Kunst

Ein Juwel der Glasmalkunst

Redaktion am 03.09.2024

Info Icon Foto: Karl-Heinz Paulus
Eine der stimmungsvollsten Szenen der Weitener Glasmalkunst ist die Anbetung der Könige.

St. Stephan in Weiten birgt einzigartige Schätze der mittelalterlichen Glasmalerei

Das 739 von Boni­fa­ti­us gegrün­de­te Bis­tum Pas­sau ent­wi­ckel­te sich wäh­rend des Mit­tel­al­ters mit einer Aus­deh­nung von 42.000 Qua­drat­ki­lo­me­tern zur größ­ten Gebiets­kör­per­schaft des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches. Bis ins ers­te Jahr­zehnt des elf­ten Jahr­hun­derts reich­te das Bis­tum Pas­sau im Osten zu den ost-öster­rei­chi­schen Grenz­flüs­sen March und Lei­tha. In die­ser Zeit wur­den zahl­rei­che Pfar­rei­en ent­lang der Donau gegrün­det. Nicht zu Unrecht bezeich­ne­te man damals die­se Diö­ze­se auch als Donau­bis­tum“.

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Weitener Glasmalkunst: Der Erzengel Michael mit Schwert und Seelenwaage.

Wäh­rend die­ser Grün­dungs­pha­se ent­stand auch die Pfar­re Wei­ten im Wei­ten­tal. Mit dem Grün­dungs­jahr 1050 ist die­se Pfar­rei eine der ältes­ten des Wald­vier­tels. Sie reich­te damals von der Donau (Emmers­dorf-Ebers­dorf bis Mar­tins­berg) und vom Jau­er­ling ins Ysper­tal. Bis zum Jah­re 1432 gehör­te die­ser Pfarr­ver­band zum Bis­tum Pas­sau sowie bis 1804 zum Kol­le­gi­at­stift Vils­ho­fen in Bay­ern. Danach unter­stand die­ser dem Lan­des­fürs­ten und seit dem Jah­re 1938 gehört er zur Diö­ze­se St. Pölten.

Die heu­ti­ge Pfarr­kir­che St. Ste­pha­nus, ein drei­schif­fi­ger Hal­len­bau mit einem – nach einem Brand – baro­cki­sier­ten Gewöl­be, wur­de in den Jah­ren 1330 bis 1360 im goti­schen Stil erbaut. Der mäch­ti­ge Haupt­al­tar aus der Zeit um 1640 mit künst­le­risch beein­dru­cken­dem Figu­ren­schmuck domi­niert den stim­mungs­vol­len Kir­chen­raum. Was aber die her­aus­ra­gen­de Beson­der­heit die­ses Sakral­baus aus­macht, sind die rei­chen Maß­werk­fens­ter mit höchst kunst­vol­len Glas­ma­le­rei­en aus der zwei­ten Hälf­te des 14., der ers­ten Hälf­te des 15. sowie dem Ende des 16. Jahrhunderts.

Die Motiv­pa­let­te reicht von ein­zel­fi­gür­li­chen Dar­stel­lun­gen von Jesus und der Mut­ter Got­tes sowie diver­sen Hei­li­gen bis zu Pas­si­ons­sze­nen und Stif­ter­grup­pen. Man ist regel­recht über­wäl­tigt von die­ser außer­ge­wöhn­li­chen Far­ben­pracht und der ein­zig­ar­ti­gen Strahl­kraft, wie man sie in die­ser Aus­prä­gung sonst nur in den berühm­tes­ten Kathe­dra­len im euro­päi­schen Raum bewun­dern kann.

An der Aus­füh­rung die­ser Kathe­dral­glas­fens­ter waren fünf ver­schie­de­ne Spe­zi­al­werk­stät­ten betei­ligt. Exper­ten wei­sen – was den Mal­stil und die Qua­li­tät anbe­trifft – Zusam­men­hän­ge sowohl mit der Kunst am Bau beim Pra­ger Hof als auch am Wie­ner Ste­phans­dom nach. Auch Bezü­ge zu einer Glas­m­al­erwerk­statt, die in der Klos­ter­kir­che in Melk tätig war, sind fest­ge­stellt worden.

Wei­te­ner Glas­mal­kunst: Die hei­li­ge Katha­ri­na mit Schwert und Rad und der Evan­ge­list Johan­nes mit einem Adler als Sym­bol des Bezwin­gers des Bösen.

Fotos: Karl-Heinz Paulus

Die goti­sche Glas­mal­kunst erfor­der­te eine äußerst auf­wän­di­ge Tech­nik, so dass sich ver­hält­nis­mä­ßig weni­ge Werk­stät­ten dar­auf spe­zia­li­sier­ten. Die dama­li­gen Glas­ge­stal­ter muss­ten über ein aus­ge­präg­tes Gefühl für Farb­kom­po­si­ti­on und Far­ben­klang ver­fü­gen. Sie muss­ten aber auch ver­sier­te Zeich­ner sein, wenn es um Ent­wür­fe und Vor­la­gen ging. Dabei waren ins­be­son­de­re die per­spek­ti­vi­sche Wir­kung der Archi­tek­tur und die Plas­ti­zi­tät des Figür­li­chen aus­schlag­ge­bend. Die­se Künst­ler beherrsch­ten bei der Aus­füh­rung ihrer Mal­tech­nik die Halb­ton­schat­tie­rung eben­so wie die Schwarz­lot­zeich­nung und das Aus­krat­zen bei der Haar­tracht und den Gewän­dern oder die diver­sen Abtö­nun­gen einer ein­zi­gen Far­be (Gri­saille-Male­rei).

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St. Stephan in Weiten: Von außen merkt man dem gewaltigen Kirchenbau (Bild oben) nicht gleich an, welche Schätze er birgt.

Die Glas­bil­der wer­den aus far­bi­gen Glas­tei­len mit­tels Blei­ru­ten – wie ein Mosa­ik – zusam­men­ge­setzt. Die Blei­fas­sung bil­det gleich­zei­tig auch die Kon­tu­ren. Für die fei­ne­ren Gestal­tungs­nu­an­cen ver­wen­de­ten die Glas­ma­ler das Schwarz­lot, ein leicht auf­zu­schmel­zen­des Blei­glas. Aus die­sem wird dann die Bin­nen­zeich­nung her­aus­ge­kratzt. Im spä­te­ren Mit­tel­al­ter wur­de die Farb­ska­la noch um spe­zi­el­le Mal­far­ben wie Sil­ber­gelb oder Eisen­rot erwei­tert und man begann oben­drein mit Über­fang­glas zu arbei­ten. Damit und mit viel­schich­ti­gem Farb­auf­trag konn­te man in der Gesamt­wir­kung der Kom­po­si­ti­on noch eine erheb­li­che Stei­ge­rung erzie­len. So eine Leucht­kraft und so eine Trans­pa­renz ist nur in der Glas­ma­le­rei zu erzielen.

In der ehe­ma­li­gen Wehr­kir­che St. Ste­phan in Wei­ten kann man die­ses fas­zi­nie­ren­de Far­ben­spiel noch in höchs­ter Voll­endung erle­ben. Das ist eine ein­ma­li­ge Far­ben­pracht, die den kunst­in­ter­es­sier­ten Betrach­ter auf beson­de­re Art berührt und in ihren Bann schlägt. Und die­se inten­si­ve Wir­kung ist kei­nes­wegs ver­wun­der­lich, denn die­ses Juwel der Glas­mal­kunst zählt zu den kunst­his­to­risch bedeu­tends­ten goti­schen Glas­fens­tern Österreichs.

Text und Fotos: Karl-Heinz Paulus

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