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Der Festtag Allerheiligen steht vor der Tür – und außerdem der erste, noch von Papst Franziskus eingeführte „Gedenktag für Alltagsheilige“ am 9. November. Im Editorial der Ausgabe 44-2025 widmet sich unser Autor dem Thema Heiligkeit und stellt ein Projekt an der Uni Passau vor.
Also, bei den allermeisten habe ich da ja so meine Zweifel. Ob das bei denen noch was wird mit der Heiligkeit? Wie Sie vermutlich schon wissen, und wie Sie bei uns passend zum Festtag Allerheiligen noch einmal in der aktuellen Ausgabe nachlesen können, sind wir alle zur Heiligkeit berufen. Alle sind wir dazu aufgerufen, so zu leben, dass wir dereinst den Platz im Himmel auch wirklich verdient haben.
Aber wie gesagt, habe ich da so meine Zweifel. Nicht an der Existenz des Paradieses, sondern ob sich das himmlische Jerusalem überhaupt rentiert. Ungefähr 66,6 Prozent der Verkehrsteilnehmer auf deutschen Straßen, hauptsächlich der männlichen, würde ich den Zutritt schon mal ganz grundsätzlich verweigern. Die Quote der für den Himmel ungeeigneten Personen erhöht sich aus meiner Sicht noch einmal drastisch, wenn ich an Sofahelden denke, die sich in Internetforen ständig darüber beschweren, dass man heutzutage nichts mehr sagen dürfe – nur um dann das angeblich Verbotene extra laut hinauszuposaunen; ungestraft natürlich.
Möglicherweise bin ich da aber zu streng. Möglicherweise entpuppen sich viele der oben Genannten bei näherem Kennenlernen als angenehme Zeitgenossen, die ihrem Ärger an falscher Stelle (Straße) oder in falscher Weise (Kommentare) Luft machen. Möglicherweise begegne ich regelmäßig sogar „Alltagsheiligen“, ohne es zu wissen. „Heilige von nebenan“, die sich in ihrem Alltag etwa ganz selbstverständlich für andere einsetzen, die Hilfe brauchen.
Laut Papst Franziskus ist die Kirche schon immer reich gewesen an sogenannten „Nebenan“-Heiligen. Vergangenes Jahr zu Allerheiligen erinnerte er an diese und führte kurz danach einen „Gedenktag für Alltagsheilige“ ein, der heuer am 9. November, dem Fest der Einweihung der Lateranbasilika (324), zum ersten Mal begangen wird und an lokal bedeutsame christliche Vorbilder erinnern soll.
Seit 25 Jahren sucht Prof. Dr. Hans Mendl nach solchen lokalen Vorbildern und erfasst diese in der Online-Datenbank „Local heroes“ (Lokale Helden). Im Rahmen dieses Projekts des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Uni Passau sucht er mit seinen Studierenden gezielt nach Biografien, die beispielgebend sind und zum Mitmachen motivieren sollen. In seinem Buch „Helden wohnen nebenan. Lernen an fremden Biografien“ erklärt Mendl: „Helden des Alltags springen dort ein, wo Hilfe nötig ist, wenn der Sozialstaat an seine Grenzen kommt: in der Nachbarschaftshilfe, bei der Betreuung von Kranken und Sterbenden, als Friedensstifter, Lebensretter, Krisenseelsorger, bei der Telefonseelsorge, bei der Tafel, bei der Flüchtlingshilfe, bei der Bahnhofsmission, bei Hilfsprojekten im In- und Ausland.“
Der „Gedenktag für Alltagsheilige“ liegt nicht zufällig in Nähe der Festtage Allerheiligen und Allerseelen, an denen wir der Heiligen und der Verstorbenen gedenken. Niemand kommt perfekt zur Welt, geschweige denn heilig – aber Schritt für Schritt mag ein jeder von uns dem wahren Ziel näherkommen können. Es liegt in der Natur des Menschen, voller Widersprüche zu sein – und es liegt in der Natur des barmherzigen Gottes, uns Menschen in all unserer Widersprüchlichkeit in den Himmel hineinlieben zu können. Das gilt angeblich sogar für Autofahrer und Sofahelden …


