In der kleinen Hütte im Garten hinter dem Haus riecht es nach Holz. An den Wänden hängen Zangen, Hämmer und Schraubenzieher, Stichsäge und Hobel warten im Regal auf ihren nächsten Einsatz. Von der Werkbank aus schaut ein grimmiges Gesicht mit geschwungenen Hörnern, spitzen Ohren und Vollbart dem Treiben zu. In eine der Schranktüren daneben ist ein Schriftzug eingeritzt: „Maskenschmied Hauer“.
Das grimmige Gesicht ist eine der aktuellen Arbeiten von Julian Hauer. Der 29-Jährige ist Mitglied im Verein „Thalberger Heandltrommler“. Doch ist er in der Perchtengruppe aus Thalberg in der Nähe von Wegscheid nicht nur einer der Trommler, sondern er ist auch der, der seine Vereinskolleginnen und ‑kollegen erst so richtig gruselig macht. Julian Hauer schnitzt Perchtenmasken.
Zu seinem außergewöhnlichen Hobby ist der Thalberger, der hauptberuflich eigentlich Postbote ist, schon in der Kindheit gekommen. Zusammen mit einem Freund war er als Kind jedes Jahr traditionell zum Rauhnudelbetteln unterwegs. Den Brauch aus dem Bayerischen Wald, bei dem vor allem Kinder und Jugendliche am Abend der letzten Rauhnacht im Januar von Haus zu Haus ziehen, haben die beiden schnell ausgeweitet. „Irgendwann haben wir gesagt: Hey, das wäre doch cool mit Trommeln“, erzählt Hauer. Auf die Trommeln folgten die ersten Masken, damals noch aus Pappmaschee. Doch schon diese reichten aus, dass sich die Aktion im Ort herumsprach: „Das hat den Leuten so gut gefallen und war dann so ein Renner, dass wir gleich gesagt haben, das tun wir wieder.“ Im Jahr darauf war schließlich auch Julian Hauers Bruder dabei und auch der Vater schloss sich an. „Und irgendwann ist das immer mehr geworden. Dann sind wir schon mit einem Bus verschiedene Dörfer abgefahren, weil‘s super angekommen ist.“ Als die Pappmascheemasken nicht mehr ausreichten, mitunter weil sie sich bei Regen auflösten, startete Julian Hauer schließlich das Experiment und schnitzte seine erste Maske aus Holz. Mit Holz sei er schon immer gern in Kontakt gewesen und so habe er einfach einen Fichtenstamm und alles, was er sonst gerade noch zur Verfügung hatte, verwendet. Die Begeisterung sei sofort groß gewesen. „Da brauchen wir mehr, da kannst du gleich vier oder fünf machen“, hieß es und seitdem hat Julian Hauer nicht mehr aufgehört zu schnitzen.
Mittlerweile hat er rund 60 bis 70 Perchtenmasken geschnitzt, besonders seit 2010, als sowohl das Schnitzen selbst als auch der Verein „Thalberger Heandltrommler“, der aus dem Ganzen hervorging, immer professioneller wurde. Die meisten Masken hat er in der Folge für Vereinsmitglieder gemacht. Und auch für sich selbst: „Ich möchte jedes Jahr etwas Neues haben.“ Die Inspiration für die Masken holt sich Julian Hauer aus vielen Richtungen. „Die meisten, die eine Maske bestellen, wissen genau, was sie haben möchten“, erklärt er. Ansonsten gehe der Trend aktuell wieder hin zum Menschlichen. Da müsse man einfach schauen, dass man dem Gesicht einen grimmigen Ausdruck mit scharfem Blick verpasse. Auch von anderen Schnitzern hole er sich Ideen und dann sei vieles einfach Eigenvorstellung, denn: „Jeder Schnitzer hat seine eigene Handschrift.“
Für eine Maske nimmt Hauer in der Regel ein Viertel eines Baumstammes. „Das muss man sich vorstellen wie eine Pizza und davon ein Viertel.“ Da, wo die Spitze – die Kernmitte – ist, soll die Nasenspitze liegen und dort beginnt er auch seine Arbeit.
Zunächst müssen mit einer Motorsäge die Konturen zurecht geschnitten und die Gesichtsform angelegt werden. Dann folgen Schritt für Schritt die verschiedenen Schnitzeisen, mit denen er sich um die Augenpartie, Nase und Mund kümmert. Das optimale Holz sei Zirbenholz. Da man das aber schwer bekomme, nehme er als Alternative gerne Weymothskiefer. Hinzu kommen schließlich noch die Augen, entweder gemalt, aus Kunststoff oder aus Glas, meistens auch Hörner, Kopffell, etwas Leder zum Auspolstern und Farbe. „Lernen kann das jeder, der ein wenig handwerkliches Geschick und ein Gefühl fürs Holz hat“, ist sich Hauer sicher. Zwar brauche man gerade am Anfang noch eine gute Portion Kraft in den Armen, aber je feiner die Maske werde, desto entspannter werde auch die Arbeit. Der aufwendigste Teil des rund 20 bis 25 Stunden dauernden Prozesses sei letztlich weniger das Schnitzen selbst als vielmehr das Bemalen. Auch Julian Hauer selbst hat sich das Handwerk autodidaktisch beigebracht. Lediglich einen Kurs an einer Schnitzschule habe er besucht, von dem er besonders das Gefühl für die anatomische Einteilung von Gesichtern mitgenommen habe.
Auf die „Thalberger Heandltrommler“ um Julian Hauer warten auch dieses Jahr wieder einige Auftritte. Mit insgesamt rund 25 aktiven Läuferinnen und Läufern und zehn weiteren Mitgliedern im Hintergrund stellt der Verein regelmäßig aufwendige Perchtenläufe auch über die Landesgrenzen hinaus auf die Beine. Neben neun verschiedenen Trommelrhythmen steht dabei auch die Show der Perchten im Zentrum. Von Hexen über Ziegen und Krampus bis hin zu klassischen Perchten kommen während eines Auftritts alle Beteiligten nacheinander auf die Auftrittsfläche, tanzen um Feuerkessel, machen kleine Feuershows mit Bengalos und erschrecken die Zuschauerinnen und Zuschauer. Schönperchten seien keine dabei: „Bei uns ist eigentlich jede schön greislig.“ Hintergrund ist dabei die Tradition der zwölf Rauhnächte vom 24. Dezember bis zum 6. Januar. „Wir Perchten sind dafür da, dass wir das Böse, sprich die bösen Wintergeister, und das ganze Unglück, das in dieser Zeit des Jahreswechsels liegt, vertreiben“, erklärt Hauer.
Durch die Coronapandemie sind die Auftritte weniger geworden, Julian Hauer freue sich aber über den guten Start mit 14 Terminen. Jahreshighlight sei dabei auch diesen Winter wieder der Heimlauf in Thalberg am 30. Dezember: „Thalberg brennt“. Entstanden aus einem „Bier‑G’schmatz“, habe die Veranstaltung schon beim ersten Mal 2016 eingeschlagen wie eine Bombe. „Die Leute sind mit Bussen gekommen von überall her. Das war gigantisch“, erinnert sich Hauer an die Veranstaltung, zu der letztlich 3.500 Gäste erschienen.
Fünf Gruppen treten bei „Thalberg brennt“ auf, eine davon die „Thalberger Heandltrommler“, die sich jedes Jahr eine neue Überraschung extra für die Veranstaltung einfallen lassen. So auch dieses Jahr, wenn die Masken endlich wieder aufgesetzt werden und das Gruseln seinen Lauf nimmt.
Text und Fotos: Tamina Friedl