im Gar­ten hin­ter dem Haus riecht es nach Holz. An den Wän­den hän­gen Zan­gen, Häm­mer und Schrau­ben­zie­her, Stich­sä­ge und Hobel war­ten im Regal auf ihren nächs­ten Ein­satz. Von der Werk­bank aus schaut ein grim­mi­ges Gesicht mit geschwun­ge­nen Hör­nern, spit­zen Ohren und Voll­bart dem Trei­ben zu. In eine der Schrank­tü­ren dane­ben ist ein Schrift­zug ein­ge­ritzt: Mas­ken­schmied Hauer“. 

Das grim­mi­ge Gesicht ist eine der aktu­el­len Arbei­ten von Juli­an Hau­er. Der 29-Jäh­ri­ge ist Mit­glied im Ver­ein Thal­ber­ger Heandl­tromm­ler“. Doch ist er in der Perch­ten­grup­pe aus Thal­berg in der Nähe von Weg­scheid nicht nur einer der Tromm­ler, son­dern er ist auch der, der sei­ne Ver­eins­kol­le­gin­nen und ‑kol­le­gen erst so rich­tig gru­se­lig macht. Juli­an Hau­er schnitzt Perchtenmasken.

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Von der Werkbank aus schaut ein grimmiges Gesicht mit geschwungenen Hörnern, spitzen Ohren und Vollbart dem Maskenschnitzer Julian Hauer bei der Arbeit zu.

Zu sei­nem außer­ge­wöhn­li­chen Hob­by ist der Thal­ber­ger, der haupt­be­ruf­lich eigent­lich Post­bo­te ist, schon in der Kind­heit gekom­men. Zusam­men mit einem Freund war er als Kind jedes Jahr tra­di­tio­nell zum Rauh­nu­del­bet­teln unter­wegs. Den Brauch aus dem Baye­ri­schen Wald, bei dem vor allem Kin­der und Jugend­li­che am Abend der letz­ten Rauh­nacht im Janu­ar von Haus zu Haus zie­hen, haben die bei­den schnell aus­ge­wei­tet. Irgend­wann haben wir gesagt: Hey, das wäre doch cool mit Trom­meln“, erzählt Hau­er. Auf die Trom­meln folg­ten die ers­ten Mas­ken, damals noch aus Papp­ma­schee. Doch schon die­se reich­ten aus, dass sich die Akti­on im Ort her­um­sprach: Das hat den Leu­ten so gut gefal­len und war dann so ein Ren­ner, dass wir gleich gesagt haben, das tun wir wie­der.“ Im Jahr dar­auf war schließ­lich auch Juli­an Hau­ers Bru­der dabei und auch der Vater schloss sich an. Und irgend­wann ist das immer mehr gewor­den. Dann sind wir schon mit einem Bus ver­schie­de­ne Dör­fer abge­fah­ren, weil‘s super ange­kom­men ist.“ Als die Papp­ma­sche­emas­ken nicht mehr aus­reich­ten, mit­un­ter weil sie sich bei Regen auf­lös­ten, star­te­te Juli­an Hau­er schließ­lich das Expe­ri­ment und schnitz­te sei­ne ers­te Mas­ke aus Holz. Mit Holz sei er schon immer gern in Kon­takt gewe­sen und so habe er ein­fach einen Fich­ten­stamm und alles, was er sonst gera­de noch zur Ver­fü­gung hat­te, ver­wen­det. Die Begeis­te­rung sei sofort groß gewe­sen. Da brau­chen wir mehr, da kannst du gleich vier oder fünf machen“, hieß es und seit­dem hat Juli­an Hau­er nicht mehr auf­ge­hört zu schnitzen. 

Mitt­ler­wei­le hat er rund 60 bis 70 Perch­ten­mas­ken geschnitzt, beson­ders seit 2010, als sowohl das Schnit­zen selbst als auch der Ver­ein Thal­ber­ger Heandl­tromm­ler“, der aus dem Gan­zen her­vor­ging, immer pro­fes­sio­nel­ler wur­de. Die meis­ten Mas­ken hat er in der Fol­ge für Ver­eins­mit­glie­der gemacht. Und auch für sich selbst: Ich möch­te jedes Jahr etwas Neu­es haben.“ Die Inspi­ra­ti­on für die Mas­ken holt sich Juli­an Hau­er aus vie­len Rich­tun­gen. Die meis­ten, die eine Mas­ke bestel­len, wis­sen genau, was sie haben möch­ten“, erklärt er. Ansons­ten gehe der Trend aktu­ell wie­der hin zum Mensch­li­chen. Da müs­se man ein­fach schau­en, dass man dem Gesicht einen grim­mi­gen Aus­druck mit schar­fem Blick ver­pas­se. Auch von ande­ren Schnit­zern hole er sich Ideen und dann sei vie­les ein­fach Eigen­vor­stel­lung, denn: Jeder Schnit­zer hat sei­ne eige­ne Handschrift.“

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Julian Hauer mit ein paar der Masken, die er in den letzten Jahren geschnitzt hat.

Für eine Mas­ke nimmt Hau­er in der Regel ein Vier­tel eines Baum­stam­mes. Das muss man sich vor­stel­len wie eine Piz­za und davon ein Vier­tel.“ Da, wo die Spit­ze – die Kern­mit­te – ist, soll die Nasen­spit­ze lie­gen und dort beginnt er auch sei­ne Arbeit. 

Zunächst müs­sen mit einer Motor­sä­ge die Kon­tu­ren zurecht geschnit­ten und die Gesichts­form ange­legt wer­den. Dann fol­gen Schritt für Schritt die ver­schie­de­nen Schnitz­ei­sen, mit denen er sich um die Augen­par­tie, Nase und Mund küm­mert. Das opti­ma­le Holz sei Zir­ben­holz. Da man das aber schwer bekom­me, neh­me er als Alter­na­ti­ve ger­ne Wey­mo­ths­kie­fer. Hin­zu kom­men schließ­lich noch die Augen, ent­we­der gemalt, aus Kunst­stoff oder aus Glas, meis­tens auch Hör­ner, Kopf­fell, etwas Leder zum Aus­pols­tern und Far­be. Ler­nen kann das jeder, der ein wenig hand­werk­li­ches Geschick und ein Gefühl fürs Holz hat“, ist sich Hau­er sicher. Zwar brau­che man gera­de am Anfang noch eine gute Por­ti­on Kraft in den Armen, aber je fei­ner die Mas­ke wer­de, des­to ent­spann­ter wer­de auch die Arbeit. Der auf­wen­digs­te Teil des rund 20 bis 25 Stun­den dau­ern­den Pro­zes­ses sei letzt­lich weni­ger das Schnit­zen selbst als viel­mehr das Bema­len. Auch Juli­an Hau­er selbst hat sich das Hand­werk auto­di­dak­tisch bei­gebracht. Ledig­lich einen Kurs an einer Schnitz­schu­le habe er besucht, von dem er beson­ders das Gefühl für die ana­to­mi­sche Ein­tei­lung von Gesich­tern mit­ge­nom­men habe. 

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Blick in die Werkstatt von Julian Hauer, dem Maskenschnitzer aus Thalberg.

Auf die Thal­ber­ger Heandl­tromm­ler“ um Juli­an Hau­er war­ten auch die­ses Jahr wie­der eini­ge Auf­trit­te. Mit ins­ge­samt rund 25 akti­ven Läu­fe­rin­nen und Läu­fern und zehn wei­te­ren Mit­glie­dern im Hin­ter­grund stellt der Ver­ein regel­mä­ßig auf­wen­di­ge Perch­ten­läu­fe auch über die Lan­des­gren­zen hin­aus auf die Bei­ne. Neben neun ver­schie­de­nen Trom­mel­rhyth­men steht dabei auch die Show der Perch­ten im Zen­trum. Von Hexen über Zie­gen und Kram­pus bis hin zu klas­si­schen Perch­ten kom­men wäh­rend eines Auf­tritts alle Betei­lig­ten nach­ein­an­der auf die Auf­tritts­flä­che, tan­zen um Feu­er­kes­sel, machen klei­ne Feu­er­shows mit Ben­ga­los und erschre­cken die Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er. Schön­perch­ten sei­en kei­ne dabei: Bei uns ist eigent­lich jede schön greis­lig.“ Hin­ter­grund ist dabei die Tra­di­ti­on der zwölf Rauh­näch­te vom 24. Dezem­ber bis zum 6. Janu­ar. Wir Perch­ten sind dafür da, dass wir das Böse, sprich die bösen Win­ter­geis­ter, und das gan­ze Unglück, das in die­ser Zeit des Jah­res­wech­sels liegt, ver­trei­ben“, erklärt Hauer. 

Durch die Coro­na­pan­de­mie sind die Auf­trit­te weni­ger gewor­den, Juli­an Hau­er freue sich aber über den guten Start mit 14 Ter­mi­nen. Jah­res­high­light sei dabei auch die­sen Win­ter wie­der der Heim­lauf in Thal­berg am 30. Dezem­ber: Thal­berg brennt“. Ent­stan­den aus einem Bier‑G’schmatz“, habe die Ver­an­stal­tung schon beim ers­ten Mal 2016 ein­ge­schla­gen wie eine Bom­be. Die Leu­te sind mit Bus­sen gekom­men von über­all her. Das war gigan­tisch“, erin­nert sich Hau­er an die Ver­an­stal­tung, zu der letzt­lich 3.500 Gäs­te erschienen. 

Fünf Grup­pen tre­ten bei Thal­berg brennt“ auf, eine davon die Thal­ber­ger Heandl­tromm­ler“, die sich jedes Jahr eine neue Über­ra­schung extra für die Ver­an­stal­tung ein­fal­len las­sen. So auch die­ses Jahr, wenn die Mas­ken end­lich wie­der auf­ge­setzt wer­den und das Gru­seln sei­nen Lauf nimmt.

Text und Fotos: Tami­na Friedl

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