Bistum

Das Versprechen der 33 Brüder

Redaktion am 14.03.2022

2022 03 14 pb alb 33 brueder prozession untergriesbach Foto: Hans Springer
Die Salvatorbruderschaft von Untergriesbach bei einer Fronleichnamsprozession. Traditionell tragen die 33 Brüder blaue Kutten mit weißem Zingulum.

Sie scheinen aus der Zeit gefallen – und doch sind sie hochaktuell. Die Rede ist von der Bruderschaft der „33 Brüder“, die im Bistum Passau bayernweit einmalig ist. Bei den Brüdern ist der gesunde Menschenverstand daheim, der über den Tag hinaus geht.

Wenn es in einer Fami­lie mehr als eine Hand­voll Brü­der gibt, dann rührt sich was. Wie aber wird es erst sein, wenn sich 33 Brü­der“ tref­fen? In neun Pfar­rei­en des Bis­tums Pas­sau ist das der Fall. Nein, um Brü­der im her­kömm­li­chen Sinn han­delt es sich dabei nicht. Und den­noch hat das Gan­ze etwas Fami­liä­res. Zweck der Bru­der­schaf­ten der 33 Brü­der“ ist die Zuwen­dung von Gebet und Mes­se an ver­stor­be­ne Mit­glie­der sowie deren Beglei­tung bei der Beer­di­gung. Im Mit­tel­punkt steht nicht das Getrie­be der Welt, son­dern die zutiefst reli­giö­se Sor­ge um die Toten, um deren Geleit ins Jen­seits. Dr. Her­bert Wurs­ter, frü­he­rer Archiv­di­rek­tor des Bis­tums Pas­sau, hat den Stel­len­wert der 33 Brü­der her­aus­ge­ar­bei­tet: Es han­delt sich um eine äußerst sel­te­ne Art von Bru­der­schaf­ten, die in Bay­ern außer­halb des Bis­tums Pas­sau nicht nach­ge­wie­sen wer­den kann. Inner­halb des Bis­tums ist sie auf den Baye­ri­schen Wald beschränkt, und zwar mehr auf den Bereich des Unte­ren Wal­des.“ Eine Nach­fra­ge der Redak­ti­on ergab, dass in der Diö­ze­se Pas­sau noch neun sol­cher Bru­der­schaf­ten bestehen: Schön­berg, Innern­zell, Hohen­au, Unter­gries­bach, Gotts­dorf, Obern­zell, Kirch­berg im Wald, Ober­kreuz­berg und Rinchnach.

2022 03 14 pb alb 33 brueder stab atzesberger Foto: Werner Friedenberger
In der Hand halten die 33 Brüder bei Prozessionen traditionell, wie hier Josef Atzesberger, den Bruderschaftsstab, der mit dem Motiv des heiligen Bruder Konrad von Parzham verziert ist.

Was es mit der Zahl 33 auf sich hat? Die Bru­der­schaft umfasst nicht mehr als 33 männ­li­che Mit­glie­der; die Zahl sym­bo­li­siert die Lebens­jah­re Chris­ti. Pfar­rer Micha­el Bau­er (Schön­berg) zitiert aus den Sta­tu­ten im Sprach­stil der dama­li­gen Zeit, in denen von drei und drei­ßig Mit­glie­dern der brü­der­li­chen Lie­be männ­li­chen Geschlechts zu Ehren der 33 Jah­re Chris­ti unse­res im Flei­sche her­um­ge­wan­der­ten Welterlö­sers“ die Rede ist. Der Ober­be­griff 33 Brü­der“ gilt für alle, unter­schied­lich sind die Bezeich­nun­gen vor Ort. So tra­gen die Schön­ber­ger den Namen Lieb- und Lehr­bru­der­schaft“, die Unter­gries­ba­cher nen­nen sich Sal­va­tor­bru­der­schaft“.

War das nur eine Män­ner­sa­che? Ja und Nein! In Weg­scheid wie auch in Obern­zell waren einst­mals auch 33 Schwes­tern Ange­hö­ri­ge der Bruderschaft.

Es geht um die Liebe zu Gott und den Menschen

Der Pas­sau­er Bischof Franz Xaver Eder (19252013) ord­ne­te das Wir­ken der 33 Brü­der so ein: Wo immer sie um ein offe­nes Grab stün­den und so den Ver­stor­be­nen wie sei­ne Ange­hö­ri­gen in ihre Mit­te näh­men, sei das ein Zei­chen der Hoff­nung und zugleich Trost. In der so auf­ge­klär­ten Zeit habe man ihr Anlie­gen nicht immer ver­stan­den. Über den brü­der­li­chen Dienst hin­aus gehe es um den geleb­ten Glau­ben, um die Lie­be zu Gott und den Men­schen. Das sind Idea­le, die in treu­er Zuver­läs­sig­keit gelebt sein wol­len“, so Franz Xaver Eder.

Über die Geburts­stun­de der 33 Brü­der schreibt His­to­ri­ker Wurs­ter: Im Bis­tum Pas­sau kann man davon spre­chen, dass die baro­cke Blü­te des katho­li­schen Lebens ab etwa dem letz­ten Vier­tel des 17. Jahr­hun­derts begann. Gemäß katho­li­scher Auf­fas­sung war vor allem das reli­giö­se Gemein­schafts­le­ben zu stär­ken und zwar durch die Grün­dung einer gro­ßen Zahl an Bru­der­schaf­ten.“ Und noch etwas schrie­ben sich die Brü­der, vor­nehm­lich Bau­ern, auf die Fah­ne: Sie schwo­ren, im Fal­le des eige­nen Todes oder eines ihrer Ange­hö­ri­gen auf dem Hof, für­ein­an­der einzustehen.

2022 03 14 pb alb 33 brueder schoenberg Foto: Werner Friedenberger
Ein Leuchter mit 33 Kerzen zeigt in der Margareten-Kirche von Schönberg, dass es in der Pfarrei die Bruderschaft der 33 Brüder gibt; hier im Bild Zechpropst Peter Pleintinger (links) und Bruderschaftsmitglied Manfred Duschl.

Nach der­zei­ti­gem For­schungs­stand ist davon aus­zu­ge­hen, dass die 33 Brü­der von Schön­berg – was die Zeit der Grün­dung angeht – im Bis­tum Pas­sau die Nase vorn haben. Rupert Köck­eis, einer der 33 Brü­der von Schön­berg, legt sich nach akri­bi­scher Suche und inten­si­vem Stu­di­um des Quel­len­ma­te­ri­als fest, dass eine Grün­dung der Bru­der­schaft um das Jahr 1670 erfolgt ist“. 

Wie es mit den Auf­nah­me­be­din­gun­gen aus­schaut, erklärt der Schön­ber­ger Zech­propst – so die offi­zi­el­le Bezeich­nung des Lei­ters – Peter Plein­tin­ger: Grund­sätz­lich muss der Mann katho­li­schen Glau­bens sein, der Pfarr­ge­mein­de Schön­berg ange­hö­ren und einen guten Leu­mund haben.“ Plein­tin­ger hat nicht nur eine reli­gi­ös-spi­ri­tu­el­le Nähe zur Kir­che, auch geo­gra­phisch liegt er ihr sehr nahe. Direkt neben der Pfarr­kir­che hat er sei­ne Apo­the­ke, die übri­gens den glei­chen Namen trägt: Margareta.

„Der Ernst des Lebens muss Spaß machen!“

Die Mit­glied­schaft ist in der Regel an das jewei­li­ge Haus gebun­den; sie wird nach dem Tod eines Bru­ders an den Sohn ver­erbt. Falls kein männ­li­cher Nach­kom­me da ist, kann man zu Leb­zei­ten den Vor­schlag für die Nach­fol­ge machen, etwa einen Schwie­ger­sohn. Wenn auch das nicht klap­pen soll­te, wird ein geeig­ne­ter Kan­di­dat ernannt. Man­cher­orts ist es schwie­rig, die Zahl der Brü­der bei exakt 33 hal­ten zu kön­nen. Nicht so in Schön­berg. Der Zech­propst: Es ist schon vor­ge­kom­men, dass manch einer 20 Jah­re lang gewar­tet hat, um in der Lieb- und Lehr­bru­der­schaft auf­ge­nom­men zu werden.“

Seit dem Jahr 1740 – und das in unun­ter­bro­che­ner Rei­hen­fol­ge – gehört ein Mit­glied sei­ner Fami­lie zu den 33 Brü­dern. Und mit dem Selbst­be­wusst­sein eines gestan­de­nen Nie­der­bay­ern erklärt Peter Plein­tin­ger die Attrak­ti­vi­tät der Bru­der­schaft so: Wir sind exklu­siv, so etwas wie der Lions Club.“ Dabei han­delt es sich um eine welt­wei­te Ver­ei­ni­gung frei­er Men­schen, die in freund­schaft­li­cher Ver­bun­den­heit bereit sind, sich den gesell­schaft­li­chen Pro­ble­men unse­rer Zeit zu stel­len und unei­gen­nüt­zig an ihrer Lösung mit­zu­wir­ken. Für die Schön­ber­ger Bru­der­schaft bedeu­tet das auch: das Mis­si­ons­kreuz reno­vie­ren zu las­sen oder für das Johan­nes­kirch­lein baro­cke Leuch­ter zu stif­ten, und, und… 

Bleibt noch die ein­gangs gestell­te Fra­ge zu beant­wor­ten, wie das ist, wenn sich 33 Brü­der tref­fen? Zech­propst Peter Plein­tin­ger: Im Fall des Todes eines Bru­ders fin­det ein Got­tes­dienst statt. Der Tote erhält von sei­nen Mit­brü­dern 32 Mes­sen gele­sen, mit der Fah­ne beglei­tet die Bru­der­schaft des­sen letz­ten Weg. Ein­mal im Jahr fin­det unser Jahr­tag statt, am Sams­tag nach dem Buß- und Bet­tag. Hier wird die Toten­mes­se gehal­ten, alle Namen der Ver­stor­be­nen seit 1945 wer­den vor­ge­le­sen. Danach geht es ins Wirts­haus. Es gibt immer Weiß­würs­te, Leber­knö­del­sup­pe und Schweins­bra­ten. Am Jahr­tag fin­det auch die Auf­nah­me eines Neu­bru­ders statt. Als Ein­stand muss er ein Fass Bier zahlen.“

Also nicht immer eine tod­erns­te Ange­le­gen­heit? Zech­propst Peter Plein­tin­ger: Der Ernst des Lebens muss Spaß machen!“

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Werner Friedenberger

stellv. Chefredakteur

Warum die 33 Brüder überlebt haben

Dr. Her­bert Wurs­ter, frü­he­rer Archiv­di­rek­tor im Bis­tum Pas­sau, über die Grün­de für das gro­ße Bru­der­schafts­ster­ben“:

2022 03 14 pb alb herbert wurster Foto: Werner Friedenberger
Dr. Herbert Wurster: Die 33 Brüder haben historischen Erosionsprozess gut überdauert.

Die Bru­der­schaf­ten der 33 Brü­der haben den his­to­ri­schen Ero­si­ons­pro­zess sehr gut über­dau­ert, denn etwa zwei Drit­tel aller Grün­dun­gen gibt es noch heu­te. Damit unter­schei­den sich die Bru­der­schaf­ten der 33 Brü­der erheb­lich von ande­ren Bru­der­schaf­ten: Es gehört zwar zu den nor­ma­len Ent­wick­lungs­pro­zes­sen reli­giö­sen Lebens in der Neu­zeit, dass Lai­en-Ver­ei­ni­gun­gen ent­ste­hen und ver­schwin­den bzw. zum Ver­schwin­den gebracht oder gezwun­gen wer­den, aber die Bru­der­schaf­ten aller Art haben dra­ma­ti­sche Ein­brü­che erlebt, weil ihre spe­zi­fi­schen For­men der Reli­gio­si­tät dem Auf­bruchs­geist nach dem II. Vati­ka­ni­schen Kon­zil in beson­de­rem Maße zum Opfer gefal­len sind. Dem dama­li­gen Neue­rungs­be­stre­ben konn­ten die zum Teil meh­re­re Jahr­hun­der­te alten reli­giö­sen Lebens­for­men und Gebräu­che der Bru­der­schaf­ten nicht mehr ver­mit­telt wer­den. Dies war nicht die Absicht des Kon­zils, aber eine sei­ner Wir­kun­gen. Das Kon­zil woll­te erneu­ern, berei­chern, das Wich­ti­ge, näm­lich die Mes­se, her­aus­stel­len – dies ist nur zu oft miss­ver­stan­den wor­den als Auf­for­de­rung zur Zer­stö­rung des Alten. Vor­aus­set­zun­gen für das gro­ße Bru­der­schafts­ster­ben, dem aber die Bru­der­schaf­ten der 33 Brü­der kaum erle­gen sind.

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