Hennes Riedl bittet den Redakteur und Diözesanpilgerleiterin Irene Huber zum Gespräch an den heimischen Küchentisch. Es wird ein sehr offenes Gespräch.
Am 1. Dezember 2013 ist Riedl in Rente gegangen. Mit 63 Jahren freute er sich nach einem arbeitsreichen Leben als Werkzeugmacher – zuletzt war er 20 Jahre bei der Altöttinger Gießerei Esterer in der Qualitätskontrolle beschäftigt – auf die freie Zeit gemeinsam mit seiner Frau.
Doch dann diagnostizierte ein Neurologe nach mehreren Stürzen eine Muskelerkrankung. Er überwies Riedl ins Friedrich-Baur-Institut nach München: „Die haben mich komplett auf den Kopf gestellt“. Am Ende wurde die seltene Krankheit „Einschlusskörper-Myositis“ festgestellt, eine unheilbare entzündliche Muskelerkrankung, die mit einer langsam fortschreitenden Muskelschwäche einhergeht. Damit nicht genug, ist zu der Zeit auch noch Riedls Frau an einem Sarkom, einem sehr aggressiven Krebs erkrankt und innerhalb weniger Monate verstorben. Hennes Riedl ist ihr beigestanden, wo er doch selbst Beistand bedurfte.
Doch der lebensfrohe Mann hat sein Schicksal aktiv angenommen. Geholfen habe ihm dabei auch die christliche Religion: „Ich bin ein gläubiger Mensch. Der Glaube gibt mir Kraft.“ Kraft, die er braucht. Seit jeher viel und gerne im Freien unterwegs, konnte Riedl anfangs noch viel mit einem Liegedreirad unterwegs sein. Schließlich aber musste er der Krankheit Tribut zollen und auf einen elektrischen Spezialrollstuhl umschwenken.
Über die private Bekanntschaft mit Irene Huber, die ebenfalls in Tüßling wohnt, ist Riedl auf das Thema Pilgern aufmerksam geworden – für ihn ein vieldeutiger Begriff: „Auch wenn ich in den Wald fahre und eine halbe Stunde dort mit geschlossenen Augen sitze, ist das Pilgern – inneres Pilgern.“ Die Natur ermögliche es ihm, total abzuschalten, innerlich zur Ruhe zu kommen – und Kraft zu schöpfen. Einen Pilgerweg zu gehen, dazu sei er allerdings noch nicht gekommen. Welche Hindernisse Riedl hier sieht? „Das größte Problem ist wahrscheinlich das Hinkommen zum Ausgangsort.“ Und die Etappen dürften nicht zu lange dauern, denn er sei für viele Verrichtungen auf Hilfe angewiesen.
Gibt es denn genug Angebote für beeinträchtigte Menschen, genügend Informationen? „Besser geht immer, aber wir sind ja ein recht begrenzter Kundenkreis“, antwortet der 72-Jährige sehr reflektiert. Für ihn geht es auch um Eigenverantwortung: „Man muss sich informieren, man muss neugierig sein. Dann findet man unheimlich viel raus.“ Das gelte auch für die Teilhabe von körperlich beeinträchtigten Menschen am Glaubensleben allgemein. „Wenn man wirklich will, geht einiges“, bekräftigt der Tüßlinger. Und: „Außerdem sind immer Menschen da, die ich um Hilfe bitten kann. Man muss auf die Leute zugehen und einfach fragen. Ich habe noch keinen erlebt, der ‚nein‘ gesagt hat.“
Gegen „passgenauere“ Angebote habe er natürlich dennoch nichts einzuwenden, gerade wenn man in der freien Natur unterwegs sein möchte. Und hier kommt Irene Huber ins Spiel. Riedl habe sie einmal nach Wegen gefragt, die gut fahrbar seien mit einem Rollstuhl. „Das wiederum war für mich der Auslöser, einmal etwas zu organisieren, bei dem sich auch Rollstuhlfahrer gemeinsam auf den Weg machen können“, erklärt die Diözesanpilgerleiterin. Huber weiter: „Durch die Begegnung mit Hennes bin ich auf die Idee gekommen, einmal eine Pilgerfahrt für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu organisieren. Das ist ein Pilotprojekt, das möchten wir jetzt mal ausprobieren und sind gespannt, wie es angenommen wird. Bei der Planung war es uns wichtig, dass wir für jeden Teilnehmer eine fachkräftige Begleitung von den Maltesern dabeihaben.“
Sie sei bei der Recherche auf den „Camino Incluso“ im Odenwald gestoßen, einen inklusiven Pilgerweg, der 2021 eröffnet wurde. Huber erläutert das weitere Vorgehen: „Wir haben uns den Weg dann mit den Augen eines älteren Rollstuhlfahrers angeschaut und auf seine Machbarkeit hin geprüft. Schließlich brauchen wir die passende Infrastruktur von Wegbeschaffenheit über Gasthäuser bis hin zu Unterkünften für zehn Rollstuhlfahrer samt Begleitungen.“ Mit dem Seminarhotel der Manfred-Sauer-Stiftung unweit von Heidelberg sei schließlich die perfekte Basisstation gefunden worden.
Niemand müsse Angst haben, überfordert zu werden, so die Pilgerexpertin des Bistums Passau: „Wir haben immer drei, vier Fahrzeuge dabei und die Wege in der Natur sind nicht mehr als ein, zwei Stunden lang.“ Um den Reisepreis trotz der persönlichen Betreuung der Teilnehmer möglichst fair halten zu können sammelt die Diözesanpilgerstelle Spenden, auch das Bistum gibt einen Zuschuss.
Für Irene Huber soll der Camino Incluso freilich kein einmaliges Projekt bleiben. Sie bekomme zum Beispiel auch immer wieder Anfragen von Menschen mit Sehbehinderung – „auch diese benötigen ja eine spezielle Begleitung“. Aber zuerst einmal gelte es nun, das Pilotprojekt erfolgreich durchzuführen.
Unterwegs auf dem Camino Incluso – Rollstuhlgeeignete Pilgerreise vom 8. bis 13. August
Der „Camino Incluso“ ist ein interreligiöser Pilgerweg und führt von Bensheim bis Heidelberg – nähere Informationen finden Sie hier.
Die Reise des Bayerischen Pilgerbüros findet statt vom 8. bis 13. August und kostet pro Person im Doppelzimmer 1160,- Euro inklusive Transport, Unterkunft, Betreuung und Halbpension (Einzelzimmerzuschlag 95,- Euro). Nähere Informationen und Anmeldung bei der Diözesanpilgerstelle Passau, Residenzplatz 8, 94032 Passau oder Kapellplatz 8, 84503 Altötting, Tel. 0851−393−1432, E‑Mail: pilgerbuero@bistum-passau.de, Internetseite: www.pilgerreisen.bistum-passau.de. Nach telefonischer Vereinbarung ist eine persönliche Beratung vor Ort möglich.
Die Diözesanpilgerstelle freut sich über Spenden, um möglichst vielen Menschen die Teilnahme an der Pilgerreise ermöglichen zu können:
Malteser Hilfsdienst e. V. Passau, IBAN: DE53 7509 0300 0004 3911 36, BIC: GENODEF1M05, LIGA-Bank Passau, Verwendungszweck: Spende für Camino Incluso-Fahrt
Die Website betterplace.org ermöglicht Spendenüberweisungen direkt über ihre Plattform für das Pilgerprojekt: https://betterplace.org/p119999
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter