Jugend

„Ich bin sicher ruhiger und geduldiger geworden“

Redaktion am 16.01.2023

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Volunteer Anna-Lena Eizenhammer (r.) aus Triftern auf einem Selfie. Sie kümmert sich seit September freiwillig um Straßenkinder in Indien.

Anna-Lena Eizenhammer aus Triftern berichtet über ihren Freiwilligendienst bei indischen Straßenkindern im Auftrag der Salesianer Don Boscos. Verständigung geschieht manchmal „mit Händen und Füßen“.

Seit bald vier Mona­ten küm­mert sich Anna-Lena Eizen­ham­mer in Indi­en um bedürf­ti­ge Kin­der. Die 18-Jäh­ri­ge aus Trift­ern erzählt von ihrem Frei­wil­li­gen­dienst bei den Sale­sia­nern Don Boscos.

Mor­gens legt Anna-Lena ihr wei­tes Pun­ja­bi-Kleid an und wirft sich einen Schal um. Auf dem Weg zur Arbeit begeg­net ihr oft ein Bet­tel­kind mit zwei Toten­kopf-Äff­chen auf der Schul­ter. An ihrem Ziel, dem soge­nann­ten Shel­ter (Unter­kunft), läuft eins von sechs Pro­jek­ten der Don-Bosco-Sale­sia­ner in der Mil­lio­nen­stadt namens Vijayawada.

Das Shel­ter dient als Erst­auf­nah­me­sta­ti­on für Buben und Jugend­li­che im Alter von sie­ben bis 18 Jah­ren. Es wirkt wie ein gro­ßes Wohn­zim­mer. Den ein­ge­lie­fer­ten Stra­ßen­kin­dern bie­tet Anna-Lena Eizen­ham­mer zusam­men mit einer ande­ren Frei­wil­li­gen ein Dach über dem Kopf. Falls nötig, kön­nen wir einen Ordens­pries­ter um Rat fra­gen“, erklärt die jun­ge Rot­ta­le­rin. In der Regel brin­gen Nicht-Regie­rungs-Orga­ni­sa­tio­nen die Gestran­de­ten zu ihnen. Die­se stam­men aus Slums oder aus schwie­ri­gen Eltern­häu­sern. Auch wenn nie­mand hun­gert, ist die Armut groß“, weiß Anna-Lena.

Das Shel­ter war für sie Lie­be auf den ers­ten Blick“. Bei wel­chem Pro­jekt sie mit­ar­bei­tet, durf­te sich die Rot­ta­le­rin näm­lich aus­su­chen. An der Her­ber­ge gefällt ihr, sich auf weni­ge Kin­der kon­zen­trie­ren zu kön­nen“. Man­che blei­ben nur ein paar Tage, ande­re län­ger. Ein 14-jäh­ri­ger Jun­ge ist etwa genau­so lan­ge dort wie sie. Da kann man lang­sam eine mensch­li­che Bezie­hung auf­bau­en“, so Anna-Lena. 

Bei ihrer Arbeit beob­ach­te­te Anna-Lena: Wer­den die Kin­der ins Shel­ter gebracht, haben sie zunächst kei­ne Lust, etwas zu machen.“ Erst nach einer Wei­le begin­nen sie zu malen oder zu spie­len. Bis es soweit ist, braucht es Geduld“, so Anna-Lena. Da die Kin­der kein Eng­lisch spre­chen, ver­stän­digt sie sich mit Hän­den und Füßen. In der regio­na­len Spra­che Telugu kann sie ein paar Bro­cken. Wadu heißt stopp“, weiß Anna-Lena. Machen die Kin­der zu viel Unsinn, nutzt sie die­ses Wort, um sie zum Auf­hö­ren zu bewe­gen. Bei alle­dem fin­det die jun­ge Frau: Im Prin­zip sind Kin­der über­all gleich.“

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Typische Straßenszene an ihrem einjährigen Einsatzort, der Millionenstadt Vijayawada in Indien: Volunteer Anna-Lena Eizenhammer aus Triftern mit einer heiligen Kuh.

Unter­ge­bracht ist die jun­ge Rot­ta­le­rin zusam­men mit acht wei­te­ren Frei­wil­li­gen aus Deutsch­land und Öster­reich in einer Wohn­ge­mein­schaft. Wir haben ein eige­nes Haus, die Pries­ter des Ordens woh­nen ein paar Minu­ten zu Fuß ent­fernt.“ In einer zen­tra­len Küche wird für alle gekocht. An das schar­fe Essen, meist Gemü­se, muss­te sie sich erst gewöh­nen. Am Anfang habe ich gar nicht genug run­ter­ge­kriegt, weil das im Mund rich­tig weh tat“, erin­nert sich Anna-Lena. Dabei soll es in den Slums oder in den Dör­fern noch wesent­lich schär­fe­res Essen geben.

Ein­mal fing sie sich eine Lebens­mit­tel­ver­gif­tung ein. Ihr Ver­dacht fällt auf ein Stück Hüh­ner­fleisch. Erst nach drei Tagen ist es wie­der bes­ser gewor­den“, so Anna-Lena. Ihr indi­sches Lieb­lings­ge­richt heißt Palak Paneer. Dabei han­delt es sich um pürier­ten Spi­nat mit Hüt­ten­kä­se, eine Spe­zia­li­tät aus Nord­in­di­en. Anna-Lena wohnt und arbei­tet im Süd­os­ten des Lan­des mit sei­nen 1,4 Mil­li­ar­den Men­schen. Vor Ort beob­ach­tet sie eine extre­me sozia­le Ungleich­heit“. Ihr eige­nes Leben ähnelt dem der indi­schen Mit­tel­schicht. Deren Lebens­stan­dard ist natür­lich nied­ri­ger als in Deutsch­land. Wer ein Auto hat, ist reich“, so Anna-Lena.

Alles in allem fiel ihr das Ein­ge­wöh­nen über­ra­schend leicht. Heim­weh habe ich erst nach drei Mona­ten bekom­men“, so Anna-Lena. Da saß sie abends rum und dach­te sich: Ger­ne wäre ich jetzt daheim bei mei­ner Fami­lie und mei­nen Freun­den.“ Den Kon­takt mit ihren Eltern in Trift­ern hält sie durch Whats­App-Anru­fe mit Kame­ra. Das Inter­net ist in Indi­en min­des­tens so gut wie in Deutsch­land“, weiß Anna-Lena. Anstatt ein Tage­buch zu füh­ren, spricht sie mit ihrer Mut­ter. Womög­lich fällt die­ser die gro­ße Distanz schwe­rer als ihr selbst.

Auf die Fra­ge, ob das Leben in Indi­en auf sie selbst abfärbt, ant­wor­tet Anna-Lena: Ich bin sicher ruhi­ger und gedul­di­ger geworden.“

Text: Her­wig Slezak

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