Coole Kirchen

Redaktion am 20.08.2024

2024 08 19 pb alb schneekirche Foto: Wolfgang Terhörst
Es muss ja nicht gleich eine Schneekirche sein ...

Kirchen können „cool“ sein – im doppelten Sinne, wie der Autor unseres aktuellen Editorials (Ausgabe 35-2024) findet.

Fin­den Sie Kir­chen eigent­lich auch beson­ders cool zur­zeit? Für mich sind sie es defi­ni­tiv. Wenn Sie mir nun ange­sichts von Skan­da­len und Gläu­bi­gen­schwund hit­ze­be­ding­te Ver­wir­rung vor­wer­fen, lie­gen Sie gar nicht mal ganz falsch. Denn bei 29 Grad im Büro und tro­pi­scher Luft­feuch­tig­keit sorgt selbst das tip­pen die­ses Tex­tes für Schweißperlen.

Wie gut ist es da, dass wir in unse­rem Land so vie­le wun­der­schö­ne alte Kir­chen­bau­wer­ke haben – mit dicken, küh­len­den Mau­ern und hohen Räu­men. Hier kann nicht nur die See­le atmen, son­dern auch der von Som­mer­hit­ze geplag­te Mensch durch­schnau­fen. Ganz im Sin­ne von TV-Wis­sen­schaft­ler“ Harald Lesch, der im ZDF neu­lich beim Besuch einer Kir­che sag­te: Hier kannst du off­line sein – und online mit dir selbst.“ Ich wür­de es noch erwei­tern: und online mit Gott“. Das muss natür­lich jeder für sich selbst ent­schei­den – aber wie schön wäre es doch, vie­le Men­schen ent­deck­ten die­sen beson­de­ren Raum für sich, viel­leicht erst­mals, oder nach lan­ger Zeit wie­der? Ich erwi­sche mich bei dem Gedan­ken Könn­te man so nicht mehr Besu­cher in die Kir­chen bekommen“?

2024 08 19 pb alb kirchenbesuch Foto: Roswitha Dorfner

Nach kur­zer Recher­che mer­ke ich: Die Idee hat­te ich nicht allein und schon gar nicht als Ers­ter. Min­des­tens im ver­gan­ge­nen Jahr öff­ne­ten etli­che Kir­chen quer durchs Land ihre Pfor­ten, um Pas­san­ten eine küh­len­de Aus­zeit zu ermög­li­chen. Man­che teil­ten sogar Trink­was­ser aus. In der Erz­diö­ze­se Wien lädt Kar­di­nal Chris­toph Schön­born heu­er die Men­schen im Rah­men des Pro­jekts Offe­ne Kir­che“ aktiv ein: Wenn es in der Woh­nung oder beim Stadt­spa­zier­gang zu heiß wird – set­zen Sie sich doch ein­fach in eine Kir­che! Neh­men Sie sich ein gutes Buch mit oder genie­ßen Sie die Stil­le. Dem lie­ben Gott sind alle will­kom­men.“ Bis Ende Sep­tem­ber noch öff­nen in Wien und Nie­der­ös­ter­reich außer­dem vie­le Pfarr­gär­ten als Kli­ma­oa­sen“ für alle, die auf der Suche nach Abküh­lung und Anspra­che sind.

Ich kom­me in die Kir­che und spre­che lei­ser. Selbst wenn gar nie­mand sonst da ist. Das ist ein ech­ter Bre­cher des Zeit­stroms. Das ist so eine Well­ness­oa­se für die See­le, ohne dass die See­le bau­melt. Man kommt zu sich.”

Der Physiker, Philosoph, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator Harald Lesch im Gespräch mit dem Theologen Thomas Schwartz.

Beden­ken gegen eine sol­che Öff­nung und Nut­zung von Kir­chen­räu­men gibt es eini­ge. So sei­en Kir­chen in ers­ter Linie da für Got­tes­dienst, Andacht und Gebet. Auch müs­se man mög­li­chen Van­da­lis­mus beden­ken. Natür­lich – aber lie­ßen sich für sol­che Pro­jek­te nicht (neue) Ehren­amt­li­che gewin­nen? In den Wie­ner Kli­ma­oa­sen ist die Cari­tas mit vie­len Frei­wil­li­gen aktiv. Wich­ti­ger als die Fra­ge nach dem, was nicht geht, fin­de ich ohne­hin die Fra­gen, die sich der Papst beim Ange­lus am 27. Novem­ber 2022 stell­te: Wie kommt der Herr? Und wie kön­nen wir ihn erken­nen und will­kom­men hei­ßen?“ Fran­zis­kus‘ Ant­wort: Er ist da, in unse­rer täg­li­chen Arbeit, in einer zufäl­li­gen Begeg­nung, im Gesicht eines Men­schen in Not, selbst, wenn uns die Tage grau und ein­tö­nig erschei­nen, genau da ist der Herr“.

Wel­che Chan­cen für Begeg­nung und Anspra­che lie­gen doch in sol­chen Kli­ma-Pro­jek­ten … Der­ge­stalt ein­la­dend wirkt Kir­che viel­leicht auch auf Zwei­feln­de cool – nicht nur im rei­nen Wort­sinn. Und nun gehe ich leicht über­hitzt aus dem Büro run­ter in die nahe Kir­che, um mich kurz zu sam­meln, ein paar Wor­te mit Gott zu wech­seln – und um mich ein wenig abzukühlen.

Wolfgang Terhoerst

Wolfgang Terhörst

Redaktionsleiter

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