Kirche vor Ort

„Aber nicht, weil wir Frauen sind…“

Redaktion am 17.03.2025

2025 03 16 pb alb fuehrung starke frauen1 Foto: Maximiliane Heigl-Saalfrank
Spannende Geschichten über starke Frauen mit Bezug zur Wallfahrtsstadt Altötting kennt Stadtführer Hannes Schneider (l).

Eine neue Stadtführung begleitet durch das Leben ungewöhnlicher Frauen in Altötting.

Die Pre­mie­re hät­te nicht auf einen bes­se­ren Tag fal­len kön­nen. Am 8. März, dem Welt­frau­en­tag, war es end­lich so weit, hat­te doch Stadt­füh­rer Han­nes Schnei­der immer wie­der vor­ge­schla­gen, end­lich jenen zahl­rei­chen inter­es­san­ten Frau­en einen Namen und eine Stim­me zu geben, die ihr Weg nach Alt­öt­ting geführt und die oder deren Ideen blei­ben­de Spu­ren im Her­zen Bay­erns hin­ter­las­sen haben. Sei es his­to­risch, sei es gesell­schaft­lich oder auch nur der Legen­de nach wie Rosa Luxem­burg, die angeb­lich regel­mä­ßig bei einer Modis­tin in der Neuöt­tin­ger Stra­ße Unter­kunft bezog, um heim­lich den Kapell­sing­kna­ben in der Gna­den­ka­pel­le zu lau­schen. Luxem­burg, so heißt es in der Wall­fahrts­stadt, habe ein Fai­ble für Kir­chen­mu­sik ent­wi­ckelt, das sie sich nur fern von Ber­lin und ihren Par­tei­ge­nos­sen aus­zu­le­ben getraute.

Akri­bisch sam­mel­te Han­nes Schnei­der in den letz­ten zwei Jah­ren Lebens­da­ten um Lebens­da­ten, tauch­te ein in Bild­ar­chi­ve und die jün­ge­re Zeit­ge­schich­te Alt­öt­tings, befrag­te Zeit­zeu­gen. Her­aus kamen ver­schie­de­ne Füh­rungs­mo­du­le, die je nach aktu­el­lem Anlass oder Mei­len­stei­nen der Stadt- und Wall­fahrts­ge­schich­te unter dem Schlag­wort Star­ke Frau­en“ kom­bi­niert wer­den kön­nen – immer kurz­wei­lig, über­ra­schend und stets auch mit einem klei­nen Augenzwinkern.

2025 03 16 pb alb fuehrung starke frauen mary ward Foto: Roswitha Dorfner
Starke Frauen. Darstellung von Maria Ward im Kloster der Congregatio Jesu Altötting.

Die ers­te the­ma­ti­sche Frau­en­stadt­füh­rung – es folg­ten zehn Frau­en und ein Mann den Aus­füh­run­gen des Gui­des – beweg­te sich rund um den Kapell­platz. An vier Sta­tio­nen mach­te die Grup­pe Halt: In der Josephs­kir­che der Con­gre­ga­tio Jesu, mit­ten in der Grün­an­la­ge des Kreuz­wegs an der Mari­en­stra­ße, vor der Gna­den­ka­pel­le und in St. Mag­da­le­na, der Ordens­kir­che Alt­öt­tings mit ihrer wech­sel­vol­len Geschichte.

Die ers­te star­ke Frau“, deren Leben Cice­ro­ne Schnei­der detail­liert und immer wie­der mit his­to­ri­schem Bezug auf Alt­öt­ting skiz­zier­te, war Mary Ward, Grün­de­rin des ehe­mals Eng­li­sche Fräu­lein“ genann­ten Frau­en­or­dens und eine der maß­geb­li­chen Pio­nie­rin­nen der Frau­en­bil­dung. Erfah­ren durf­te die Zuhö­rer­schaft nicht nur, dass der in Mün­chen inhaf­tier­ten Eng­län­de­rin der ehe­ma­li­ge Alt­öt­tin­ger Dekan Jakob Gol­la die päpst­li­che Bann­bul­le wegen Häre­sie vor­las, son­dern auch, dass im Klos­ter St. Joseph in einem Schränk­chen die Hin­ter­las­sen­schaf­ten Mary Wards bis heu­te lie­be­voll auf­be­wahrt wer­den: ihr Filz­hut, ihre Rei­se­schu­he, ihr Rosen­kranz, der Rei­se­we­cker und ein Gebetskreuz.

Quer über den Kapell­platz ging es dann zum zwei­ten Halt, in den extra für die Füh­rung geöff­ne­ten Kreuz­weg. Dort ließ Han­nes Schnei­der den für die Stadt und sei­ne Bewoh­ner bis heu­te prä­gen­den Gedenk­tag, den 28. April 1945, leben­dig wer­den. Kaum bekannt ist, dass drei Frau­en – die Damen Haug, Scheupl und Gmach – statt ihrer Män­ner von den Nazi­scher­gen inhaf­tiert wor­den waren und exe­ku­tiert wer­den soll­ten. Ihren Platz in der Stadt­ge­schich­te soll­ten zudem Frau­en wie Anto­nie Ober­mey­er fin­den, die in Alt­öt­ting aktiv Wider­stand gegen das NS-Unrechts­re­gime geleis­tet oder die Fol­gen der Tyran­nei als Allein­er­zie­hen­de ohne Ein­kom­men zu tra­gen hatten.

2025 03 16 pb alb fuehrung starke frauen koenigin marie Foto: wikimedia

Als drit­te und vor­letz­te Sta­ti­on war die Gna­den­ka­pel­le aus­er­ko­ren wor­den. The­ma­ti­siert wur­den hier, mit einem klei­nen kunst­his­to­ri­schen Exkurs über das Gna­den­bild selbst, die Lebens­bil­der der vie­len pro­mi­nen­ten Frau­en aus dem euro­päi­schen Hoch­adel, die alle­samt den Namen Maria als Vor­na­men führ­ten und deren Her­zen ganz nah bei ihrer Patro­nin lie­gen. Beson­de­res Augen­merk leg­te Han­nes Schnei­der auch hier wie­der auf ihre Ver­bin­dung zu Alt­öt­ting – exem­pla­risch vor­ge­stellt wur­den Maria Anna von Pfalz-Sulz­bach, Maria Anna von Sach­sen und die Mut­ter der baye­ri­schen Köni­ge Lud­wig II. und Otto. I, Marie von Bay­ern, vor­mals eine luthe­ri­sche Prin­zes­sin von Preußen.

Das letz­te Kapi­tel der Stadt­füh­rung wur­de in der St. Mag­da­lena­kir­che auf­ge­schla­gen, der tra­di­tio­nel­len Beicht­kir­che der Wall­fah­rer. Ursprüng­lich eine jesui­ti­sche Grün­dung, ging sie nach dem Ver­bot des Ordens in die Hän­de der Mal­te­ser über. Nach der Säku­la­ri­sa­ti­on über­leg­te das König­reich Bay­ern, dort Sol­da­ten zu sta­tio­nie­ren und Alt­öt­ting zu einer Gar­ni­son­stadt zu machen. Die Bür­ger wehr­ten sich erfolg­reich dagegen. 

1841 berief Lud­wig I. die Redemp­to­ris­ten nach Alt­öt­ting. Damit begann eine der bizarrs­ten, unglaub­lichs­ten und auch pikan­tes­ten Frau­en­bio­gra­phien in der lan­gen Stadt­ge­schich­te über­haupt, in deren Mit­tel­punkt eine der schil­lernds­ten Töch­ter der Stadt stand: Loui­se Beck, eine hoch­gra­dig neu­ro­ti­sche Mani­pu­la­to­rin höchs­ter kirch­li­cher Krei­se in Bay­ern, die letzt­end­lich sogar Ein­fluss auf den Hei­lig­spre­chungs­pro­zess von Cle­mens Maria Hof­bau­er nahm.

Man kann gespannt sein, wel­che Alt­öt­tin­ger Frau­en­schick­sa­le Han­nes Schnei­der im Lau­fe der kom­men­den Stadt­füh­run­gen noch leben­dig wer­den lässt, hält er es doch mit dem Wort Mary Wards, die sag­te: „(…) Wahr­heit kön­nen Frau­en eben­so gut besit­zen wie Män­ner. Miss­lingt es uns, so geschieht es aus Man­gel an die­ser Wahr­heit, aber nicht, weil wir Frau­en sind.“

Text: Maxi­mi­lia­ne Heigl-Saalfrank

Die nächs­ten Stadt­füh­run­gen Alt­öt­tings Star­ke Frau­en“ fin­den statt am 11. Mai, 20. Juni, 6. Juli und am Hohen Frau­en­tag, dem 15. August, jeweils um 15 Uhr; Treff­punkt vor dem Rat­haus. Anmel­dun­gen nimmt die Bür­ger- und Tou­rist­info im Rat­haus entgegen.

2025 03 16 pb alb fuehrung starke frauen2 Foto: Maximiliane Heigl-Saalfrank
Spannende Geschichten über starke Frauen mit Bezug zur Wallfahrtsstadt Altötting kennt Stadtführer Hannes Schneider (l). Bild: Kreuzweg Altötting.

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