Es waren derer einfach immer zu viel, und das bereits zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges. Die Rede ist von mindestens zehn arbeitsfreien Tagen im Juni. Als Erntemonat gilt er als der arbeitsreichste in Altbayern. Anlass genug, aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus den einen oder anderen Feiertag schon im 18. Jahrhundert in Frage zu stellen oder gar abzuschaffen. Was trotz absolutistischer Staatspolitik und den Ideen der Aufklärung im Juni blieb, ist eine Vielzahl von sogenannten Lostagen – Tage, die nach dem Volksglauben einen Hinweis für die weitere Wetterentwicklung geben. Der bekannteste von ihnen fällt auf den 27. Juni, er trägt noch dazu einen ungewöhnlichen Namen: Siebenschläfer.
Kaum ein Tag im Land zwischen Donau, Inn und Salzach kennt eine solche Vielzahl an Wettersprüchen und Bauernregeln. Und ein jeder kann sie alle oder eine davon hersagen, wie etwa „Wenn die Siebenschläfer Regen kochen, so regnet’s vier ganze Wochen“, „Regnet es am Siebenschläfertag, der Regen sieben Wochen nicht weichen mag“, „Werden die sieben Schläfer nass, regnet‘s noch lange Fass um Fass“ oder „Ist der Siebenschläfer nass, regnet‘s ohne Unterlass“.
Der Volksglaube meint, für den 27. Juni und die Wochen danach, sichere Schlechtwetterprognosen erstellen zu können. Sicher ist, dass an keinem Hochsommertag der Wetterbericht so aufmerksam verfolgt wird wie am Siebenschläfertag. Was hat es mit diesem Tag auf sich? Ist es Folklore? Ist es Volksfrömmigkeit? Oder ein wirkliches meteorologisches Phänomen?
Man glaubt heute zu wissen, dass die Bauernregeln rund um den Siebenschläfertag aus der Landschaft stammen, die die Römer mit Pannonien bezeichneten, also das heutige March-feld, das Burgenland, Teile des Wiener Waldes und des Wiener Beckens, die Südslowakei und die ungarische Tiefebene. Dort gibt es Ende Juni/Anfang Juli stabile Wetterlagen, die einige Wochen unverändert andauern; die Wahrscheinlichkeit dafür liegt, wie die Meteorologie heute weiß, bei fast 80%. Es handelt sich dabei um ein hochsommerliches Wetterphänomen, das nur dort so jedes Jahr erlebbar ist. Überliefert ist, dass es Wandermönche waren, die die Siebenschläferregeln im frühen Mittelalter verbreiteten. Sie schilderten eine durchaus als frühwissenschaftlich zu wertende Beobachtung eines Naturphänomens, das sie in Südosteuropa erlebt hatten. Diese Erzählungen verwoben sich mit Mythen, Heiligenlegenden und Aspekten der Zahlenmagie. Auf ihrer Wanderschaft machten die Ordensmänner die Wetterregeln im heutigen Bayern bekannt, die Wetterbeobachtungen der Bevölkerung dort waren zufällig ähnlich. Die Meteorologen gehen heute davon aus, dass die Siebenschläferregeln mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% im Freistaat zutreffen.
Ursächlich für die stabile Wetterlage im Hochsommer ist der Jetstream. Vielflieger kennen ihn, wenn die Flugzeuge in ein Luftloch fallen, bevor sie stark ruckelnd auf ihn aufsetzen, um bei den Atlantiküberquerungen Sprit sparen zu können. Der Jetstream ist ein beweglicher Starkwind, der in einer Höhe von 7000−10.000 Meter in der Atmosphäre wie ein Band die Nordhalbkugel Europas umschließt. Er verändert sich im Juli und August nur wenig. Verläuft er also im Zeitraum von Ende Juni bis Anfang Juli südlich des Ostatlantiks und Europas, führt das zu einer lang andauernden Zufuhr feuchter Luftmassen. Der Sommer bleibt wochenlang kühl und regnerisch. Liegt der Jetstream dagegen relativ weit nördlich, breitet sich häufig ein Keil des Azorenhochs bis nach Mitteleuropa aus. Der Sommer wird sonnig und warm, für mehrere Wochen.
Der eigentliche Siebenschläfertag war, nach dem Julianischen Kalender, der 7. oder 8. Juli, lag also genau in dem von den Meteorologen beschriebenen Zeitraum. Durch die Gregorianische Kalenderreform im Jahr 1582 verschoben sich alle Tage um circa elf Tage, der 27. Juni wurde so zum Tag der sieben Schläfer – die seit dem Mittelalter bekannten Wetterregeln wurden einfach übernommen. Das gleiche galt für mythische Formeln, die sich ebenfalls auf den Siebenschläfertag beziehen. So sollte man alle Namen der Siebenschläfer auf einen Zettel schreiben und unters Kopfkissen legen, um der Schlaflosigkeit abzuhelfen. Auf das Pflanzen sollte an diesem Tag besser verzichtet werden, denn die Wuchsperiode blieb ebenfalls sieben Wochen aus. Man glaubte auch zu wissen, dass derjenige, der am Siebenschläfertag bis sieben Uhr morgens schlief, das ganze Jahr verschlafen würde und dass an Siebenschläfer geborene Kinder nicht alt würden.
Doch wer waren diese Siebenschläfer? Die erste schriftliche Überlieferung der Legende stammt aus dem 5. Jahrhundert von Bischof Jakob von Serugh, der im heutigen Südostanatolien beheimatet war. Gregor von Tours übersetzte die Geschichte nur wenig später ins Lateinische und machte sie so in Europa populär. Es wird berichtet, dass der römische Kaiser Decius (249−251) im letzten Jahr seiner Regentschaft Christen, darunter sieben Brüder, in Ephesus verfolgen ließ. Um sich in Sicherheit zu bringen, ließen sich die jungen Männer in eine Höhle einmauern. Dort fielen sie in einen tiefen Schlaf, der 195 Jahre dauern sollte. Am 27. Juni 446, mittlerweile regierte der christliche Kaiser Theodosius, wurden die Schlafenden befreit. Ein Mann wollte die Höhle als Schafstall nutzen, entfernte das Mauerwerk und fand die erwachenden Brüder vor. Einer von ihnen will Brot kaufen, er findet sich in seiner Stadt nicht mehr zurecht. Als er zahlen wollte, fiel dem Bäcker auf, dass auf der Münze Decius abgebildet war. Man rief den Bischof, der die Brüder besuchte, sich ihre Geschichte anhörte und dann ihr Sterben beobachtete.
1926 wurde im türkischen Selçuk bei Grabungen eine Bestattungsanlage der Siebenschläfer entdeckt, die heute Muslime gerne besuchen – der Islam würdigt in der 18. Koransure die Siebenschläfer auf ganz besondere Weise. Theologisch ordnet das westliche Christentum die Siebenschläferlegende heute als eine Art Propagandastück ein, wollte sich Ephesus im 5. Jahrhundert in Konkurrenz zu Jerusalem kirchenpolitisch ebenfalls als Ort der Auferstehung etablieren. Ein Zusammenhang mit der Synode von Ephesus im Jahr 449 ist nicht von der Hand zu weisen.
Kreuzritter und Jerusalempilger brachten die Geschichte der Sieben Schläfer nach Mitteleuropa. Sie wurde schnell sehr populär, die Begeisterung für ein „Ende gut, alles gut“ ist wohl so alt wie die Menschheit. Im Zuge der Türkenkriege erlebte der Siebenschläferkult eine neue Blüte, insbesondere im Bistum Passau. Dort werden bis weit ins 18. Jahrhundert Wallfahrten zu den Heiligen Siebenschläfern abgehalten, nach Eichendorf, Pildenau und nach Rotthof bei Ruhstorf an der Rott. Das barocke Kleinod im Landkreis Passau ist eine von weltweit nur drei Kirchen, die den Siebenschläfern geweiht ist. Dem Patrozinium liegt ein historischer Irrtum zugrunde. Als 1506 der Kirchenbau begonnen wurde, fand man dort römische Grabsteine mit Abbildungen von jeweils drei bzw. vier Personen. Man schlussfolgerte, dass es sich dabei um Maximian, Malchus, Martinian, Dionysius, Johannes, Serapion und Constantin – wie die sieben Brüder gemäß der westlichen Heiligenlegende heißen – handeln müsse. Die antiken Epitaphe sind an der Außenmauer der Kirche zu sehen. 1757/58 fertigte Johann Baptist Modler den Hochaltar, der die Siebenschläfer in ihrer Grotte liegend zeigt, ein einzigartiges Altarbild. Der 27. Juni wäre Anlass genug, den Patronen gegen Schlaflosigkeit und Fieber einen Besuch abzustatten, egal bei welchem Wetter.
Text: Maximiliane Heigl-Saalfrank