Weltkirche

Das Erinnern nicht wegwerfen

Werner Friedenberger am 17.10.2019

Korsika Werner Friedenberger

Der Kommentar im Passauer Bistumsblatt:

Wenn in Bay­ern von einer sau­be­ren Gesell­schaft“ gespro­chen wird, dann hat das etwas Hin­ter­grün­di­ges, ja, mit­un­ter sogar Abwer­ten­des. In unse­rer Weg­werf­ge­sell­schaft darf die­se Bezeich­nung als das ver­stan­den wer­den, was sie ist: eine wenig schmei­chel­haf­te Umschrei­bung für ein Volk, das ger­ne und viel weg­wirft. Allein hier­zu­lan­de wer­den so vie­le Lebens­mit­tel auf den Müll gewor­fen, dass sich davon andern­orts ein hun­gern­des Volk sat­tes­sen könn­te. Hau­fen­wei­se weg­ge­wor­fen wer­den Bezie­hun­gen – nicht von Ange­sicht zu Ange­sicht, son­dern ganz prak­tisch“ mit ein paar Klicks auf dem Smart­phone. Neu­er­dings wird noch etwas weg­ge­wor­fen: die Erinnerungskultur. 

Das inter­es­siert doch heu­te kei­nen mehr, das ist alles schon so lan­ge her“, lau­ten gele­gent­lich ober­fläch­li­che Kom­men­ta­re, wenn es dar­um geht, über die ver­hee­ren­den Aus­wir­kun­gen des Zwei­ten Welt­krie­ges nach­zu­den­ken und das Erin­nern dar­an wach­zu­hal­ten. Die­ser Tage star­tet der Volks­bund Deut­sche Kriegs­grä­ber­für­sor­ge wie­der sei­ne Haus- und Stra­ßen­samm­lung, um Geld für die Pfle­ge deut­scher Sol­da­ten­fried­hö­fe zu sam­meln. Von der Wüs­te Nord­afri­kas bis zum Polar­kreis, vom Atlan­tik bis zum Ural lie­gen Väter, Ehe­män­ner und Brü­der begra­ben. Nein, mit Hel­den­ver­eh­rung“ hat die Sor­ge um Kriegs­grä­ber nichts zu tun. Es gilt der in Stein gemei­ßel­te Satz: Den Toten zum Geden­ken, den Leben­den zur Mahnung!“

Lie­ber mit einem Bein in der Hei­mat als mit zwei Bei­nen im Grab!“ Die­sen Wunsch hat so man­cher Sol­dat aus­ge­spro­chen. Die wenigs­ten von ihnen woll­ten den Hel­den­tod“ ster­ben, wie es die Kriegs­pro­pa­gan­da roman­ti­sie­rend aufs Ster­be­bild dru­cken ließ: Süß und ehren­voll ist der Tod fürs Vater­land.“ Die Wirk­lich­keit war eine ande­re. Ein Feld­post­brief von 1914 erzählt die unge­schmink­te Wahr­heit: Lie­ber Vater, ich bit­te Dich, sen­de mir etli­che Zigar­ren, denn wir müs­sen viel rau­chen wegen der schlech­ten Luft, die durch von so vie­len toten Men­schen und Pfer­den ent­steht. Dein Georg.“

Oft genug wur­den (und wer­den) Krie­ge im Namen Got­tes geführt. Wir zie­hen nun in den Krieg, und mit Got­tes Hil­fe wer­den wir sie­gen“, heißt es mar­tia­lisch aus der Tür­kei. Die­ses Land über­rennt gera­de einen Teil von Syri­en. Man führt nicht Krieg im Namen Got­tes“, sagt Papst Fran­zis­kus.

Die Ern­te des Krie­ges fällt immer gleich aus: Tod, Flucht, Ver­trei­bung. Deutsch­land hat im UN-Sicher­heits­rat ein Ende der tür­ki­schen Mili­tär­of­fen­si­ve in Syri­en gefor­dert. Und dabei betä­tigt sich die Bun­des­re­pu­blik selbst als Hand­lan­ger des Todes: So hat die Tür­kei in den ers­ten vier Mona­ten die­ses Jah­res Kriegs­waf­fen für 184,1 Mil­lio­nen Euro aus Deutsch­land erhal­ten. Die­sel­ben Leu­te also, die sich in Per­son der schwarz-roten Bun­des­re­gie­rung als Waf­fen­schie­ber betä­ti­gen, spre­chen gebets­müh­len­ar­tig davon, dass Flucht­ur­sa­chen vor Ort bekämpft wer­den sol­len. Mit deut­schen Pan­zern? Befin­det sich unse­re Poli­ti­ker-Kas­te tat­säch­lich in dem nai­ven Glau­ben, dass Kriegs­waf­fen zum Sand­kas­ten­spie­len gebraucht wer­den? Was für eine Heuchelei!

Recep Tayyip Erdo­gan, der sich auf per­ma­nen­tem Kriegs­fuß auch mit der eige­nen Bevöl­ke­rung befin­det, miss­ach­tet das Völ­ker­recht. Damit sich die Euro­päi­sche Uni­on in der Flücht­lings­fra­ge wie Pon­ti­us Pila­tus die Hän­de in Unschuld waschen kann, schickt sie Aber­mil­li­ar­den an Euro in die Tür­kei, damit Kriegs­trei­ber Erdo­gan 3,6 Mil­lio­nen Syrer in Lagern parkt“ und damit letzt­lich die Rol­le des Erpres­sers ein­neh­men kann. Mit die­sem Geld finan­ziert der Dik­ta­tor vom Bos­po­rus (s)einen Krieg und baut (s)einen Poli­zei­staat aus. Und das poli­ti­sche Spitzen“-Personal der EU, das sich frei­wil­lig in die Hand die­ses Schur­ken bege­ben hat, lässt sich wie ein Stier am Nasen­ring vorführen.

Wer sich an Krie­gen – direkt oder indi­rekt – betei­ligt, soll­te Sol­da­ten­fried­hö­fe besu­chen. Nir­gend­wo bes­ser, nir­gend­wo ein­dring­li­cher, nir­gend­wo bewe­gen­der ist der Wahn­sinn des Krie­ges zu spü­ren. Wäl­der aus Stein­kreu­zen mah­nen dort zum Frieden. 

Auf einer Rei­se durch Russ­land habe ich mich mit Gali­na Chmyl­ko­wa unter­hal­ten. Die lin­ke Sei­te ihrer Kos­tüm­ja­cke ist über und über mit Orden behängt. Sie muss­te den Zwei­ten Welt­krieg mit­ma­chen. Als spä­te­re Leh­re­rin gab sie ihren Schü­lern mit auf den Weg: Schlech­te Freund­schaft ist bes­ser als guter Krieg.“

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