Wenn die alten Mauern in der Burghauser Spitalgasse 207 reden könnten, dann erzählten sie von menschlichen Schicksalen in Bedrängnis, von Schmerz, Leid, Verzweiflung, Hoffnung und Liebe. Aber auch vom Glauben an die Begegnung mit Menschen und dem Wort Gottes. Und das Tag für Tag, seit beinahe 700 Jahren. Was ist da schon ein Vierteljahrhundert, kommt es einem spontan in den Sinn, beim Blick auf die Einladung zum 25. Jahrestag der Altarweihe des Hauses der Begegnung Heilig Geist. Am 30. Mai 1998, fast auf den Tag genau vor 25 Jahren, hatte die Altarweihe stattgefunden.
Das Haus der Begegnung Heilig Geist in Burghausen ist ein Bildungshaus der Diözese Passau. Gebäude und Kirche blicken auf eine lange, bis ins frühe 14. Jahrhundert reichende Geschichte zurück. Ursprünglich als Spital für Bedürftige und Kranke gegründet, blieb es bis 1956 das Städtische Krankenhaus Burghausens. Der neue Eigentümer, die Diözese Passau, widmete das Gebäude zunächst in ein Studienseminar um; nach einer grundlegenden Renovierung eröffnete 1993 das diözesane Begegnungszentrum, das seither den Namen Haus der Begegnung Heilig Geist trägt. 2023 feiert das Haus in der Burghauser Altstadt sein großes Jubiläumsjahr, mit zahlreichen Veranstaltungen. Der erste Höhepunkt des Festjahres fand am Pfingstsonntag in der Patroziniumskirche Heilig Geist statt.
Die ehemalige Spitalskapelle besticht mit ihrem lichtdurchfluteten Kirchenrund. In elliptischer Form sind schlichte Holzstühle um einen Ambo und einen grauen, glattgeschliffenen Altartisch aufgestellt. Diese Anordnung weitet nicht nur den Blick auf das barocke Altarbild della Croces mit seiner ebenfalls elliptisch aufgebauten Darstellung von Maria und den 12 Aposteln und ihrem Erleben des Pfingstwunders, sondern vermittelt dem Gottesdienstbesucher zugleich eine enge Verbundenheit, ein Miteinander, ein sofortiges Aufnehmen der Stimmung des Gegenübersitzenden. Sie lässt den Zelebranten „mitten unter uns“ in dieser Runde sein. Trotz der emotionalen Nähe zwischen den Gottesdienstbesuchern und den daraus resultierenden Schwingungen atmet die ehemalige Spitalskapelle weiterhin eine barocke Leichtigkeit, der die musikalische Gestaltung des Kapuzinerchors und ‑orchesters perfekt in die Hände spielte. Dirigent Bernhard Waas hatte für den Festtag des Altarweihejubiläums Joseph Haydns Missa brevis Sancti Joannis de Deo Hob. XXII:7 perfekt für den Kirchenraum ausgesucht. Ihre Erstaufführung fand ebenfalls in einer Krankenhauskapelle statt.
„Vielleicht rührt ihr an die Bänke“: Vor 30 Jahren, am 4. November 1993, dem Einweihungs- und Eröffnungstag des Hauses der Begegnung Heilig Geist, hatte diese kleine scheinbar zufällig hingeworfene Bemerkung Bischof Franz Xaver Eders, den Ausschlag gegeben, so Monsignore Josef Fischer in seiner Pfingstpredigt, das Kircheninnere neu zu gestalten. „Der Stuhlkreis hatte sich für Gespräche im Haus bereits etabliert, er schien vielen auch für die Kirche geeignet“, erinnert sich Pfarrer Fischer an die ersten Jahre im neuen Burghauser Haus. Die Kirchenbänke wurden entfernt, in die ausgetretenen karminroten Bodenfliesen der Kapelle eine feine Fuge gefräst, die eine ovale Kurve beschreibt. Sie ist das in Stein gehauene Sinnbild der neuen Raumordnung.
Im Mittelpunkt des neuen Kirchenraums soll das Motto des Hauses „die Begegnung mit Menschen und Gottes Wort“ versinnbildlicht werden, so Zelebrant Fischer am Pfingstsonntag: „Begegnung mit dem Menschen, dafür steht die Ellipse; Begegnung mit dem Wort Gottes, dafür steht der Ambo, der Tisch des Wortes“. Er besetzt mit dem Altar, dem Tisch des Sakraments, die beiden Brennpunkte der Ellipse. „Die Runde hat es in sich, sie ist die Form jeder Pfingstdarstellung. Sie ist das Urbild der Kirche“, sagt der Festprediger Msgr. Josef Fischer. Sie regt an, unendliche Gespräche zu beginnen und stiftet zu immerwährenden Begegnungen an. Die Burghauser Heilig-Geist-Kirche, im Haus der Begegnung Heilig Geist, legt mit seinem Altar davon beredtes Zeugnis ab, seit 25 Jahren.
Text: Maximiliane Heigl-Saalfrank