Fünf Tage lang stand Altötting ganz im Fokus des theologischen Vermächtnisses seines Ehrenbürgers Joseph Ratzinger. Vom 10.-15. Juli diskutierten Experten und Wegbegleiter des „bayerischen Papstes“ beim „Benedikt XVI. Forum“ darüber, wie dessen Leben und Wirken als Hinführung zum Christentum dienen können.
Von Kindesbeinen an war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. ein großer Verehrer der Gnadenmutter von Altötting. Zu ihr pilgerte der im Nachbarort Marktl am Inn geborene regelmäßig mit seiner Familie – auch als Kardinal in München und sogar als Papst besuchte er das „Herz Bayerns“. Welcher Ort könnte also geeigneter sein für ein erstes großes Forum zu seiner Theologie? Bei Stadtpfarrer und Wallfahrtsrektor Dr. Klaus Metzl jedenfalls habe er offene Türen eingerannt, betonte Prof. Dr. Ralph Weimann während der Eröffnung des Forums am Mittwochabend, 10. Juli. Der Priester und Theologe war selbst einer der Referenten neben Kurienkardinal Kurt Koch aus Rom, Erzbischof Dr. Georg Gänswein, Prof. Prälat Dr. Markus Graulich und Ratzinger-Schüler Pfarrer Dr. Martin Trimpe.
Getragen und flankiert wurden die Vorträge und Gesprächsrunden von Rosenkranz, Anbetung und Feier der heiligen Messe. Eine solche bildete am Mittwoch um 18.30 Uhr auch den Auftakt des Forums: Kardinal Koch aus Rom zelebrierte ein Pontifikalamt in der Stiftspfarrkirche, musikalisch gestaltet durch den Altöttinger Pfarrchor. Anschließend zogen Referenten und Teilnehmer ins Begegnungszentrum St. Christophorus (BGZ) zur Eröffnung des Forums, die wie viele weitere Programmpunkte von den christlichen TV-Sendern EWTN und k‑tv sowie Radio Maria und Radio Horeb live übertragen wurden. Im BGZ begrüßte Stadtpfarrer Klaus Metzl als Gastgeber herzlich die Experten auf dem Podium, die Gäste im Saal und an den Fernseh- wie Radiogeräten. Er zeigte nochmals die enge Verbundenheit Joseph Ratzingers mit dem Gnadenort auf und verlas das Grußwort von Diözesanbischof Stefan Oster, der dem Forum einen guten Verlauf sowie „den Teilnehmern und Referenten eine intellektuell und spirituelle bereichernde Erfahrung“ wünschte. In einer lockeren Frage-Antwort-Runde bat k‑tv-Redakteurin Athinea Andryszczak dann die Referenten um kurze Statements zu ihren Einschätzungen der Theologie Joseph Ratzingers, zu seiner Persönlichkeit und seinem Vermächtnis. Wie sehr alle den „Theologen-Papst“ schätzen, wurde schon dort klar: Kardinal Koch zeigte sich überzeugt, dass Benedikt XVI. einst zum Kirchenlehrer ernannt werden wird.
„Ich bin überzeugt, dass wir das geistige und geistliche Vermächtnis des verstorbenen Papstes noch viel mehr vor uns als hinter uns haben.”
Auch Bischof Oster ließ in seinem Grußwort keinen Zweifel an der Bedeutung Benedikt XVI.: „Ich bin überzeugt, dass wir das geistige und geistliche Vermächtnis des verstorbenen Papstes noch viel mehr vor uns als hinter uns haben. Nicht wenige der kirchlichen Akteure in unserem Land wollen dieses Vermächtnis als eine Art letztes Zeugnis einer vergangenen Epoche betrachten. Aber die Zeiten in Theologie und Kirche sind krisengeschüttelt, die Frage nach dem Wie und Wohin der Kirche im 21. Jahrhundert, besonders in unserem Land und in Europa ist oft beherrschendes Thema in vielen Diskursen. Da wird man sich in Zukunft immer wieder erinnern, dass da ein Theologe war, der Papst wurde, der in einer Breite und Tiefe Theologie betrieben und den Glauben der Kirche so erklärt hat, dass das noch lange für viele Diskurse anschlussfähig und impulsgebend bleiben wird.“
Benedikt XVI. Forum – Impressionen
Fotos: Roswitha Dorfner
Diese Anschlussfähigkeit Benedikts, seine menschliche Feinfühligkeit und Bescheidenheit, seine ungeheure theologische Weite wie Tiefe, seine fast prophetischen Aussagen zur Entwicklung der Kirche schon als junger Theologieprofessor sowie sein Ringen um einen wahren Christusglauben in Versöhnung mit Wissenschaft und moderner Gesellschaft bildeten dann auch die Schwerpunkte der theologischen Vorträge, denen die Teilnehmer vor Ort trotz der schwülen Hitze sehr aufmerksam folgten. In drei Gesprächsrunden hatten sie dann Gelegenheit, eigene Fragen an die Referenten zu richten. Zuvor fassten diese jeweils kurz ihre vorangegangenen Beiträge zusammen. Die Sorge eines Zuhörers war es beispielsweise, ob nicht der deutsche Synodale Weg ein Ausverkauf des Glaubens sei. Pfarrer Trimpe unterstellte darauf eingehend zunächst einmal allen Handelnden Gutwilligkeit – er glaube jedoch nicht, dass dieser Weg die Lösung der kirchlichen Probleme hierzulande sei. Kardinal Koch antwortete kategorischer: eine Gleichstellung von Laien gehe nicht, sondern nur Formen der Synodalität, die nicht über den Bischöfen oder parallel zu ihnen stünden. Auf die Frage einer weiteren Teilnehmerin zur Antwort der Kirche auf die Evolutionstheorie reagierte Prof. Weimann ebenso kategorisch. Diese sei nicht mehr als ein „Mainstream-Dogma“, der Mensch sei kein Produkt eines Zufalls, sondern gewollt von Gott und einmalig als dessen Abbild.
Ähnlich drückte dies Kardinal Koch aus, als danach gefragt wurde, wie das geistige Erbe Benedikts XVI. am besten weiterzutragen sei: in dem man eben den christlichen Glauben betone, dass Menschen von Gott gewollt seien, antwortete er. Prälat Graulich rief in diesem Zusammenhang dazu auf, „dass Menschen nicht in erster Linie sich selber, sondern gemeinsam nach dem Willen Gottes suchen“ sollten. Prof. Weimann wiederum wies darauf hin, dass die Schriften von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. in sehr verständlicher Sprache geschrieben worden seien und rief dazu auf, dessen Erbe nicht nur akademisch wie hier auf diesem Forum, sondern „auf einfache Weise“ weiterzugeben. Alle drei Referenten lobten das Forum in Altötting als gelungene Veranstaltung, die eben dies tut: das geistige Erbe Benedikts weitertragen. In einer Anekdote brachte Kardinal Koch auf den Punkt, worum es wesentlich geht: als ein Jugendlicher in einer TV-Umfrage nach seiner Beziehung zur Kirche gefragt worden sei, habe dieser abwehrend „um Gottes Willen“ geantwortet – „Ohne es zu wissen hat der Jugendliche die beste Antwort gegeben – in der Kirche geht es um Gottes Wille“, stellte Koch fest.
Eine stimmungsvolle und würdige geistliche Überleitung zum Schlusstag bildeten am Samstagabend, 13. Juli der Pontifikalgottesdienst und die anschließende Lichterprozession mit Erzbischof Georg Gänswein. Dieser stand dann am Sonntagvormittag im Kultur und Kongress Forum noch für ein moderiertes Gespräch zur Verfügung, das nicht nur wegen der langjährigen engen Verbindung Gänsweins zu Benedikt XVI. reges Interesse auslöste, sondern möglicherweise auch wegen seiner jüngsten Ernennung zum Vatikan-Botschafter im Baltikum. Mit einem Pontifikalamt, zelebriert durch Kardinal Koch, um 12.30 Uhr in der Basilika St. Anna endete am Sonntagmittag schließlich das erste „Benedikt XVI. Forum“ in Altötting.
So wie es aussieht, wird es im kommenden Jahr eine Wiederauflage geben: „Von Altötting haben wir grünes Licht bekommen“, verriet Prof. Weimann am Samstagabend. Dies bestätigte Wallfahrtsrektor Metzl: „Wir freuen uns schon auf das Treffen im nächsten Jahr“, sagte er am Sonntag auf Nachfrage und zog Bilanz des ersten Treffens: „Insgesamt war es eine gelungene und tief in das Gebet und die Feier der Liturgie eingebundene Tagung, die uns weiter geführt hat im Verstehen der Theologie und des Lebens von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.“
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter
Michael Glaß
Readkteur