
Die Tussetkapelle in Philippsreut wurde einst in Erinnerung an die ursprüngliche Tussetkapelle im böhmischen Obermoldau errichtet – Nun ist auf ungewöhnlichem Weg unter ungeklärten Umständen eine Muttergottes dort eingezogen.
Philippsreut. Das Leben verläuft manchmal auf höchst ungewöhnlichen Pfaden. Eine unglaubliche Begebenheit hat sich jüngst um die Tussetkapelle in Philippsreut (Pfarrverband Haidmühle) zugetragen. Eine berührende Geschichte, die zu Herzen geht.
Die Anfahrt zu diesem schmucken Gotteshaus erfolgt durch die schöne Bayerwald-Landschaft auf eine Höhe von 981 Metern ins Dreiländereck von Deutschland, Österreich und Tschechien. Allein schon die Geschichte dieser Kapelle an sich ist spannend. Das Original der Tussetkapelle steht nämlich vor einer Felskulisse auf dem Tussetberg jenseits der Staatsgrenze im Böhmerwald. Bis zum 2. Weltkrieg war sie ein beliebtes Wallfahrtsziel gläubiger Böhmerwäldler. Nach der Vertreibung der Menschen aus dem Böhmerwald und Errichtung von Grenzsperren landete die Kapelle im entvölkerten Teil des Grenzstreifens. Heimatvertriebene aus dem Umkreis des Tussetberges hatten schließlich die Idee, einen originalgetreuen Nachbau zu erstellen. Und so entstand auf Initiative des Vertriebenen Emil Weber in Philippsreut die neue Tussetkapelle als Abbild des Originals aus dem Böhmerwald.

Der damalige Passauer Bischof Franz Xaver Eder hat sie 1985 eingeweiht. Zwischen der neuen Tussetkapelle und ihrem Original im Böhmerwald liegen nur etwa fünf Kilometer Luftlinie.
Die Familie Friedsam, die nur ein paar Schritte entfernt von der neuen Tussetkapelle ihr Anwesen hat, kümmert sich heute liebevoll um das kleine Gotteshaus. Die ganze Familie ist mit der Kapelle liebevoll verbunden – allen voran Franz und Therese Friedsam, der Kirchenpfleger von Philippsreut und seine Frau. Die beiden waren im Mai 1986 das erste Hochzeitspaar, das in dieser Kapelle getraut wurde. Und alljährlich findet am 15. August zu Ehren der Gottesmutter eine Wallfahrt statt. Heuer zum Jubiläum 40 Jahre Tussetkapelle wird diese Wallfahrt besonders feierlich begangen.
Doch was hat es nun mit der hölzernen, etwa 70 Zentimeter hohen Muttergottes auf sich, die in der Tussetkapelle ihre Wohnung bezogen hat? Heuer am Muttertag – das war der 11. Mai 2025 – ist die Muttergottes samt zweiseitigem Begleitschreiben eingezogen. In dem Brief wird erklärt, wie der Absender oder die Absenderin beim Entsorgen eigener Altkleider die Marienfigur neben einem Container zufällig stehen sah. „I war entsetzt, wer wirft denn sowos weg? A Mutter Gottes!“, schreibt der Finder oder die Finderin und berichtet, dass er oder sie die Figur dann kurzerhand ins Auto gepackt und erst überlegt hat: „War iatzt des a Diebstahl oder a guads Werk?“ Und nach einigem „Spekulieren“ brachte sie oder er heuer am Muttertag mit Mama, Schwester und Tante die Muttergottes dann in die Tussetkapelle.
Als Therese Friedsam diese neue „Bewohnerin“ der Tussetkapelle samt Begleitschreiben entdeckt hat, hatte sie Tränen in den Augen, wie sie selbst sagt. Sie und ihr Mann Franz, der Kirchenpfleger von Philippsreut, können nicht verstehen, wie man so eine Figur einfach bei den Altmaterialien „entsorgen“ kann. „So eine schöne Madonna. Das ma des fertig bringt?“ schüttelt Therese Friedsam den Kopf. Aber es sollte anders kommen. Seit dem Muttertag wohnt die Madonna nun in der Tussetkapelle in Philippsreut. Sie hat einen Ehrenplatz auf dem Altar bekommen und freut sich über jeden Menschen, der sie besucht und ein wenig bei ihr verweilt. So viel zur Geschichte der Muttergottes mit Happy-End. Geöffnet ist die Tussetkapelle jeden Tag zwischen 8 und 20 Uhr.
Wer aber war der Finder (oder die Finderin), der die Marienfigur aus dem Müll gerettet, einen Brief dazu geschrieben und in die Kapelle gebracht hat? Dieses Rätsel würde die Familie Friedsam schon noch gerne lösen …

Ursula Friedenberger
In Philippsreut wird heuer gefeiert
Gleich zwei große Jubiläen werden begangen: 40 Jahre Tussetkapelle und 75 Jahre Pfarrkirche
Zum einen steht die Feier zum 40-jährigen Jubiläum der Tussetkapelle am 15. August bevor. Das Festprogramm startet um 9.30 Uhr mit einem Standkonzert am Kirchenplatz mit Toten-Ehrung. Nach dem Festzug zur Kapelle beginnt um 10 Uhr der Festgottesdienst. Danach treffen sich die Menschen zum gemeinsamen Mittagessen am Kirchenplatz oder im Pfarrsaal. Um 14 Uhr beginnt der gemeinsame Kreuzweg der Böhmerwäldler, der die Gläubigen durch den Wald führt. Anschließend gibt es Kaffee und Kuchen.
Das zweite große Jubiläum dieses Jahres in Philippsreut wird im Oktober begangen. Am 11. Oktober 1950 war die Pfarrkirche von Bischof Simon Konrad Landersdorfer eingeweiht worden. Am Sonntag, 12. Oktober 2025, wird nun der 75. Weihetag der Pfarrkirche St. Karl Borromäus festlich begangen. Dazu kommt Bischof Dr. Stefan Oster SDB nach Philippsreut. Folgendes Programm ist vorgesehen: Los geht es um 9 Uhr mit dem Standkonzert am Dorfeingang (von Freyung kommend). Um 9.30 Uhr werden hohe Geistlichkeit und Gäste empfangen. Anschließend startet um 9.45 Uhr der Festzug zur Pfarrkirche. Um 10 Uhr beginnt der Festgottesdienst, den Bischof Dr. Stefan Oster zelebriert. Nach dem Gottesdienst gibt es dann ein gemeinsames Mittagessen im Pfarrsaal.