Man kann es als Glücksfall bezeichnen, dass die ehemalige Oberin der Congregatio-Jesu-Schwestern Altötting, Mechthild Steinberger, bei Thomas Randl nachfragte, ob er Interesse an der alten Kirchenkrippe der Schwestern in München-Pasing habe. Randl ist ihr als langjähriger Angestellter und fachkundiger Mitarbeiter in den von den Schwestern gegründeten Altöttinger Schulen und natürlich als passionierter Kripperlbauer bestens bekannt. Die große Weihnachtskrippe mit bekleideten Holz-Figuren von 25 cm Größe, dem Altmünchner Kreis (1880−1920) zugeordnet, war schon mehrere Jahre nicht mehr aufgestellt worden. Dies war aus statischen Gründen an ihrem angestammten Platz nicht mehr möglich und im Mutterhaus der Schwestern in München-Pasing war für eine Weihnachtskrippe in dieser Größenordnung kein Raum.
Nachdem Thomas Randl ein Foto der prächtigen, aber renovierungsbedürftigen Krippe aus München erhalten hatte, gab’s für ihn kein Halten mehr. Mit dem Platz freilich ist es auch im Haus der Randls so eine Sache, schließlich wird es alljährlich zwischen Weihnachten und Dreikönig mit zahlreichen Krippendarstellungen gut bestückt. Doch Randl hatte eine Idee: Ausreichend Platz für die herrliche Weihnachtkrippe wäre doch am rechten Seitenaltar der Altöttinger Stiftspfarrkirche – im Austausch für die bisherige etwas unscheinbar wirkende Olivenholzkrippe. Stadtpfarrer Dr. Klaus Metzl war von dieser Idee begeistert und machte sich mit Familie Randl in der Osterwoche dieses Jahres auf nach München-Pasing zu den Congregatio Jesu-Schwestern. In zwei vollgepackten Autos wechselte der weihnachtliche Schatz als Geschenk ins Herz Bayerns, den Wallfahrtsort Unserer Lieben Frau.
Zunächst fand die Münchner Krippe „Asyl“ im heimischen Wintergarten der Randls, wo sie begutachtet und wiederhergerichtet werden sollte. Wie viele kunstfertig hergestellte, aus Holz geschnitzte und prächtig gewandete Krippenfiguren es „in seiner neuen Errungenschaft“ insgesamt sind, kann Randl nicht sagen, als er die Tür zu seiner „weihnachtlichen Werkstatt“ öffnet. Ein erster Blick auf die provisorisch aufgebaute Szenerie offenbart schnell die stattliche Zahl an figürlicher Darstellung des Weihnachtsgeschehens. Auf einer etwa drei Meter langen und 1,50 Meter breiten Holzplatte breitet sich eine wunderbare Krippendarstellung vor dem Auge des Betrachters aus, die ihresgleichen sucht: Die Hirten auf dem Felde mit ihrer Schafherde und anderen Weidetieren wie Kühen, Ziegen, darunter auch ein Widder. Auf der gegenüberliegenden Seite nähert sich eine nicht minder geringe Figurenzahl, bestehend aus dem prunkvollen Zug der Heiligen Drei Könige in prachtvollen Gewändern, in Begleitung ihrer Dienerschaft, auf Kamelen, Elefanten oder rassigen Pferden reitend oder diese am Zaumzeug aus edlem Geschmeide führend. Allesamt drängten sich um den Stall von Bethlehem, um das neugeborene Jesuskind zu schauen und dem göttlichen Kind zu huldigen – liebevoll von Maria und Josef betrachtet, Ochs und Esel an der Seite.
Über der Geburtsstätte schwebend künden Engel die Frohe Botschaft vom Geschehen der Heiligen Nacht und im Hintergrund auf einem Bergmassiv mit eingearbeiteter Stadtmauer bewachen mehrere Soldaten mit Lanzen in den Händen das Geschehen, interessiert beäugt vom Wald- und Bergwild wie Hirschen, Rehen oder Gämsen.
Wertvolle Weihnachtskrippe – Impressionen
Kunstfertige Feinarbeit. Ehrehrbietig beugt sogar die Kuh in der Herde der Hirten ihre Vorderbeine vor dem Christuskind, liebevoll behütet von Maria und Josef (Mitte). Der Widder bekam ein neues Horn.
Fotos: Roswitha Dorfner
Doch schnell zeigte sich bei der ersten Inspektion, dass vom Gesamt-Bauwerk mit Gebäuden und Landschaftsdarstellung eigentlich nur die Krippe zu gebrauchen war. Das landschaftliche Umfeld und das Hintergrundbild mussten völlig neu gestaltet werden. Glücklicherweise ist nicht nur Thomas Randl mit dem Kripperlbau-Virus infiziert, sondern seine ganze Familie: Sohn Konrad hat sich zu einem wahren Spezialisten der Krippenbaukunst „gemeistert“, auch im Figuren-Schnitzen und Ausbessern, Ehefrau Annette und Tochter Marilena haben sich mehr der Gewandung der Kripperlfiguren verschrieben. Konrad ergänzte kunstfertig abgebrochene Teile, wie etwa das Horn des geschnitzten Widders.
Um die „Wiederherstellung“ des Prunkgewands der Heiligen Drei Könige, oder um ein neues gestricktes Jäckchen für einen der Hirten und vieles mehr sorgten sich Annette und Marilena Randl. So machte sich seit August die ganze Familie mit großem Eifer und handwerklichem Geschick ans Werk, um aus der in die Jahre gekommenen Münchner Krippe ein wahres Kunstwerk wiedererstehen zu lassen – mit großem Erfolg, wie der Blick in die „Randlsche Weihnachtswerkstatt“ zeigt.
Alle Besucher der Stiftspfarrkirche, sei’s bei der Christmette, bei den festlichen Gottesdiensten im Weihnachtsfestkreis oder bei einem Kripperl-Rundgang in Altötting, können sich bald selbst davon überzeugen. Die herrliche Weihnachtskrippe wird kurz vor Heiligabend in einem Glaskasten am rechten Seitenaltar aufgebaut –ehemalige Ministranten und Freunde von Konrad Randl werden dabei tatkräftig mithelfen. Die Weihnachtskrippe wird um Dreikönig mit dem orientalischen Festzug der drei Weisen aus dem Morgenland samt Dienerschaft ergänzt und figürlich erweitert.
Übrigens: Im Januar 2024 wird eine Schwestern-Delegation der Congregatio Jesu aus München-Pasing nach Altötting kommen, um offiziell die Schenkungsurkunde für dieses „Münchner Juwel“ an Stadtpfarrer Dr. Klaus Metzl zu überreichen. Schon jetzt ein herzliches Vergelt’s Gott dafür!
Text: Roswitha Dorfner