Bistum

Gesucht: ein Rezept, um das Leben auf die Reihe zu kriegen

Redaktion am 26.05.2025

2025 05 26 pb alb albert meindl und barbara matuschek Foto: Thomas König
Albert Meindl und seine Stellvertreterin Barbara Matuschek bildeten über viele Jahre das Leitungsteam der Caritas-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Passau.

30 Jahre hat Albert Meindl die Caritas-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Passau geleitet. Zum 1. September geht er in Ruhestand. Im Gespräch blickt er zurück auf ein Berufsleben voller Herausforderungen, auf Familien im Wandel und auf das Glück der kleinen Erfolge.

Was geht dir durch den Kopf, wenn du auf 38 Jah­re als Bera­ter und 30 Jah­re als Lei­ter der Bera­tungs­stel­le zurück­schaust?
Meindl: Ich schaue zurück auf einen wirk­lich schö­nen, span­nen­den Beruf. Für mich per­sön­lich war das ein Traum­job. Ich bin ja als jun­ger Psy­cho­lo­ge hier­her­ge­kom­men. Dann die Ent­wick­lung über vie­le Jahr­zehn­te mit­zu­krie­gen – sowohl als Bera­ter und Mit­glied des Teams als auch in der Lei­tungs­ver­ant­wor­tung – war großartig.

Als du anfingst, war die Aus­gangs­la­ge sicher noch ganz anders als jetzt, oder?
Meindl: Was damals schon begon­nen hat, war, dass die Akzep­tanz, Fami­li­en­be­ra­tung auch in Anspruch zu neh­men, gewach­sen ist. Wenn Eltern frü­her mit den Kin­dern Pro­ble­me hat­ten, ist man zum Kin­der­arzt oder zum Haus­arzt gegan­gen. Dann begann die Ent­wick­lung, dass die Fami­li­en dann auch zu uns geschickt wor­den sind. Es waren wenig Eltern, die sel­ber frei­wil­lig gekom­men sind. Aber sie wur­den von den Ärz­ten und dann von den Schu­len zu uns geschickt. Damit ging es los. Es ging um klas­si­sche Erzie­hungs­the­men und Ent­wick­lungs­auf­fäl­lig­kei­ten. Wir hat­ten vie­le Kin­der, bei denen es um Ängs­te, Schlaf­stö­run­gen, Schlaf­ängs­te und Ähn­li­ches ging.

Und wie schaut es heu­te aus?
Meindl: Es hat sich schon sehr ver­än­dert. Wir haben jetzt eine Situa­ti­on, wo wir ganz vie­le Tren­nungs­fa­mi­li­en haben, wo es oft um Tren­nungs­kon­flik­te geht, weil Eltern die Tren­nung nicht gut hin­krie­gen. Wir haben vie­le allein­er­zie­hen­de Eltern, da geht es ganz stark um das The­ma Über­for­de­rung: Wie kom­men sie allei­ne mit die­ser Situa­ti­on – mit den Kin­dern und zugleich der Berufs­tä­tig­keit – zurecht. Allein von dem The­ma her hat sich die Situa­ti­on gra­vie­rend verändert.

Du sprichst das The­ma Tren­nung an. Auch das Fami­li­en­bild hat sich wahr­schein­lich heu­te völ­lig ver­än­dert im Ver­gleich zu frü­her. War das Fami­li­en­le­ben damals bes­ser oder wird es ver­klärt?
Meindl: Ich glau­be, das Fami­li­en­le­ben war dahin­ge­hend bes­ser, dass es ruhi­ger war. Der inner­fa­mi­liä­re Stress­pe­gel war zur dama­li­gen Zeit nied­ri­ger. In der Regel war es so, dass die Müt­ter vie­le Jah­re zu Hau­se bei den Kin­dern waren, viel­leicht spä­ter wie­der in den Beruf ein­stie­gen. Die­se klas­si­sche Rol­len­ver­tei­lung hat schon auch zu einer gewis­sen Beru­hi­gung in den Fami­li­en bei­getra­gen. Als aller­dings dann die Situa­ti­on ent­stand, dass sich immer mehr Eltern getrennt haben, war das natür­lich für die­se Frau­en ein gro­ßer Nach­teil. Weil es dann um die The­men Ver­sor­gung und Unter­halt geht und so wei­ter. In der Fol­ge­zeit haben Väter und Müt­ter ver­sucht, beruf­lich Fuß zu fas­sen. Damit steigt natür­lich der fami­liä­re Stress­pe­gel: Wer hat wie viel Zeit? Wer betreut die Kin­der? Par­al­lel begann der Aus­bau der Kin­der­ta­ges­stät­ten, die Kin­der­be­treu­ung auch in Krip­pen. Das hat alles Vor­tei­le, aber es hat schon auch schluss­end­lich sei­nen Preis.

Wenn du zurück­schaust, was waren für dich die schö­nen Momen­te in dei­nem Berufs­le­ben?
Meindl: Ich emp­fand unse­re Team­ent­wick­lung immer als Geschenk, dass wir wirk­lich ein grö­ße­res Team sind, wo wir uns fach­lich gut aus­tau­schen und gut über­le­gen kön­nen, wie wir bestimm­te Din­ge ange­hen. Schö­ne Momen­te in der fach­li­chen Arbeit sind es auch, wenn man län­ge­re Zeit mit Kin­dern oder Fami­li­en arbei­tet und man sieht: Wow, die krie­gen das jetzt echt hin. Und man merkt, dass die jetzt so für sich sel­ber gute Lösun­gen ent­wi­ckeln und dann weg­ge­hen und sagen, das war jetzt echt super. Was ich auch total schön fand: Wir haben von der Trä­ger­sei­te her schon manch­mal um Lösun­gen gerun­gen. Aber ich habe vie­le Jahr­zehn­te von Sei­ten des Cari­tas-Ver­bands Unter­stüt­zung und ein Wohl­wol­len gehabt – unse­rer Arbeit und unse­rem Team gegen­über. Das ist nicht selbst­ver­ständ­lich. Das hat viel aus­ge­macht für das Arbei­ten hier in unse­rem Team. Und auch die kom­mu­na­len Ver­ant­wort­li­chen aus der Stadt und dem Land­kreis Pas­sau waren uns wohl­ge­son­nen. So konn­ten wir vie­le Pro­jek­te und vie­le neue Ange­bo­te entwickeln.

Schö­ne Momen­te in der fach­li­chen Arbeit sind es auch, wenn man län­ge­re Zeit mit Kin­dern oder Fami­li­en arbei­tet und man sieht: Wow, die krie­gen das jetzt echt hin. Und man merkt, dass die jetzt so für sich sel­ber gute Lösun­gen ent­wi­ckeln und dann weg­ge­hen und sagen, das war jetzt echt super.”

Albert Meindl

Aber ich könn­te mir vor­stel­len, dass es auch frus­trie­ren­de Momen­te gege­ben hat?
Meindl: Die sind gar nicht so vie­le, wie man es viel­leicht ver­mu­ten wür­de. Eigent­lich gibt es nur eine Sym­pto­ma­tik, die ich echt stres­sig und nicht so posi­tiv fand: Wenn man getrenn­te Eltern da hat in der Bera­tung und ein Eltern­teil ist noch so in dem Tren­nungs­är­ger ver­strickt, dass er über­haupt nicht in der Lage ist, sich wirk­lich auf eine kon­struk­ti­ve Gesprächs­ebe­ne zu bege­ben, son­dern nur den ande­ren Eltern­teil abwer­tet. Und auch alles ande­re abwer­tet: Jugend­amt, Fami­li­en­ge­rich­te und alles. Wenn man das Gefühl hat, man kriegt da über­haupt kei­nen Fuß rein. Das kann man auf der Erwach­se­nen­ebe­ne auch mal so ste­hen las­sen. Wenn man aber mit­kriegt, dass da Kin­der im Hin­ter­grund sind, die mas­siv unter der Situa­ti­on lei­den, dann fin­de ich das das abso­lut Anstren­gends­te in unse­rem Job. Wenn man sieht, dass Kin­der die Zeche zah­len, weil Eltern bestimm­te Sachen in ihrem Leben nicht auf die Rei­he krie­gen. Aber das sind wirk­lich Aus­nah­men. Über­wie­gend merkt man eigent­lich, was es an Posi­ti­vem bewir­ken kann und wie die Kin­der davon pro­fi­tie­ren, wenn Eltern sich auf so einen Bera­tungs­pro­zess einlassen.

In den letz­ten Jah­ren hat das Han­dy einen enor­men Stel­len­wert bei vie­len Fami­li­en, gera­de bei vie­len Kin­dern und Jugend­li­chen ein­ge­nom­men. Wie siehst du es? Ist es mehr Fluch oder ist es mehr Segen?
Meindl: Das ist ein biss­chen zu schwarz-weiß. Es gibt auf jeden Fall Berei­che, da ist es ein Fluch und da braucht es kla­re Regeln. Eine bestimm­te Medi­en­aus­stat­tung im Kin­der­zim­mer haben wir immer kri­tisch gese­hen. Weil das vor­aus­set­zen wür­de, dass älte­re Kin­der in der Lage sind, die Medi­en­nut­zung auch sel­ber zu steu­ern. Das kön­nen die meis­ten Kin­der aber ein­fach nicht. Das heißt, die brau­chen Regeln. Und wenn es Eltern nicht gelingt, die­se Medi­en raus­zu­neh­men, wenn sie merk­ten, dass das für die Kin­der schäd­lich ist, dann haben wir die mas­si­ve Zunah­me von Kin­dern mit Schlaf­stö­run­gen, Hyper­ak­ti­vi­tät, Ängs­ten und, und, und. Weil sich die Kin­der dann zum Teil Sachen rein­zie­hen, die sie mas­siv belas­ten. Wenn da kei­ne Steue­rung pas­siert, dann ist das wirk­lich eher ein Fluch, das muss man ein­deu­tig sagen.

Wäre es aus dei­ner Erfah­rung gefor­dert, dass da der Gesetz­ge­ber noch stär­ker ein­wirkt – wie es etwa in Aus­tra­li­en gesche­hen ist?
Meindl: Ich habe immer ein biss­chen Zwei­fel, wie viel dann wirk­lich in den Fami­li­en davon umge­setzt wird. Aber wich­tig und inter­es­sant fin­de ich, dass so eine Geset­zes­in­itia­ti­ve immer auch ein öffent­li­ches Bewusst­sein schafft. Ich glau­be, dass im Moment die öffent­li­che Mei­nung zur Nut­zung sozia­ler Medi­en durch jun­ge Men­schen echt naiv ist. Der Knack­punkt ist: Wenn kei­ne ent­spre­chen­de Kon­trol­le da ist, spielt ein 12-Jäh­ri­ger nicht Spie­le für einen 12- oder 13-Jäh­ri­gen, son­dern er zieht sich alle Sachen rein, die ab 18 sind. Und zum Teil stel­len ihnen die Eltern das zur Ver­fü­gung oder die Eltern spie­len sel­ber sol­che Spie­le. Und dann haben wir natür­lich hier eine Pro­ble­ma­tik, wo die Kin­der mas­si­ve Ängs­te zei­gen oder Fan­ta­sien ent­wi­ckeln, die wirk­lich gru­se­lig sind. Und da braucht es eigent­lich eine ande­re Rege­lung. In der Bera­tung allei­ne anzu­set­zen, fin­de ich dann wirk­lich zu wenig. 

Rat und Hilfe für Familien

Die Cari­tas-Bera­tungs­stel­le für Kin­der, Jugend­li­che und Eltern in Pas­sau ist erreich­bar unter: 0851 50126 – 0 // eb-​passau@​caritas-​passau.​de. Infos: www​.cari​tas​-erzie​hungs​be​ra​tung​-pas​sau​.de

Ein wei­te­rer Ansprech­part­ner ist die Ehe‑, Fami­li­en- und Lebens­be­ra­tung im Bis­tum Passau:

  • Regio­nal­zen­trum Pas­sau: 08 51 34337
  • Regio­nal­zen­trum Alt­öt­ting: 08671 1862

Infos: https://​efl​-pas​sau​.de

In eurem Leit­bild steht: Wir wol­len eine Atmo­sphä­re schaf­fen, in der Men­schen ihre Stär­ken, Poten­zia­le und Krea­ti­vi­tät wie­der­fin­den. Wie macht ihr das?
Meindl: Das Stich­wort heißt Res­sour­cen­ar­beit. Man geht nicht her und sagt: Die Men­schen kom­men und die haben eigent­lich nur Pro­ble­me und brin­gen über­haupt nichts auf die Rei­he. Das Ver­ständ­nis hat sich ver­än­dert. Also es ist nicht so, dass alles nur schief­läuft, son­dern es gibt auch Erfah­run­gen, wo etwas gelingt, wo etwas glückt. Und da set­zen wir an. Wir gehen schritt­wei­se einen Tages­ab­lauf durch. Man sucht wie bei einem Kreuz­wort­rät­sel nach kleins­ten Punk­ten, wo was hin­haut. Ein Bei­spiel: Das Auf­ste­hen und Früh­stück, das haut schon eini­ger­ma­ßen hin. Okay, war­um haut das hin? Wie läuft das ab? Man nimmt Bei­spie­le her, wo im All­tag Situa­tio­nen gelin­gen, und ana­ly­siert, wie kommt es? Und die­ses Gefühl, man­che Din­ge gelin­gen ja, das krie­gen wir ja hin, das ist eine Grund­ba­sis, auf der wir sagen: Und jetzt schau­en wir uns Din­ge an, die nicht funk­tio­nie­ren. Was und wie lau­fen die ab? Wenn ich eine Idee habe, das, was ich schaf­fe, rüber­zu­neh­men in eine Kon­flikt­si­tua­ti­on, wenn das gelingt, das macht den Bera­tungs­er­folg aus. Und die­ses Arbei­ten, das ist mega spannend.

Was macht denn einen guten Bera­ter aus? Was muss er denn kön­nen?
Meindl: Ein guter Bera­ter soll­te fach­lich gut geschult, gut wei­ter­ge­bil­det sein. Man muss sich ehr­lich stän­dig wei­ter­bil­den, um wirk­lich auch dran­zu­blei­ben bei den neu­en Ent­wick­lun­gen. Und es ist wich­tig, dass man ein­fach Neu­gier­de hat am Leben von Men­schen. Ich hat­te mal einen Kol­le­gen, der hat gesagt, ihn inter­es­sie­re als Psy­cho­lo­ge am meis­ten: Wie machen die Leu­te es, dass die ihr Leben auf die Rei­he brin­gen? Und was pas­siert, wenn es nicht gelingt? Und ich glau­be, die­se Neu­gier­de ist ein wich­ti­ger Punkt.

Hat der christ­li­che Glau­be für dich und dei­ne Arbeit eine wich­ti­ge Rol­le gespielt? Hat er dir Kraft gege­ben?
Meindl: Also auf jeden Fall spielt das christ­li­che Men­schen­bild eine Rol­le. Dass man sagt: Egal, wie die Men­schen kom­men, sie sind zunächst ein­mal dei­ne Nächs­ten. Ich bin mit dem frü­he­ren Mot­to der Cari­tas Not sehen und han­deln“ groß gewor­den. Das drückt die­ses Ver­ständ­nis aus: Es kom­men Men­schen zu uns, die in Not sind, die Hil­fe brau­chen, und wir von der Cari­tas schaf­fen es, ihnen wirk­lich eine Hil­fe zu geben.

Nach so lan­ger Zeit, was wirst du am meis­ten ver­mis­sen?
Meindl: Also, das kann ich noch gar nicht so genau sagen. Zunächst ein­mal spü­re ich eher so das Gefühl, ich freue mich, wenn ich viel Ver­ant­wor­tung abge­ben kann. Als Lei­ter hat man viel Ver­ant­wor­tung. Gera­de beim The­ma Kin­des­wohl­ge­fähr­dung. Was muss man machen? Wie ist es zu sehen? Was sind die nächs­ten Schrit­te, die zu tun sind? Und immer zu hof­fen, dass man die rich­ti­gen Ent­schei­dun­gen trifft, weil es auch ganz schnell für Kin­der auch kri­tisch wer­den kann, das emp­fin­de ich schon als eine Ver­ant­wor­tung – und da bin ich jetzt schon froh, wenn ich die abge­ben kann.

Und wor­auf freust du dich am meis­ten im neu­en Lebens­ab­schnitt, der jetzt kommt?
Meindl: Wir haben ja das Glück, dass wir meh­re­re Enkel­kin­der haben. Ich mer­ke jetzt schon, dass ich es sehr genie­ße, wenn ich Zeit mit den Enkel­kin­dern ver­brin­ge, weil ich jetzt ein­fach viel ent­spann­ter, ruhi­ger sein kann als damals, als unse­re eige­nen Kin­der klein waren. Dar­auf kann ich mich jetzt ein­fach ein­las­sen und genie­ße das echt sehr.

Hin­weis: Der Autor arbei­te­te mit Albert Meindl unter ande­rem beim Pro­jekt Pas­sau­er Eltern­brie­fe“ zusam­men, des­halb das ver­trau­li­che Du“. 

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

Weitere Nachrichten

2025 05 26 pb alb rahmenschutzkonzept
Bistum
26.05.2025

Bistum weitet Prävention aus

Zur Prävention sexualisierter Gewalt führt das Bistum ein Rahmenschutzkonzept (RSK) in den Pfarreien bzw.…

2025 05 26 pb alb kochbuch malteser
Bistum
26.05.2025

Gesucht: Alte Rezepte und gute Geschichten

Ein großer Erfolg war das Kochbuch „Des ess ma mia am liabstn“, das die Malteser im Jahr 2019 herausgegeben…

2025 05 26 pb alb priesterweihe fabian dreyhaupt
Bistum
26.05.2025

Krönung eines langen Weges

Pater Petrus, der als Fabian Dreyhaupt zur Welt gekommen ist, hat sich am vergangenen Sonntag, zugleich auch…

2025 05 20 pb alb schildkroete im all
20.05.2025

Jetzt aber mal langsam

Regelmäßig innehalten und sich von der Muße küssen lassen, rät der Autor des Editorials der aktuellen Ausgabe…