Glaube und Tradition

„Tauet Himmel, von oben …“

Redaktion am 25.11.2024

2024 11 25 pb alb rorate messe aoe Foto: Roswitha Dorfner
Lange Tradition. Rorate-Amt in Altötting.

Über die einstmalige Begeisterung der Altbayern für das Rorate-Amt

Wenn im Spät­herbst die kal­te Abend­luft nach Schnee riecht und ver­ein­zelt dicke Flo­cken vor den Fens­tern tan­zen, dann scheint die Welt in die­sen Momen­ten fast immer ein biss­chen still zu ste­hen. Und eine kind­li­che Freu­de macht sich breit, ganz tief im Inne­ren, in Erwar­tung der kom­men­den Zeit. Es ist auch der Augen­blick der Erin­ne­run­gen und des Erzäh­lens von frü­her. Älte­re Leu­te berich­ten ger­ne auch über den Besuch des früh­mor­gend­li­chen Engel­amts, oft sich bis an die kleins­te Ein­zel­heit erinnernd.

Die Wur­zeln der Rora­te-Mes­sen rei­chen bis ins vier­te Jahr­hun­dert zurück, als sich in Ita­li­en und Spa­ni­en die Advents-Lit­ur­gie ent­wi­ckel­te. Ihren Namen hat die Rora­te-Mes­se von eben­falls im vier­ten Jahr­hun­dert bereits ver­wen­de­ten Wech­sel­ge­sän­gen, die sich am Vers 45,8 des Buches Jesa­ja ori­en­tier­ten. Die­ser lau­tet Rora­te cae­li desu­per, et nubes plu­ant ius­tum: aper­ia­tur ter­ra, et ger­mi­net Sal­va­torem“, zu Deutsch Tau­et Him­mel, von oben, ihr Wol­ken, reg­net den Gerech­ten: Es öff­ne sich die Erde und spros­se den Hei­land hervor“.

Fest lit­ur­gisch eta­bliert hat sich die Mess­fei­er mit der Ver­kün­di­gung des Dog­mas von Maria als Got­tes­ge­bä­re­rin“, das in drei Kon­zi­len the­ma­ti­siert und letzt­end­lich im Kon­zil von Chal­ce­don im Jahr 451 als lehr­amt­li­che Aus­sa­ge getrof­fen wur­de. Bis zur Lit­ur­gie­re­form im Zuge des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils war die Rora­te-Mes­se eine Votiv­mes­se zu Ehren Mari­ens, bei der das Evan­ge­li­um von der Ver­kün­di­gung des Herrn durch den Engel Gabri­el vor­ge­tra­gen wur­de. Daher stammt auch die bis heu­te umgangs­sprach­lich gebräuch­li­che Bezeich­nung Engel­amt“ für Mor­gen­fei­ern in der Adventszeit.

In Bay­ern ist die Rora­te-Mes­se seit dem Ende des 15. Jahr­hun­derts nicht nur bekannt, sie gehör­te wohl zu den belieb­tes­ten Mess­for­men über­haupt. Sie war an Dra­ma­tik und Thea­tra­lik gera­de wäh­rend der Barock­zeit kaum zu über­bie­ten: Ver­kün­di­gungs­en­gel, ja gan­ze himm­li­sche Heer­scha­ren tra­ten auf, Wol­ken wur­den vor ihnen her­ge­tra­gen, Büh­nen­ele­men­te ver­scho­ben, Orgel oder auch Blas­mu­sik beglei­te­ten die Zere­mo­nie. Andern­orts wur­den lebens­gro­ße Wachs­fi­gu­ren­grup­pen, die die Ver­kün­di­gungs­sze­ne oder bibli­sche Heil­sze­nen nach­stell­ten, durch den Mit­tel­gang getra­gen oder ein­fach vor­ne am Speis­git­ter pos­tiert. Und das alles bei einer nur durch Ker­zen­schein erleuch­te­ten und durch den Weih­rauch ver­ne­bel­ten Kir­che. Der sinn­li­che Ein­druck muss in der Tat blei­bend gewe­sen sein.

2024 11 25 pb alb engelamt aoe Foto: Roswitha Dorfner
Der sinnliche Eindruck ist bleibend. Engelamt in Altötting.

Ehe­ma­li­ge Minis­tran­ten erzäh­len, dass das Vor­be­rei­ten des Weih­rauchs in der Sakris­tei auf einem klei­nen Kano­nen­öf­chen die ein­zi­ge Heiz­quel­le in der win­ter­lich eisig­kal­ten Kir­che war, und sie und der Pfar­rer sich dort die Hän­de wärm­ten. Wer einen alten Dorf­leh­rer in sei­nem Bekann­ten- oder Ver­wand­ten­kreis hat, der kennt auch die Geschich­ten, dass das Orgel­spiel wäh­rend des Engel­amts – die Päd­ago­gen waren wegen ihres gerin­gen Ein­kom­mens auf das Gehalt als Orga­nis­ten ange­wie­sen – in der Käl­te fast unmög­lich war, Peda­le und Manua­le funk­tio­nier­ten nicht. Man war froh, wenn man wenigs­tens ein Sur­ren oder Brum­men der Orgel ent­lo­cken konn­te – nichts war schlim­mer als pein­li­che Stil­le in den andäch­ti­gen Momen­ten. Ruhig blieb es auch dann, wenn der Orga­nist die Orgel­em­po­re nicht recht­zei­tig erreich­te – vie­le Leh­rer gaben in den advent­li­chen Mor­gen­stun­den Gast­spie­le“ in ver­schie­de­nen Kir­chen. Je nach Schnee­hö­he und Wet­ter­la­ge konn­te es da schon pas­sie­ren, dass man zu spät kam oder über­haupt nicht mehr auftrat.

Das früh­mor­gend­li­che Rora­te-Amt brach­te etwas in den baye­ri­schen Lan­des­kin­dern zum Klin­gen wie sonst nur Weni­ges. Dass in Alt­bay­ern sogar eine eige­ne Lit­ur­gie­form ent­wi­ckelt wur­de, denn nur hier wur­de das Engel­amt vor dem aus­ge­setz­ten Aller­hei­li­gen zele­briert, ist wohl nur eine Fol­ge davon. Das täg­li­che Engel­amt um sechs Uhr in der Früh durf­te, so heißt es in einer Beschrei­bung über Rot­ta­ler Brauch­tum aus dem Jahr 1845, kei­nem aus­kom­men, schon wegen des Segens. Jede Fami­lie bestell­te ihr eige­nes Rora­te. Fiel auch der eige­ne Tauf­na­me noch in den Advent, dann bezahl­te man zusätz­lich ein Namens­tags-Engel­amt. Es wird aus ande­ren Gegen­den zwi­schen Donau und Inn berich­tet, dass man bereits um vier Uhr mit den ers­ten Rora­te­mes­sen begann, die im halb­stün­di­gen Tur­nus bis sie­ben Uhr mor­gens gefei­ert wur­den. Die Wachs­stö­ckel und Pfen­nig­ker­zen auf den Kir­chen­bän­ken, die die Kir­chen­be­su­cher selbst mit­brach­ten, sei­en dem­nach nie ver­lo­schen, heißt es. Viel­fach bestell­ten die Gläu­bi­gen ihre Ämter bereits weit im Vor­aus, denn es kam auch dar­auf an, wann die Mes­se gele­sen wur­de. Dem Zeit­raum zwi­schen dem 17. Dezem­ber bis zum Hei­lig­abend sag­te man eine beson­de­re Wirk­mäch­tig­keit nach. Auch der Quart­em­ber-Mitt­woch im Advent, an dem die soge­nann­te Gol­de­ne Mes­se“ fei­er­lich began­gen wur­de, zähl­te zu den bevor­zug­ten Tagen.

Text: Maxi­mi­lia­ne Heigl-Saalfrank

Rorate-Messen und Engelämter in Altötting

Fei­er­li­che Mes­sen im Advent haben eine lan­ge Tra­di­ti­on. Am Wall­fahrts­ort Alt­öt­ting gibt es auch heu­er vie­le Ange­bo­te in der Stift­s­pfarr­kir­che St. Phil­ip­pus & Jako­bus – zum einen bis ein­schließ­lich 16. Dezem­ber Rora­te-Got­tes­diens­te, also Mari­en­mes­sen, die bei Ker­zen­schein gefei­ert und mit dem Eucha­ris­ti­schen Segen abge­schlos­sen wer­den; zum ande­ren in der Oktav vor Weih­nach­ten soge­nann­te Engelämter.

Die Ter­mi­ne:

Rora­te-Mes­sen:

  • Ers­ter Advents­sonn­tag, 1. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Mon­tag, 2. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Diens­tag, 3. Dezem­ber, 6.30 Uhr
  • Mitt­woch, 4. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Don­ners­tag, 5. Dezem­ber, 6.30 Uhr
  • Frei­tag, 6. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Sams­tag, 7. Dezem­ber, 7 Uhr
  • Zwei­ter Advents­sonn­tag, 8. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Mon­tag, 9. Dezem­ber, Hoch­fest Maria Imma­cu­la­ta, 19 Uhr
  • Diens­tag, 10. Dezem­ber, 6.30 Uhr
  • Mitt­woch, 11. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Don­ners­tag, 12. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Frei­tag, 13. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Sams­tag, 14. Dezem­ber, 7 Uhr
  • Drit­ter Advents­sonn­tag (Gau­de­te), 15. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Mon­tag, 16. Dezem­ber, 19 Uhr

Engel­äm­ter:

  • Diens­tag, 17. Dezem­ber, 6.30 Uhr
  • Mitt­woch, 18. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Don­ners­tag, 19. Dezem­ber, 6.30 Uhr
  • Frei­tag, 20. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Sams­tag, 21. Dezem­ber, 7 Uhr
  • Vier­ter Advents­sonn­tag, 22. Dezem­ber, 19 Uhr
  • Mon­tag, 23. Dezem­ber, 19 Uhr

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