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Die Kirche will Menschen zusammenführen, der Versöhnung und Gemeinschaft dienen. Doch wird ihre Botschaft in Zeiten des digitalen Umbruchs überhaupt noch gehört? Der Dogmatiker Prof. Dr. Markus Weißer von der Uni Passau erklärt, wie Glaubensvermittlung heute gelingen kann und was sicher nicht geht: salbungsvolle Phrasen, die keiner versteht.
Herr Professor Weißer, viele Menschen in unserer Leserschaft sind mit dem Glauben in analogen Zeiten groß geworden. Was verändert sich für die Kirche, wenn Glaube immer mehr im digitalen Raum kommuniziert wird?
Weißer: Für die Kommunikation des Glaubens spielt die Digitalität heute eine große Rolle und die Kirche muss diese Möglichkeiten nutzen. Sie muss aber im Blick haben, dass sich nicht alles digitalisieren lässt. Die körperliche Präsenz für arme, kranke oder ältere Menschen lässt sich in Seelsorge oder Pflege nicht auf reine Informationsvermittlung reduzieren. Dafür stehen immer schon die Sakramente: Es geht um die leibhaftig spürbare, gemeinschaftliche Begegnung mit der Liebe Gottes. Sie soll konkret greifbar werden und uns unmittelbar berühren.
Sie sprechen von einer „Kultur der Digitalität“. Was genau ist damit gemeint? Und warum ist das auch für die Dogmatik, also das Nachdenken über die Lehre der Kirche, bedeutsam?
Weißer: Der Ausdruck stammt von dem Schweizer Kulturwissenschaftler Felix Stalder. Er zielt auf ein Set von Beziehungen, die heute auch auf digitalen Netzwerken und Medien basieren. Für den christlichen Glauben ist das spannend, weil der Mensch ein Beziehungswesen ist: Er lebt von Beziehungen – zum Nächsten wie auch zu Gott, der selbst Liebe und lebendige Beziehung ist. Die Kirche muss sich mit diesen Entwicklungen befassen, wenn sie auf Menschen und ihr Leben im digitalen Zeitalter blickt.
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Die digitalen Medien eröffnen neue Kommunikationswege, aber bergen auch Gefahren. Wie kann die Kirche sicherstellen, dass ihre Botschaft auch in sozialen Netzwerken verständlich bleibt – und nicht verfälscht wird?
Weißer: Sie muss selbst digital präsent sein und lernen, wie man kreativ und kritisch damit umgeht. Digitale Medien sind Mittel zum Zweck – wie die Kirche selbst auch. Sie will Menschen zusammenführen, der Versöhnung und Gemeinschaft dienen. Gerade in den „sozialen“ Medien werden oft ungefiltert vermeintlich christliche Ansichten verbreitet, die weder im Inhalt noch im Stil christlich sind. Gegen Hass, Verurteilung und Mobbing kann man aber positiv ein Zeichen setzen. Und das ist die Aufgabe der gesamten Kirche. Sie versteht sich als sichtbares „Zeichen und Werkzeug“ der universalen Liebe Gottes, die uns in Jesus Christus begegnet. Wie würde Er sich wohl online verhalten?
Gerade in digitalen Medien geht vieles schnell, emotional und oft kurzlebig zu. Wie kann unter solchen Bedingungen überhaupt noch tiefgehende Glaubensvermittlung gelingen?
Weißer: Ich denke nicht, dass das unter analogen Bedingungen komplett anders ist. Vielleicht genügt es ja, sich zunächst auf das Wesentliche zu konzentrieren und Menschen neugierig zu machen. Sie ins Nachdenken zu bringen und mit der Botschaft einer bedingungslosen Liebe zu konfrontieren, die ihr Leben positiv verändern kann. In Zeiten der Selbstoptimierung und retuschierter Schönheitsideale kann das für junge Menschen eine entlastende und befreiende Botschaft sein:
Du musst nicht irgendwelchen Ansprüchen oder Idealbildern genügen. Du genügst, weil Du von Gott geliebt und angenommen bist. Wer sich dafür interessiert, warum das so ist und was sich daraus ergibt, darf gerne nachfragen. Er oder sie kann an der Universität Passau sogar online Theologie studieren.
Welche Rolle spielt dabei die Sprache der Kirche? Muss sie sich verändern, um im digitalen Raum überhaupt noch gehört zu werden?
Weißer: Hier gilt dasselbe wie in der Schule oder Seelsorge: Keine salbungsvollen Phrasen, die viele selbst kaum verstehen. Lehrformeln können schnell zu Leerformeln werden, wie Joseph Ratzinger einmal sagte. Es braucht eine Sprache, die verständlich, authentisch und einladend ist. Das gilt aber auch für die Körpersprache im analogen Bereich, wie Papst Franziskus betont hat. Form und Inhalt gehören eben zusammen.
Susanne
Simperl
Bischöfliche Pressesprecherin


