In vollem Umfang verdient hat das neue Dorfgemeinschaftshaus in der Bad Griesbacher Vorstadt-Pfarrei diese vielsagende Bezeichnung. Der ganze Ort mit den unterschiedlichsten Vereinen war auf den Beinen, um für sich und vor allem auch für die Jugend ein attraktives Kommunikationszentrum zu schaffen, nachdem sich der alte Pfarrsaal nach der verheerenden Überflutung infolge Starkregens im Juni 2016 als nicht mehr sanierungswürdig erwiesen hatte und Reutern bereits seit vielen Jahren ohne Dorfwirtshaus auskommen musste. „Es waren immer genügend Leute da“, rühmt Kirchenpfleger Alois Gimpl das Engagement der vielen freiwilligen Helfer.
Der 1. Juni vor vier Jahren bleibt der Reuterner Bevölkerung auf immer in schlechter Erinnerung. Starke Regenfälle ließen die lokalen Bäche und Wassergräben in Windeseile so stark anschwellen, dass weite Teile der Ortschaft innerhalb kürzester Zeit überschwemmt waren. Davon betroffen war auch der alte Pfarrsaal, dessen Fundamente unterspült und dessen Trocken-Estriche durch die eingedrungene Feuchtigkeit aufgeweicht wurden. Noch kurz zuvor hatten die Verantwortlichen der Stadt- und der Pfarrgemeinde mit dem Gedanken einer Renovierung gespielt und erste Überlegungen in diese Richtung angestellt, die gottseidank noch nicht in die Tat umgesetzt waren.
Nach Begutachtung der Flutschäden am alten Gebäudebestand lautete das Resultat knallhart irreparabel. Die Stadt Bad Griesbach, anfangs Bauherrin, bemühte sich daraufhin um Fördermöglichkeiten für das Bauprojekt auf dem Grundstück der Katholischen Pfarrkirchenstiftung. Als Alternative war auch ein Auge auf das alte Schulgebäude gegenüber der Pfarrkirche St. Valentin geworfen worden. Doch Experten bewerteten diese Gemäuer als ungeeignet für die vorgesehene Nutzung durch die Pfarrgemeinde und die Dorfvereine. Die Lösung, für die letztlich auch entsprechende Zuschüsse aus öffentlicher Hand zu erwarten waren, zielte schließlich auf einen hochwassersicheren Neubau ab.
Die Bauträgerschaft übernahm zwischenzeitlich die Diözese Passau unter Beteiligung der Stadt Bad Griesbach mit einem Drittel an den auf 780.000 Euro veranschlagten Kosten, gedeckelt auf maximal 275.000 Euro. Im November 2018 rückten die Abbruch-Bagger an und machten den maroden Pfarrsaal dem Erdboden gleich, der am Standort für den Neubau um 1,25 Meter über gewachsenem Grund aufgeschüttet wurde. Im Mai 2019 begann die Errichtung des ohne Keller konzipierten Gebäudes in massiver Ziegelbauweise unter Berücksichtigung neuester Energie-Einsparvorgaben. Die genaue Positionierung des Baukörpers hatte Diözesanbaumeister Jochen Jarzombek zuvor festgelegt, damit er sich optimal in das Dorfbild einfügt.
Wie reibungslos und rasch diese Absprachen über den modernen Instant-Messaging-Dienst via Smartphones funktioniert, beweist eine Anekdote, die der Kirchenpfleger gern erzählt. So waren es die freiwilligen Monteure der dekorativen Holzdecke im neuen großen Pfarrsaal leid gewesen, wegen der Stahlteile zur Unterspannung der Holzleimbinder das Fahrgerüst immer wieder zerlegen zu müssen, um es umzusetzen. Beinahe Wunder wirkte ein Aufruf, hier für Abhilfe zu sorgen.
„Innerhalb von einer halben Stunde waren 40 Leute da, um miteinander das Gerüst ohne aufwändige Demontage zu verschieben”
Entstanden ist auf Basis der ausgeklügelten Planung durch den Bad Griesbacher Architekten Markus Glenz im Erdgeschoß der 120 Quadratmeter große und tageslichtdurchflutete Veranstaltungssaal, dazu ein 16 Quadratmeter umfassender Besprechungsraum, eine modernst und zweckmäßig ausgestattete Küche samt Ausschank mit einer Fläche von 18 Quadratmetern, Toilettenanlagen mit Behinderten-WC sowie Garderobe und Technikraum. Im Obergeschoß, über eine Stahl-Außentreppe erreichbar, befindet sich der 25 Quadratmeter große Jugendraum mit eigenen Toiletten und Fenster hinunter zum Saal, das im Bedarfsfall ebenso zur Steuerung der Kommunikationstechnik genutzt werden kann.
Auch unter ökologischen Aspekten liegt das neue Dorfgemeinschaftshaus in Reutern voll auf der Höhe der Zeit. Die Versorgung mit Heizenergie erfolgt zu hundert Prozent CO2-neutral über das von einer Biogasanlage gespeiste Nahwärmenetz, an das nahezu der gesamte Ort angebunden ist. Daraus ergibt sich ein großer Vorteil für den Brandschutz des Gebäudes. „Wir haben keine Feuerquelle im Haus“, hebt Architekt Glenz unter Hinweis auf den Verzicht auf eine eigene Heizanlage hervor. Alle Räume verfügen über eine Fußbodenheizung und dreifach verglaste Fensterelemente. Sämtliche Vorgaben der aktuellsten Energieeinsparverordnung – kurz EnEV genannt – sind berücksichtigt, wozu auch eine Kompakt-Lüftungsanlage für den Saal gehört. Außenliegende Schiebeläden dienen zur Verdunkelung. Das in großer Menge verwendete Holz blieb komplett unbehandelt.
Vom Ergebnis der Gemeinschaftsinitiative – Restarbeiten wie die Außenanlagen werden beispielsweise noch vom Gartenbauverein zusammen mit einem Fachbetrieb erledigt – zeigen sich die örtlichen Projektsteuerer tief beeindruckt. Sie loben vor allem die parteiübergreifende enge Abstimmung mit Bürgermeister Jürgen Fundke und dem Bad Griesbacher Stadtrat sowie mit Stadtpfarrer Gunther Drescher. Entsprechend groß ist die Freude aller auf die mit dem neuen Saal verbundenen Möglichkeiten, wieder Veranstaltungen ausrichten zu können.
„Wir haben vier Jahre lang Stillstand gehabt in Reutern”
Gründe genug zum Feiern, soweit es die der Corona-Pandemie geschuldeten Einschränkungen zulassen. Aus Anlass der Einweihung wird Stadtpfarrer Drescher am Sonntag, 28. Juni, um 10.30 Uhr einen Gottesdienst unter freiem Himmel zelebrieren. Danach spendet er den neuen Räumlichkeiten, in die auch der alte artesische Brunnen unter dem Fundament im Boden des Saals integriert worden ist, den kirchlichen Segen.
Text und Fotos: Bernhard Brunner