Als ideal passend zur gegenwärtigen Diskussion um Pastorale Räume in der Diözese Passau hat Domdekan Dr. Hans Bauernfeind die erste offizielle Beauftragung von 14 Gläubigen aus dem ganzen Bistum als ehrenamtliche Pilgerwegbegleiter empfunden.„Sie sind Bekenner und Bekennerinnen Jesu“, sagte er zu der Gruppe während eines feierlichen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Vitus in Tittling nach dem erfolgreichen Abschluss eines speziellen Kurses. Jesus sei ein Wanderer zwischen dem Himmel und der Erde, machte der Domkapitular deutlich.
Pilgern ist die längste Form des Gottesdienstes
Drei Fragen an Pilgerwegbegleiterin Helga Grömer
Was bedeutet Pilgern im Gegensatz zum Wandern?
Helga Grömer: Pilgern ist „erweitertes Wandern“, wenn man so will. Es ist eine innere Haltung und gleichzeitig (m)ein Weg nach innen. Ich sehe nicht nur die Natur, sondern erlebe mich als Teil der Schöpfung Gottes. Ich gehe nicht einfach eine Tour, sondern gehe meinen Weg, der mich gleichzeitig nach innen führt. Ich bin bewusst und dankbar unterwegs und entdecke, wie wenig ich doch brauche, um weiterzukommen. Ich will an das Ziel gelangen und nehme dafür einige Strapazen in Kauf, und ich erlebe: Ich schaffe das! Ich gehe nicht nur mit einer wanderfreudigen Gruppe, sondern fühle mich als Teil einer Weggemeinschaft Gleichgesinnter, die oft unterschiedlicher nicht sein können, aber einander zuhören, stärken, aufrichten und mich spüren lassen: Ich bin nicht allein bei meiner Suche nach Sinn, nach Antworten, nach Gott, nach „Leben in Fülle“, das doch viel mehr ist als unser Alltagskleinklein, das uns in Beschlag nimmt.
Wie schaut es mit Tipps aus, wie es in einem stressigen, getakteten Alltag möglich sein kann, das Pilger-Lebensgefühl wachzuhalten?
Helga Grömer: Pilgern vor der eigenen Haustüre, würde ich sagen! Einfach mal das Weite suchen, am besten in einer kleinen Weggemeinschaft.
Denn Singen, Beten, Erzählen, Schweigen, aber auch Lachen und Fröhlich sein fühlt sich in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter gleich ganz anders an – intensiver, stärker, anhaltender. Das haben mir schon viele rückgemeldet, dass sie auf diese Weise ganz schnell neue Kraft tanken. Und wenn dann noch eine Pilgerwegbegleiterin oder ein Pilgerwegbegleiter Impulse setzt, die meine Sinne schärfen und nach innen führen, bin ich wieder bei mir und entdecke (neu), was im Leben wirklich zählt. Angebote dazu gibt es viele.
Während die kirchliche Bindung in der Bevölkerung rapide nachlässt und die Gottesdienste immer leerer werden, erlebt die uralte religiöse Praxis des Pilgerns eine Renaissance. Woran liegt’s?
Helga Grömer: Der Mensch ist ein homo viator, ein gehendes Wesen, für Bewegung geschaffen. In unserer Zivilisation (oder wie einmal ein österreichischer Bürgermeister sagte: „Zuvielisation“) sitzen wir viel, in Büros, vor Computern, bei Sitzungen und Tagungen. Und wir erleben, dass uns das Zuviel an Anforderungen, an Arbeit, an Leistungsdruck und vieles mehr überfordern. Manche meinen gar: „Und beim Gottesdienst sitzen wir wieder und müssen eine Liturgie über uns ergehen lassen. Ich will lieber raus, ins Freie, und beim Gehen mich selber mit Leib und Seele spüren (statt absitzen). Und da ist dann auch Platz für meine Fragen und Themen, die mich wirklich bewegen.“
Vielleicht finden die Menschen heute bei der Kirche in den üblichen Gottesdiensten darauf keine Antwort? Vielleicht kommen ihre Lebens-Themen dabei zu wenig vor? Vielleicht spüren sie sich selber dabei nicht? Pilgern ist die längste Form des Gottesdienstes, sagt übrigens Professor Michael Rosenberger (Autor von „Wege, die bewegen“), der sich ausgiebig damit beschäftigt hat. Da sind alle Elemente drinnen, die auch eine Liturgie beinhaltet – vom Aufbrechen, Hören, Teilen bis hin zur Wandlung. Im Wandern wandeln wir uns …