100 Jahre ist es alt – das rosafarbene Gebäude an der Trostberger Straße in Altötting-Süd. Ein denkmalgeschütztes Haus mit Geschichte. Einst erbaut, um der ärmeren Bevölkerung eine bezahlbare Bleibe zu bieten. Seine besten Zeiten hat das Haus eindeutig hinter sich. Jetzt haben junge Leute vor, dies zu ändern. Es soll ein sozial-ökologisches Projekt entstehen. Vor allem Wohnraum für Menschen in schwierigen persönlichen Verhältnissen.
Das erklärt der Geschäftsführer der 2018 in Altötting gegründeten „SauRiassl GmbH“ David Pietzka. Nach dem gebräuchlichen Ausdruck für die Region zwischen Inn und Salzach will die Firma sich dafür einsetzen, dass Mieter auf dem Immobilienmarkt eine faire Chance haben.
Petra Genz, Allgemeine Sozialberatung (ASB) und Vorstand des Altöttinger Caritas-Kreisverbandes, machte sich zusammen mit ihm bei zwei sogenannten „Pioniermietern“ vor Ort kundig. „Wir haben das Gebäude im September 2020 übernommen“, sagt Pietzka. „Seitdem arbeiten wir daran, es nach modernen Standards herzurichten.“ Möglichst ökologisch und ressourcenschonend. Mitgedacht werden eine Photovoltaikanlage, Barrierefreiheit, Car-Sharing und die Bereitstellung eines Lastenfahrrads. Der Anschluss an das Fernwärmenetz ist bereits erfolgt. „Ziel ist, den Leuten, die jetzt schon hier wohnen und künftig wohnen werden, ein komfortables Heim zu bieten“, betont Pietzka.
„Deshalb entziehen wir das Haus dem Immobilienmarkt, vergesellschaften es und stellen es als Gemeineigentum denen zur Verfügung, die zwar wenig Geld, aber genau wie alle anderen das Recht auf Wohnen haben.”
Klingt nach einer teuren Umbaumaßnahme, die später teure Mieten nach sich ziehen wird. „Gerade das haben wir nicht im Sinn“, beruhigt Pietzka. „Im Gegenteil. Wir finden, dass das Haus wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen soll – nämlich auch denen eine Unterkunft geben, die sich auf dem normalen Wohnungsmarkt einfach nichts Vernünftiges leisten können.“
Die Mieterinnen und Mieter sollen ein Haus bekommen, „in dem sie zu einer dauerhaft günstigen Miete wohnen können“, so Pietzka. Deshalb „entziehen wir das Haus dem Immobilienmarkt, vergesellschaften es und stellen es als Gemeineigentum denen zur Verfügung, die zwar wenig Geld, aber genau wie alle anderen das Recht auf Wohnen haben.“
Es geht um soziale Gerechtigkeit. „Wir entwickeln unsere Projekte gemeinwohlorientiert“, sagt Pietzka. Die Mieter sollen selbstbestimmt und selbstverwaltet wohnen. Dazu gehört auch ein „Hausverein“ für gemeinsame Entscheidungen, etwa wer ins Haus miteinzieht. „Die Leute sollen nach solidarischen Grundsätzen zusammenleben und ihren Wohnraum gemeinschaftlich gestalten. Das fördert den Zusammenhalt und stärkt das Miteinander.“
Petra Genz von der ASB unterstreicht: „Selbstbestimmt, Gemeinwohl, soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt sind für uns in der Caritas wichtige Begriffe. Wir arbeiten darauf hin, dass sie Wirklichkeit werden.“ Das diesjährige Caritas-Motto „Zukunft denken, Zusammenhalt leben“ werde im „GenossenschaftsHaus“ konkret. Soziale Gerechtigkeit sei wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Sie begrüßt die Idee, erschwinglichen Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen. „Ähnliche Angebote auf dem regulären Wohnungsmarkt zu finden, ist sehr schwierig“.
Die Pioniermieter Christl Kuneth und Andi Liebert pflichten ihr bei. „Niemand ist hier auf sich allein gestellt. Wenn einer Hilfe braucht, ist immer jemand da. Wir unterstützen uns gegenseitig und gestalten unsere Freizeit miteinander.“ Sorgen würden ebenso geteilt wie der Waschraum und der Garten. Außerdem bringe man das in die Gemeinschaft ein, was man gut könne.
In Andis Fall sein handwerkliches Geschick. Er hat das Hausmeisteramt übernommen und macht den Gärtner. Im „GenossenschaftsHaus“ fühlt er sich gebraucht und wertgeschätzt. Ihn freut es, auf diese Weise am Leben teilzuhaben. An seiner Wohnsituation schätzt er besonders, dass er sich einrichten kann, wie er will. Das sei nicht immer so gewesen, erzählt er und erinnert sich dabei nur ungern an die schwierigen Verhältnisse, in denen er vorher wohnte. Gut, dass er eines Tages bei Petra Genz und der ASB der Caritas gelandet ist. Sie hat ihm in Zeiten der Not unter die Arme gegriffen.
„Hausmutter“ Christl gefällt das Familiäre hier. Mitten unter den jungen Leuten fühlt sie sich wohl. „Sie nehmen mich, wie ich bin.“ Auch sie kennt Petra Genz schon seit einigen Jahren und erfuhr bei der ASB wertvolle Hilfe. „Ich freue mich, dass die beiden wieder Zukunftsperspektiven und Zuversicht haben“, sagt Petra Genz. „Erfolgsgeschichten wie die von Christl und Andi würde ich mir mehr wünschen.“
Text: Susanne Stimmer