Zum Vortragen der Bibeltexte im Gottesdienst gehört neben der Kunst des Sprechens auch ein gewisses Verständnis der Texte. Darum kümmert sich Bibelreferentin Dr. Andrea Pichlmeier und bietet deshalb spezielle Lektorenkurse in den Pfarreien an.
Verstehst du auch, was du liest? Dieser Satz aus der Apostelgeschichte (8,30) ist zu einer Art Motto für meine Arbeit mit Lektoren und Lektorinnen geworden. Laut lesen kann doch jeder, mag der eine oder die andere denken, und die Texte kennen wir auch. Das stimmt. Aber wenn ich einen Tag oder auch nur zwei Stunden mit Lektoren und Lektorinnen verbringe, kommt es doch immer wieder zu Aha-Erlebnissen, sowohl, was das Lesen anbelangt, als auch im Blick auf die biblischen Texte, denn die haben es in sich.
Diese Erfahrung macht auch der Äthiopier im 8. Kapitel der Apostelgeschichte, der eine Wallfahrt nach Jerusalem unternommen hat und nun, auf dem Heimweg, in der Bibel liest. Er kommt zu der Stelle bei Jesaja 53, wo es heißt: „Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.“ Man kann es dem Äthiopier, der kein Jude, aber vom Judentum und dem Gott Israels fasziniert ist, nicht verdenken, dass ihm der Text Fragen aufwirft. Fragen gibt es nicht nur zu dieser Stelle. Viele biblische Texte nötigen zum genaueren Hinschauen. Die Bibel will befragt werden, und sie stellt ihrerseits Fragen an ihre Leser. Sie erhebt den Anspruch, dass sie uns etwas angeht, denn die Erfahrungen, die in ihr versammelt sind, sind Gottes-Erfahrungen. Sie erzählen davon, wie Gott im Leben von Menschen und in der Geschichte des Gottesvolkes gegenwärtig ist. Sie erheben den Anspruch, dass sie, wenn es Gott gibt, für alle Menschen gelten.
Zugleich kommt dieses Buch aus einer anderen Zeit und aus anderen Kulturen zu uns. Vieles ist uns vertraut und erweckt den Anschein, keiner Frage mehr zu bedürfen. Viele Worte leuchten tatsächlich unmittelbar ein. Andere hingegen tun das nicht, und ich musste nach Gottesdiensten schon oft hören: Kannst du uns erklären, wie wir diese Lesung zu verstehen haben? Du hast das doch studiert. Das habe ich, aber die Bibel ist natürlich nicht in erster Linie für Bibelwissenschaftlerinnen geschrieben. Andererseits ist es im Judentum selbstverständlich, dass man als erwachsener Glaubender die Schrift studiert. Man sucht sich einen Lehrer oder eine Lehrerin und erkundet mit ihnen die Bedeutung der Schrift.
Diese Aufgabe ist in der Diözese Passau dem Bibelreferat zugefallen. Als Bibelreferentin habe ich die Aufgabe, mit anderen zusammen die Bedeutung der Heiligen Schrift zu erkunden bzw. Impulse zu geben, wie das geschehen kann. Dafür gibt es viele Möglichkeiten. In vielen Pfarreien gibt es Bibelkreise, in denen Menschen über die Bibel ins Gespräch kommen. Man kann die Bibel aber auch spielerisch erkunden, wie etwa im Bibliodrama oder im Bibliolog. Man kann sie betend lesen, in der sogenannten Lectio divina, der geistlichen Schriftlesung. Man kann sie in einen Rucksack packen und mit ihr wandern gehen oder sich mit ihr auf Pilgerreise ins Heilige Land begeben, dorthin, wo die Bibel zu Hause ist.
Die meisten Menschen aber kommen mit der Bibel im Gottesdienst in Berührung, und das war schon immer so. Darum kommt den Lektoren und Lektorinnen eine so wichtige Aufgabe zu, die nicht einfach darin besteht, einen Text vorzulesen. Der Lektorendienst ist ein liturgischer Dienst, für den man, ähnlich wie für den Dienst von Kommunionhelfern, eine Einführung und Beauftragung erhält. Oft erfolgt das vor Ort, in der eigenen Pfarrei, es besteht aber auch die Möglichkeit, an einem zentralen Lektorenkurs teilzunehmen. Solche Kurse werden vom Bibelreferat einmal im Jahr in Passau angeboten und stehen allen offen, die vor Ort keine Möglichkeit dazu haben.
Weil ich aber festgestellt habe, dass die Resonanz umso größer ist, je näher ein Kurs am eigenen Wohnort stattfindet (am liebsten im eigenen Pfarrverband), möchte ich auch dieses Angebot bekanntmachen: Ich komme gern zu einem Lektorenkurs in Ihre Pfarrei bzw. Ihren Pfarrverband. Das kann ein Tag sein, ein halber Tag, ein Abend. Es ist in zwei Stunden viel möglich, man kann aber auch eine längere Zeit miteinander verbringen, ohne dass es langweilig wird. Dabei ist es schön, auch miteinander zu essen und ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen: zu den biblischen Texten, aber auch zur Liturgie und der Rolle des Lektors bzw. der Lektorin. Wer das wünscht, erhält eine Teilnahmebescheinigung, die auch als Grundlage für eine offizielle Beauftragung gelten kann. Und wenn etwas mehr Zeit eingeplant wird, ist auch ein Lesetraining möglich mit Hinweisen, wie man den Vortrag noch verbessern kann.
Damit sei eine herzliche Einladung ausgesprochen: Wenn Sie als Pfarrer, Haupt- oder Ehrenamtliche(r) vor Ort einen Kurs für Lektor/innen organisieren möchten, als Aus- oder Fortbildung, oder im Rahmen eines Begegnungstages für Liturgische Dienste, rufen Sie an oder schreiben Sie ans Bibelreferat: 0851 393‑5150, E‑Mail: Andrea.Pichlmeier@bistum-passau.de. Ich freue mich darauf, mit Ihnen die Schrift zu erkunden.
Dr. Andrea Pichlmeier
Leiterin Referat Bibelpastoral und Studienleiterin von "Theologie im Fernkurs" in der Diözese Passau