Dass sich an weiblichen Knien ein konfessioneller Familienstreit von grundlegender kulinarischer Güte entzünden kann, mag der wohlgeneigten Leserschaft im Land zwischen Rott, Inn und Donau doch eher wie ein Witz vorkommen. Dass es bei Familien mit oberfränkischen Wurzeln wie der meinen aber durchaus in der Kirchweihzeit zu sehr handfesten, ja rustikalen Taxierungen körperlicher Vorzüge durch Altvordere kommen kann, ist für den Menschenschlag zwischen Frankenwald und Fichtelgebirge das normalste von der Welt, der Kerwawelt möchte man fast sagen. Um es abzukürzen: Ich habe evangelische Knie, groß, fest, derb und somit ideal fürs Küchelziehen. Sagten meine Großtanten, die beide doch eher mit den recht katholischen Gelenkanteilen ihrer Rupertigauer Vorfahren gesegnet waren, und an Kirchweih demzufolge nur Zwetschenbavesen kredenzten, die südbayerische Variante der „Armen Ritter”, gefüllt mit Powidl, serviert mit viel Zimt und Zucker und einer dicken Vanillesauce. Und einem starken Kaffee, und einem noch stärkeren Safranlikör zwecks der Fettverbrennung.
Auch die Frage des richtigen Schmalzes hat an den Tagen, wenn der rot-weiße Zachäus aus dem Kirchturm hängt, um den Landfrieden zu erhalten, geradezu etwas Dogmatisches. Es treten an: die geschmacklich geschmeidige Butterschmalzfraktion gegen die Verfechterinnen des zünftigen Schweineschmalzes, das angeblich einzig und allein den Auszogenen und Schuxen ihr typisches Kirchweiharoma verleiht. Und dank des Schweineschmalzes bleibt das Hefegebäck auch in der gewünschten Form, sagen sie, etwa wie die länglichen Schuxen, die an Schuhsohlen erinnern.
Maximiliane Saalfrank
„Wer nicht zwei Stunden ununterbrochen essen kann, taugt nix”
Große Bäuerinnen zelebrierten mit ihren Köchinnen geradezu ein Hochamt der kalorienreichen Verführungen, das bereits am Mittwoch vor dem eigentlichen Kirchweihsonntag mit dem Backen von Tortenböden begann. Donnerstags folgten dann Schneeballen, am Freitag standen dann die Auszogenen auf dem Backplan – bevor man einen samstäglichen Obsttag einlegte, mit Apfelschnitten, Apfelkücherl, Zimtschnitten und dick mit Puderzucker bestreuten Hasenöhrl. Am Kirchweihsonntag servierte man dann zu dem Schmalzgebackenen der Vortage noch üppige Buttercremetorten getreu dem Motto „Wer nicht zwei Stunden ununterbrochen essen kann, taugt nix”.
Tante Mirzl übrigens hatte noch als junges Mädchen Kirchweihbälle auf dem Land besuchen müssen, auf Geheiß ihrer Holledauer Großmutter, die sich von der Tanzerei einen besseren Ertrag auf den Hopfenfeldern im nächsten Jahr erhoffte. Der Zusammenhang zwischen Tanz und Feldfruchtsicherung sei ihr nie ganz klargeworden. Der Schmalzgeruch hatte sich so in den Kleidern der Ballbesucher eingehängt, dass ihr immer schlecht geworden sei, erzählte sie. Und dass sie gar kein Schmalzgebackenes deswegen möge. Lieber sei ihr, wenn überhaupt, das alte Bier gewesen, das man ebenfalls am Kirta ausgeschenkt hätte. Und dieses Irta, Migga etc. hätte sie als Städterin auch nicht mehr verstanden.