Kommt ein Sofa in den Himmel?

Redaktion am 31.01.2023

2023 01 30 pb alb couch1 Foto: privat
Eine eigene Lebenswelt, das Familiensofa ...

Diese Frage stellt sich Chefredakteur Wolfgang Krinninger im Editorial der aktuellen Ausgabe. Er kommt zu durchaus überraschenden Erkenntnissen ...

Sie mach­te sich mäch­tig breit. Allein durch ihre Mas­se nahm sie den Raum für sich ein und stand sofort im Mit­tel­punkt. Das war vor rund 20 Jah­ren. Wir – drei Kin­der (damals) und zwei Erwach­se­ne – hat­ten die Couch bei Freun­den gese­hen und wuss­ten vom ers­ten Moment an: Die muss es sein und sonst keine.

Unser neu­es Sofa war kein durch­ge­styl­tes, coo­les Desi­gner­stück, im Gegen­teil: Rot und gemüt­lich war es, mit dicken Pols­tern rund­her­um und so rie­sig, dass es in zwei Tei­len gelie­fert wur­de – und selbst dann brauch­te man noch vier Leu­te, um es durch die brei­ten Ter­ras­sen­tü­ren ins Wohn­zim­mer zu hieven.

2023 01 30 pb alb couch2 Foto: privat

Das Wort Sofa geht auf das ara­bi­sche suf­fa“ zurück, Wiki­pe­dia über­setzt das mit gepols­ter­ter Ruhe­bank“. Und genau das war es: Eine Lie­ge­statt, der weich gepols­ter­te Ruhe­pol des Hau­ses. Ein Ort zum Hin­flä­zen, zum Zurück­sin­ken und die Augen schlie­ßen, zum sich Aus­klin­ken aus dem Getrie­be des All­tags. Sei es für ein paar Minu­ten, sei es für die hal­be Nacht.

Und doch war die­ses Möbel­stück noch viel mehr. Eine eige­ne Lebens­welt. Zwei Decken und ein paar Kis­sen reich­ten den Kin­dern aus, um auf der brei­ten Lie­ge­flä­che eine dunk­le Höh­le inmit­ten einer unwirt­li­chen Wild­nis ent­ste­hen zu las­sen. Auf den bei­den Leh­nen rit­ten sie joh­lend durch Tag und Nacht und pur­zel­ten gele­gent­lich her­un­ter. Und jedes unse­rer Kin­der kurier­te auf dem Sofa Fie­ber, Kopf­weh und Magen-Darm-Ver­stim­mun­gen aus. Weil da die Mama oder der Papa und der Fern­se­her nah und greif­bar waren und weil sie ver­mut­lich nur hier spür­ten und rochen, dass alles immer wie­der gut wird. Selbst Hund und Kat­zen hat­ten schnell ent­deckt, dass an die­sem Ort des Frie­dens weder Krat­zen noch Kläf­fen ange­bracht sind.

Kom­men Rühr­ge­rä­te in den Him­mel?“, frag­te 2016 ein abend­fül­len­der Doku­men­tar­film – oder anders aus­ge­drückt: Kön­nen Din­ge eine See­le haben?

Aris­to­te­les sag­te Nein. Doch unser Rie­sen­so­fa war schließ­lich Spiel­platz, Tier­heim, Fuß­ball­sta­di­on, Kran­ken­la­ger und Him­mel­bett zugleich. Und da springt mir dann Prof. Dr. Josef Frei­tag von der Katho­lisch-Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Uni Erfurt zur Sei­te. Din­ge, sagt er, haben eine Eigen­art – und sie haben Men­schen, die sie her­ge­stellt haben, und Men­schen, die sie benut­zen. Die­se Men­schen legen ihre Arbeit, ihren Kunst­sinn, ihre Ästhe­tik in die Din­ge hin­ein. Und wo Din­ge für Men­schen zu spre­chen anfan­gen, da gehö­ren sie zu ihnen. Da ist es dann vor­bei mit dem puren Mate­ria­lis­mus, da bekom­men sie ein Ver­hält­nis zu ihnen, manch­mal ein ganz inni­ges. Din­ge, die uns nost­al­gisch wer­den las­sen, sagt Prof. Frei­tag, haben einen beson­de­ren Geist und neh­men damit indi­rekt einen wich­ti­gen Platz in der mensch­li­chen See­le ein“.

Und so traue­re ich um unser altes, völ­lig ver­schlis­se­nes Sofa. Als es abge­holt wur­de, war ich nicht da. Bestimmt war es sau­schwer beim Raus­tra­gen. Vol­ler Erin­ne­run­gen, vol­ler Leben, seelenvoll. 

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

Weitere Nachrichten

2024 04 23 pb alb weltgebetstag
Weltkirche
23.04.2024

Viel mehr als ein Beruf

Weiterleben – mit diesem Motto war der Weltgebetstag für geistliche Berufe in diesem Jahr überschrieben. In…

2024 04 19 pb alb nicht verstanden
22.04.2024

Verstanden?

Beendet moderne Technik die sprichwörtliche babylonische Sprachverwirrung? Der Autor des Editorials der…

2024 04 22 pb alb bruder konradfest21
Kirche vor Ort
22.04.2024

„Prophet für unsere Zeit“

Am 20. und 21. April haben die Altöttinger Kapuziner das Bruder Konradfest gefeiert. Es stand heuer ganz im…

2024 04 19 pb alb teresa stefenelli benin1
Weltkirche
22.04.2024

Entdeckungen in Afrika

Teresa Stefenelli wird noch bis Ende August in Cotonou (Benin) als Freiwillige in einem Don-Bosco-Projekt…