Das glauben wir

Gott erfahren

Redaktion am 31.01.2023

2023 01 30 pb alb wald Foto: AdobeStock

Aufbrechen, sich auf den Weg der Gottsuche machen – dazu ermuntert eine neue Reihe im Haus Spectrum Kirche. Was es damit auf sich hat, erklärt Dr. Bernhard Kirchgessner im Interview.

Heu­te Gott erfah­ren – so lau­tet der Titel einer neu­en Rei­he in Spec­trum Kir­che. Wie ist die­se Idee ent­stan­den?
Kirch­gess­ner:
Es ist ein gro­ßes Anlie­gen unse­res Bischofs, Räu­me und Mög­lich­kei­ten zu eröff­nen, damit Men­schen heu­te Gott erfah­ren kön­nen. Klar ist: Es herrscht all­seits ein gro­ßes Defi­zit an Glau­bens­wis­sen, aber wenn ich ein­fach jeman­den den Kate­chis­mus in die Hand drü­cke, wer­de ich ihn damit nicht gera­de für Jesus begeis­tern. Der Mensch muss die Mög­lich­keit haben, eine per­sön­li­che Erfah­rung machen zu kön­nen. Da wir in unse­rem Haus einen Schwer­punkt auf christ­li­che Spi­ri­tua­li­tät und Mys­tik gelegt haben, kre­ierten wir eine Rei­he, wo wir aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln auf die­ses The­ma schau­en. Wir wol­len Weg­mar­ken set­zen, die hel­fen, eine Got­tes­er­fah­rung zu machen. 

Ist die Erfah­rung Got­tes heu­te schwie­ri­ger als frü­her?
Kirch­gess­ner:
Ich wür­de nicht sagen, dass sie schwie­ri­ger gewor­den ist, aber das The­ma ist in der Kir­chen­ge­schich­te der Neu­zeit in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Da war Wis­sen und Wis­sens­ver­mitt­lung sehr wich­tig – auch an den Uni­ver­si­tä­ten im Theo­lo­gie­stu­di­um, was ja auch abso­lut rich­tig ist. Erst die Wie­der­ent­de­ckung der monas­ti­schen Theo­lo­gie, die Wie­der­ent­de­ckung von gro­ßen Frau­en und Män­nern und ihren geist­li­chen Wer­ken hat uns die­sen Zugang wie­der eröff­net. Das macht heu­te Mut, die­ser Fra­ge doch inten­si­ver nachzugehen.

2023 01 30 pb alb bernhard kirchgessner Foto: Stefanie Hintermayr / pbp
Dr. Bernhard Kirchgessner.

Aber muss bei der Erfah­rung Got­tes nicht jeder sei­nen eige­nen Weg fin­den?
Kirch­gess­ner:
Natür­lich. Das ist ganz klar. Ich hab ja gesagt: Wir lie­fern Weg­mar­ken, aber das ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße, wo man drauf geht und es hilft dir. Im Grun­de genom­men gibt es ja wahn­sin­nig vie­le For­men und Mög­lich­kei­ten der Spi­ri­tua­li­tät. Mit unse­rer Rei­he möch­ten wir neu­gie­rig machen, selbst ein­fach mal rein­zu­schnüf­feln. Der eine wird bei The­re­sa von Ávila rein­schau­en, ein ande­rer wird rein­hö­ren, was Meis­ter Eck­hart zu sagen hat, dem drit­ten ist die Regel des hl. Bene­dikt eine Hil­fe. Und anhand die­ser geist­li­chen Meis­te­rin­nen und Meis­ter dann einen Weg zu gehen, das wär‘s eigent­lich. Neu­gie­rig zu machen, zu ermu­ti­gen, zu sagen: Geh, aber lass dich nicht einschränken. 

Und an wen rich­tet sich die­se Rei­he?
Kirch­gess­ner:
Eigent­lich an alle, die auch nur im ent­fern­tes­ten eine Sehn­sucht nach des Tran­szen­den­ten haben. Ich stel­le bei unse­ren Aus­stel­lun­gen immer wie­der fest, dass jeder Mensch von einer ganz tie­fen Sehn­sucht geprägt ist – nicht nur nach Vor­der­grün­di­gem, son­dern nach etwas Blei­ben­dem. Und da ist unser Ansatz­punkt, zu sagen, fol­ge der Sehn­sucht, die du in dir spürst. Fol­ge die­ser Sehn­sucht und die­se Sehn­sucht wird dich auch ans Ziel führen. 

Kön­nen Sie uns noch etwas zu den Refe­ren­ten der Rei­he sagen?
Kirch­gess­ner:
Wir ver­su­chen von ver­schie­dens­ter War­te her das The­ma anzu­ge­hen: Frau Prof. Han­na-Bar­ba­ra Gerl-Fal­ko­vitz, die erst jüngst den Nobel­preis für Theo­lo­gie“ (Aus­zeich­nung mit dem Ratz­in­ger-Preis 2021, die Redak­ti­on) bekom­men hat, wird über die gött­li­che Lie­be spre­chen (14. Febru­ar, die Red.) Ich sel­ber wer­de auf die The­men Acht­sam­keit und Ent­schleu­ni­gung schau­en, weil das für vie­le heu­te eine wun­der­ba­re Ein­stiegs­mög­lich­keit bie­tet. Der Sehn­sucht fol­gen, die Hei­li­ge Schrift als Weg­mar­ke, das wird Dr. Anton Cuf­fa­ri auf­grei­fen. Die Ver­sen­kung in die Stil­le, die Kon­tem­pla­ti­on, dar­um nimmt sich unser zwei­ter Nobel­preis­trä­ger für Theo­lo­gie, Prof. Lud­ger Schwi­en­horst-Schön­ber­ger, an. Dann wird ein Künst­ler aus sei­ner War­te spre­chen: Wie kann Kunst einen Weg berei­ten, um Gott zu erfah­ren? Ganz inten­siv eig­net sich dafür auch die Musik. Wie sie das Herz berührt und noch eine Spur tie­fer geht, das erklärt Diö­ze­san­mu­sik­di­rek­tor Dr. Mari­us Schwem­mer. Und ganz zuletzt haben wir mit Prof. Dr. Georg Lan­gen­horst aus Augs­burg einen Spe­zia­lis­ten für Reli­gi­on in der zeit­ge­nös­si­schen Lite­ra­tur. Er geht der Fra­ge nach, wie uns Lite­ra­tur auf die­sen Weg beför­dern kann. 

Es geht um die ganz exis­ten­ti­el­le Erfah­rung. Ich kann nicht sagen, ich setz‘ mich jetzt hin, bete drei Rosen­krän­ze und dann wird der lie­be Gott sich schon ein­stel­len, das ist Quatsch. Aber ich kann den Weg berei­ten, ich kann Weg­mar­ken set­zen, ich kann Men­schen ermu­ti­gen: Geh die­sen Weg! Das ist das Entscheidende.”

Dr. Bernhard Kirchgessner

Ver­ra­ten Sie uns noch, wie denn Ihre eige­ne Got­teserfah­rung aus­sieht?
Kirch­gess­ner:
Es ist natür­lich sehr schwie­rig, über die eige­ne Got­tes­er­fah­rung zu spre­chen. Ich sag mal so: Mei­ne Bekeh­rung fand vor 20 Jah­ren in der Abtei­kir­che von Fon­ten­ay statt, ein Zis­ter­zi­en­ser­klos­ter, wel­ches Bern­hard von Clairvaux 1118 gegrün­det hat. Das hört sich selt­sam an, wo ich bereits 40 Jah­re Pries­ter bin. Aber da bin ich in guter Gesell­schaft. The­re­sa von Ávila bezeugt, sie war schon 19 Jah­re im Klos­ter, als sie sich bekehrt hat. Vom 20. August 2003 an, stand die Fra­ge: Gibt es Gott oder gibt es Gott nicht?“ über­haupt nicht mehr im Raum, weil sie so exis­ten­ti­ell greif­bar war, dass ich seit­her für mich rech­ne, was war davor und was war danach. Und das hat mich beflü­gelt, die­sen Weg zu gehen. Das traf fast zeit­gleich mit mei­ner Tätig­keit hier im Hau­se zusam­men. Und natür­lich ist Bern­hard von Clairvaux für mich ein ganz wich­ti­ger Weg­be­glei­ter.
Gott ist Lie­be – wenn jemand auf­schlüs­seln kann, was das heißt und was das für das eige­ne Leben bedeu­tet, dann sitzt man eigent­lich an der ganz ent­schei­den­den Stel­le. Fach­leu­te sagen: Das war für Bern­hard von Clairvaux die Bibel­stel­le schlecht­hin: Deus cari­tas est. Wer da mehr wis­sen will, dem emp­feh­le ich, die ers­te Hälf­te der Enzy­kli­ka Deus cari­tas est“ von Papst Bene­dikt XVI. zu lesen, die genau­so dicht ist. Wenn wir die­sen Satz ernst neh­men, wären wir bei der Fra­ge, ob man Gott erfah­ren kann, schon ein­mal auf einem ganz guten Weg. Man darf‘s aber nicht so ganz bil­lig in den Raum wer­fen und nichts mehr dazu sagen. Man muss die­sen Satz auf­schlüs­seln – und zwar nicht nur in der Theo­rie, son­dern durchs eige­ne Leben. Mich hat ein Satz von Papst Paul VI. ganz stark geprägt: Der heu­ti­ge Mensch hört weni­ger auf Gelehr­te als auf Zeu­gen. Und wenn er doch auf Gelehr­te hört, dann nur des­halb, weil sie Zeu­gen sind. Und das ist das ganz Ent­schei­den­de: Unser Zeug­nis. Wenn wir leben, was wir glau­ben und glau­ben, was wir leben, ist mir um die Zukunft des Chris­ten­tums über­haupt nicht ban­ge. Aber genau da klafft momen­tan eine rie­si­ge Lüge. 

Es geht also nicht nur um das Wis­sen, son­dern auch um die Erfah­rung?
Kirch­gess­ner:
Es geht um die ganz exis­ten­ti­el­le Erfah­rung. Ich kann nicht sagen, ich setz‘ mich jetzt hin, bete drei Rosen­krän­ze und dann wird der lie­be Gott sich schon ein­stel­len, das ist Quatsch. Aber ich kann den Weg berei­ten, ich kann Weg­mar­ken set­zen, ich kann Men­schen ermu­ti­gen: Geh die­sen Weg! Das ist das Ent­schei­den­de. Bern­hard sagt bei­spiels­wei­se: Suche, suche, suche – und lass nicht nach. Jesus selbst hat uns ver­hei­ßen: Wer sucht, der findet. 

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