Soziale Netzwerke

Redaktion am 24.06.2024

2024 06 24 pb alb bodega ubrique Foto: Wolfgang Terhörst
Gelebtes Miteinander: Ein ganz normaler Samstagmittag in Ubrique, einer Kleinstadt mitten in den andalusischen Bergen.

Viel wird derzeit in Deutschland über Einsamkeit gesprochen. Aber anstatt allzu verkopft an das Thema heranzugehen, empfiehlt unser Autor im aktuellen Editorial (Ausgabe 27-2024) einen Blick auf eine Kleinstadt mitten in den andalusischen Bergen.

Wir par­ken das Auto, bie­gen um zwei Ecken – und sofort nimmt uns eine vibrie­ren­de Atmo­sphä­re gefan­gen. Über eine meh­re­re hun­dert Meter lan­ge Fuß­gän­ger­zo­ne ver­tei­len sich Dut­zen­de Gast­gär­ten, aus denen Stim­men­ge­wirr und lau­tes Lachen drin­gen. Zwei Buben spie­len Fuß­ball, Mäd­chen geben sich wie klei­ne Prin­zes­sin­nen, Jugend­li­che schlen­dern betont cool in Grüpp­chen; auf­ge­bre­zelt“ ist hier sowie­so jeder, Jung wie Alt. Ein ganz nor­ma­ler Sams­tag­mit­tag. Jeden­falls in Ubri­que, einer Klein­stadt mit­ten in den anda­lu­si­schen Bergen.

Wir las­sen uns anste­cken von dem Brau­sen, fin­den mit Mühe einen klei­nen Tisch drau­ßen vor einer win­zi­gen Bode­ga und schau­en ver­wun­dert dem bun­ten Trei­ben zu, wäh­rend wir unse­re Tapas genie­ßen. Der hal­be Ort scheint auf den Bei­nen, wech­selt von einem Lokal zum nächs­ten, mit lau­tem Hal­lo und Schul­ter­klop­fen wer­den Freun­de und Bekann­te begrüßt. Eine ande­re Geschich­te geht so: Immer frei­tag­abends fal­len in unse­rem Hotel etli­che Fami­li­en mit Kin­dern ein, um eben­falls wie die Bode­ga-Besu­cher das Wochen­en­de zu fei­ern. Vie­le ken­nen sich unter­ein­an­der. Fin de sema­na“ heißt die­ses Ritu­al, erfah­re ich später.

Wäh­rend also in Spa­ni­en das Mit­ein­an­der gelebt wird, sind wir Deut­schen beschäf­tigt mit Haus­putz, Wochen­end­ein­käu­fen, Rasen mähen, Hecke stut­zen und Auto wie­nern. Natür­lich gril­len wir auch mal zusam­men mit ande­ren oder schau­en gemein­sam Fuß­ball, gera­de jetzt zur EM. Doch der Kon­trast ist groß, das Stim­mungs­bild ganz anders.

Das bes­te sozia­le Netz­werk ist ein Tisch, um den net­te Men­schen ver­sam­melt sind.”

Spruch auf der Wand einer Bodega in Ubrique

Man könn­te mei­nen, Deutsch­land ste­he kurz vor dem Zusam­men­bruch, alle Men­schen vor der Ver­ar­mung. Und dann wird uns aktu­ell auch noch eine Pan­de­mie der Ein­sam­keit“ attes­tiert. Mil­lio­nen Bür­ger füh­len sich allein (gelas­sen) – dar­un­ter immer mehr jun­ge Men­schen. Die Poli­tik ist auf­ge­schreckt, die Bun­des­re­gie­rung hat mit dem Ein­sam­keits-Baro­me­ter“ eine Stu­die erstel­len las­sen und gera­de erst die zwei­te Akti­ons­wo­che (17. — 23. Juni) im Rah­men ihrer Stra­te­gie gegen Ein­sam­keit“ ver­an­stal­tet. Inzwi­schen gibt es sogar ein Kom­pe­tenz­netz Ein­sam­keit“, das erklär­ter­ma­ßen For­schung, Netz­werk­ar­beit und Wis­sens­trans­fer zu den Ursa­chen und Fol­gen von Ein­sam­keit ver­bin­den will.

Alles gut, alles rich­tig – aber mir ist das schon wie­der zu deutsch“, zu ver­kopft. Liegt’s an den noch fri­schen Urlaubs­er­in­ne­run­gen aus dem war­men Süden? Das Gemüt der Spa­ni­er scheint jeden­falls deut­lich son­ni­ger, die Ein­stel­lung zum Leben mit all sei­nen Anfor­de­run­gen und Erschwer­nis­sen viel ent­spann­ter zu sein. Auf den Punkt brach­te all das ein Spruch auf der Wand unse­rer Bode­ga in Ubri­que (sinn­ge­mäß): Das bes­te sozia­le Netz­werk ist ein Tisch, um den net­te Men­schen ver­sam­melt sind.“ Das funk­tio­niert bei uns genau­so wie in Spa­ni­en, im Pri­va­ten glei­cher­ma­ßen wie in der Pfar­rei beim Kir­chen­kaf­fee. Nur tun müs­sen wir es!

Wolfgang Terhoerst

Wolfgang Terhörst

Redaktionsleiter

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