Diakon Konrad Niederländer hat den Passauer Diözesan-Caritasverband in den letzten Jahren mitgeprägt, von 2010 bis 2016 als Vorsitzender des Aufsichtsrates und seit 2016 als Bischöflich Beauftragter und Vorstand. Am 1. Januar 2025 tritt der 65-Jährige seinen Ruhestand an, am 15. November wird er offiziell verabschiedet. Im Interview zieht er Bilanz.
Herr Niederländer, mit all Ihren beruflichen Erfahrungen, welchen Ratschlag geben Sie Ihrem Nachfolger Stefan Seiderer mit auf den Weg?
Niederländer: Ich würde ihm raten, dass er alles mit Bedacht angeht. Er ist ein Insider, er kennt den Verband sehr gut, aber hat doch viele neue Aufgabengebiete. Da rate ich ihm, sich Schritt für Schritt in die neue Aufgabe hineinzufinden. Er ist begleitet von vielen tollen Kollegen und Führungskräften, da kann er, glaube ich, mit aller Ruhe die Aufgabe angehen.
Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus, wenn Sie auf Ihre Zeit bei der Caritas zurückschauen?
Niederländer: Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich noch sehr gute Jahre erlebt habe, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, aber auch in Bezug auf die Situation der Kirche. Ich habe die Kirche sehr praxisnah erlebt, als Caritas, und blicke mit großer Dankbarkeit zurück. Wir hatten hervorragende wirtschaftliche Ergebnisse, viel Stabilität in unseren Einrichtungen und auch eine große personelle Stabilität. Jetzt fordert uns der Personal- und Fachkräftemangel. Ich schaue mit Dankbarkeit auf diese Jahre zurück und wünsche meinem Nachfolger eine glückliche Hand für die kommenden Herausforderungen.
Sie sagen es selbst, es kommen wahrscheinlich schwierige Zeiten auf die Caritas zu. Was sind denn die größten Herausforderungen?
Niederländer: Zu den größten Herausforderungen zählt auf jeden Fall der Personal- und Fachkräftemangel. Den spüren wir in allen Bereichen – in der Pflege, in den Kindertagesstätten, aber auch in der Verwaltung. Das zweite ist die wirtschaftliche Sorge. Wir sind sehr abhängig von staatlichen Fördergeldern. Zurzeit kann man fast täglich lesen, dass der Bezirk Niederbayern und die Kommunen klamm sind, die Kassen leer und Finanzierungslücken bestehen. Ich habe große Sorge, dass es zukünftig schwieriger wird, all unsere Dienste aufrechtzuerhalten und zu finanzieren. Das dritte ist vielleicht, was mir auch sehr wichtig war: das Profil unserer Einrichtungen. Stichwort Grundordnung, die sich ja, Gott sei Dank, verändert und geöffnet hat, sodass die Lebenssituation der einzelnen Mitarbeiter jetzt keine große Rolle mehr spielt. Aber das Profil der Einrichtung wird umso wichtiger. Da bleibt die Sorge: Bleiben wir weiterhin Caritas als Teil der Kirche? Sind wir weiterhin sichtbar? Ich glaube, das ist auch eine große gesellschaftliche Herausforderung.
Sie waren mitverantwortlich für insgesamt 4000 Mitarbeiter. Wie sehen Sie diese Verantwortung? War das eher eine Last oder eine Herausforderung und Chance für Sie?
Niederländer: Beides. So eine große Organisation mit über 160 Einrichtungen ist eine riesige Herausforderung. Personalangelegenheiten sind oft sehr belastend. Kaum ein Tag vergeht ohne irgendein Personalproblem – und das fordert natürlich heraus. Andererseits haben wir sehr hochqualifizierte, gute Mitarbeiter und Führungskräfte, mit denen zusammen es sehr gut handhabbar war. Der Mensch steht im Mittelpunkt, auch unsere Mitarbeiter bei unseren Diensten. Insofern war es eine schöne Aufgabe und für mich eine schöne Verantwortung, dafür zuständig zu sein.
„Diakon bleibt man ein Leben lang. Das werde ich auch gerne weiter ausüben, soweit es zeitlich möglich ist und vor Ort auch gewünscht wird.”
Es war für Sie immer wichtig, Teil der Kirche zu sein. Was hat Sie angetrieben, was motiviert Sie, und welche Rolle spielt dabei Ihr persönlicher Glaube?
Niederländer: Ja, mein Glaube war vielleicht auch die Grundlage für diese Entscheidung und meinen Weg. Ich komme aus einer sehr katholischen Familie, war von klein auf in der Kirche aktiv – als Ministrant und später auch in verschiedenen Diensten. Die Weihe zum Diakon war noch mal ein einschneidendes Ereignis. Ich war immer schon gerne in der Kirche tätig und habe mich dabei auch immer erfüllt gefühlt. Es ist eine innere Glaubensüberzeugung – und insofern war es für mich sehr stimmig: Diakon und Caritas, das hat gut gepasst.
Sie sind Diakon, was Helfer, Bote, Diener bedeutet. Wo sahen Sie Ihre persönliche Mission, Ihre persönliche Aufgabe?
Niederländer: Ich war als Diakon im Zivilberuf zunächst sehr stark in die Pfarrei verortet. Mit der Aufgabe in der Caritas hat das noch mal eine andere Dimension bekommen. Aber auch da war mir wichtig, das Diakonische mit einzubringen. Wir haben ja die Gemeindecaritas noch mal sehr gestärkt, auch die Verbindung der Caritas in den pastoralen Raum hinein. Wir hatten in diesen Jahren die große Herausforderung, die Übernahme der Kindergärten in die Organisation der Caritas zu stemmen. Das war mir sehr wichtig, denn für mich ist die Kindertagesstätte ein wertvoller Kirchort, wo man wunderbar alle antrifft – Kinder, junge Eltern. Und ich meine, dass die pastoralen Mitarbeiter draußen viel mehr die Kitas im Blick haben sollten.
Sie werden auch als Diakon weiterarbeiten, auch wenn Sie bei der Caritas in den Ruhestand gehen?
Niederländer: Ja, Diakon bleibt man ein Leben lang. Das werde ich auch gerne weiter ausüben, soweit es zeitlich möglich ist und vor Ort auch gewünscht wird.
Sie sind auch im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem sehr aktiv. Was sind dort Ihre Aufgaben?
Niederländer: Ja, da bin ich seit vielen Jahren Mitglied und auch fast acht Jahre leitender Komtur. Das heißt, ich bin verantwortlich für diese Gemeinschaft in unserem Bistum. Da endet meine Amtszeit im Sommer nächsten Jahres, und eine Verlängerung ist nicht möglich. Dass das eine sehr wertvolle Gemeinschaft ist – vor allem mit Blick ins Heilige Land –, das spüren wir gerade jetzt. Mit den Geschehnissen im Libanon sehen wir, wie wertvoll und wichtig es ist, das Heilige Land und die Christen dort zu unterstützen.
Noch mal zurück zur Caritas. Die Caritas-Sammlungen wurden durch Corona auf eine harte Probe gestellt. Hat sich das wieder normalisiert, konnte man das irgendwie auffangen?
Niederländer: Durch Corona sind die Sammlungen ja gänzlich eingebrochen, und das hat sich auch nicht mehr erholt. Das liegt aber auch daran, dass viele Sammlerinnen und Sammler aus Altersgründen nach und nach aufhören und wir uns schwer tun, jüngere zu finden, die diese Aufgabe übernehmen. Wir sind vielerorts übergegangen zu Hausbriefsammlungen, das heißt, wir schreiben die Leute vor Ort an und bitten um Spendenüberweisungen. Es sind zwar deutlich weniger Menschen, die jetzt spenden, aber diejenigen, die überweisen, spenden in der Regel höhere Beträge, als sie es vielleicht an der Haustür getan hätten. Somit ist das Spendenaufkommen immer noch relativ gut, aber insgesamt rückläufig.
Wenn Sie schon ein bisschen vorausblicken: Was bringt denn der Ruhestand für Sie?
Niederländer: Erst einmal Entspannung und Ruhe. Meine Frau ist schon drei Jahre in der Freistellungsphase und im Ruhestand. Da freue ich mich auf gemeinsame Zeiten, gemeinsame Unternehmungen. Wir haben drei Kinder und sechs Enkelkinder, und ich freue mich darauf, Zeit mit der Familie zu verbringen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten doch oft zurückstecken musste.
Gibt es noch Träume, die Sie sich unbedingt erfüllen möchten?
Niederländer: Gesundheit ist meine große Hoffnung. Die war mir in der Vergangenheit geschenkt, und ich bin dem Herrgott unendlich dankbar, dass ich in über 40 Dienstjahren keinen einzigen Krankheitstag hatte. Insofern hoffe ich sehr, dass mir das weiterhin geschenkt bleibt. Ich will die Zeit genießen: mehr Ruhe, mehr Entspannung. Ich reise gerne, und meine Kinder sind immer wieder im Ausland gewesen. Das gibt immer wieder Anreize, mitzureisen, und da hoffe ich, dass uns noch viel Zeit geschenkt wird.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur