Der Beschluss ist gefasst: nach Abschluss der Renovierung heuer im Oktober wird die Gnadenkapelle in Weiß erstrahlen. Das gaben Wallfahrtsrektor Prälat Klaus Metzl und der Kapellstiftungsrat am 20. Juli bekannt. Mit dieser Entscheidung haben es sich die Verantwortlichen nicht leicht gemacht, wie eine lebhafte Diskussion unter Experten bei einer Begehung zeigte.
Zwei wesentliche Gründe nannte Kapelladministrator Prälat Metzl für die Entscheidung. Erstens: Die Kapelle soll eine Farbe bekommen, die sie abhebt von ihrem direkten Umfeld – große Kirchen und Gebäude, die oft in Ockergelb gestrichen sind. Häufig kommt es vor, dass Pilger und Touristen die Gnadenkapelle suchen und zuerst zur Stiftspfarrkirche oder zur gelben St. Magdalenakirche laufen. Die Gnadenkapelle aber ist immerhin das Zentrum des Kapellplatzes und sollte als solches auch entsprechend auffallen.
In Weiß hätte die Kapelle eben dieses erwünschte Alleinstellungsmerkmal. Da das ausgesuchte „Kalk-Weiß“ eher dezent ist, sei es angenehm für das Auge, wie Prälat Metzl bemerkte. Als zweiten Grund nannte er einzelne bauliche Merkmale: so funktioniere ein gelber Ockerton etwa nicht mit dem Wappen auf der Nordseite oder mit dem Relief über dem Eingang an der Westseite der Kapelle – dieser sei einfach zu dominant, wodurch diese besonderen baulichen Kennzeichen in den Hintergrund gerieten. Auch theologisch sei die Entscheidung gut begründbar, fügte Prälat Metzl hinzu: Weiß sei eine „jungfräuliche Farbe“, die das Marianische betone. Darüber hinaus verwies der Kapelladministrator auf den historischen Aspekt: die Kapelle war – u.a. während des Klassizismus – schon einmal in Weiß gestrichen. Außerdem zeige die historische Abfolge, dass bei der Farbgebung der Kapelle immer wieder mal ein „Schnitt“ gemacht und Neues gewagt worden sei.
Dass die Entscheidung nicht leicht fiel, zeigte Prälat Metzl selbst auf, als er erzählte, dass er ursprünglich für ein Ockergelb plädiert hatte – erst viele Rundgänge u.a. mit Diplomrestauratorin Angelika Porst vom Landesamt für Denkmalpflege hätten ihn schließlich umgestimmt. Wie unsere Zeitung bereits im Juni (Ausgabe 24) berichtete, hatte Porst einen ausführlichen historischen Befund erstellt und diagnostiziert, dass die Kapelle im Laufe ihrer jahrhundertelangen Geschichte „so gut wie jede Farbe schon einmal gehabt“ habe. Daraus ergab sich für die Verantwortlichen eine große gestalterische Freiheit, „die wir jetzt auch in Anspruch nehmen“, wie der Kapelladministrator betonte. Aber es gab eben auch viele Diskussionen über die Vielzahl der Möglichkeiten.
Dies zeigte auch die Begehung im Zuge der Entscheidungsfindung am 20. Juli mit zahlreichen Experten. Gekommen waren Bauleiter Wolfgang Wenger, Dr. Michael Schmidt und Dr. Jan Menath vom Landesamt für Denkmalpflege, Kreisheimatpflegerin Renate Heinrich, Alois Brunner vom Kunstreferat der Diözese Passau, Oliver Kral vom Baureferat der Diözese Passau, Franz Spermann und Elmar Wibmer vom Kapellstiftungsrat – und die bereits genannte Diplomrestauratorin Angelika Porst, die im Laufe der letzten Monate Farbtöne der Vergangenheit freigelegt, diese mit Farben der Kapelle auf uralten Votivbildern verglichen und schließlich den Befund erstellt hatte.
Porst war es auch, die die versammelte Mannschaft um die Kapelle führte und nochmals ausführlich erläuterte, wie sie zu ihren Farbvorschlägen kam – darunter zwei ockergelbe Töne, einer etwas heller, einer intensiver, ein grauer Ton aus dem Wappen entnommen und schließlich auch ein weißer Ton. Bei den Vorschlägen hielt sich die Expertin freilich selbst stets zurück, orientierte sich an den Wünschen der Entscheidungsträger und zeigte Vor- und Nachteile auf. „Mit Weiß hätte die Kapelle endlich das Alleinstellungsmerkmal, das sie haben sollte“, goutierte aber auch sie am Ende die Entscheidung.
Nicht ganz so einverstanden waren die beiden Experten vom Landesamt für Denkmalpflege. „Weiß hat mir einen zu neuzeitlichen Charakter“, sagte etwa Dr. Menath. Ockergelb sei der typische barocke Ton, pflichtete ihm Dr. Schmidt bei. Letzteren Farbton hatte das Landesamt ursprünglich auch empfohlen. Schließlich trugen aber auch sie die Entscheidung mit: diese leite sich vom Befund ab und sei damit völlig in Ordnung.
Dass aus Altöttinger Sicht nichts gegen den geplanten weißen Anstrich spricht, machte Wibmer vom Kapellstiftungsrat deutlich: „Die Kapelle muss auffallen, damit die Leute reingehen und beten“, betonte er. An der Farbe wird dies nun definitiv nicht scheitern.
Michael Glaß
Readkteur