
Nach Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe ist Sr. Elisabeth Freund jetzt Oberin der Congregatio Jesu Altötting.
Ruhiger ist es, beschaulicher. Und so ganz anders als das Leben, das Schwester Elisabeth in den vergangenen Jahren geführt hat. Seit kurzem ist sie die neue Oberin der Congregatio Jesu in Altötting. Für die gebürtige Niederbayerin der Beginn eines neuen Lebensabschnitts.
Für Kinder und Jugendliche da zu sein, Familien zu unterstützen, das stand bis dato im Zentrum aller Tätigkeiten der Ordensfrau. Aufgewachsen auf einem Hof im Landkreis Freyung/Grafenau, als eines von neun Kindern, erwies sich ein Erlebnis als wegweisend für sie: „Meine Mutter wurde krank und wir haben eine Dorfhelferin auf den Hof geholt“, erzählt sie. „Ich war so beeindruckt, dass mir klar war: Das wird mein Beruf.“ Nach der Lehrzeit ging sie als Dorfhelferin nach Mitterfels, wo sie eher zufällig bei den Maria-Ward-Schwestern unterkam. Eine Fügung, die sich bald als glücklich erweisen sollte.
Denn die junge Frau, gerade Anfang 20, spürte, dass sie bei der Arbeit an ihre Grenzen stieß. „Ich hatte gleich zu Anfang meiner Berufszeit sehr schwere Einsätze“, erinnert sich Schwester Elisabeth. Einsätze, bei denen Kochen, Putzen und Waschen, die eigentlichen Tätigkeiten der Dorfhelferin, zur Nebensache gerieten. „In einem Fall starb eine junge Mutter an Krebs“, erinnert sich Schwester Elisabeth. Mann und Kinder blieben alleine zurück.
Um den Alltag zu bewältigen suchte sie Zuflucht in der Kapelle der Schwestern. Dort habe sie erlebt, wie ihre Not kleiner geworden, wie sie zur Ruhe gekommen sei. „Ich habe gespürt, dass meine Christus-Beziehung lebendig wird.“ Nach zwei Jahren, in denen sie die Ordensfrauen kennenlernte – „Frauen, die miteinander leben, beten, feiern und streiten“ – beschloss sie 1988, in die Congregatio Jesu einzutreten, die damals noch den Namen der Ordensgründerin Maria Ward trug.
Unter 300 Dorfhelferinnen die einzige Ordensschwester – und unter 600 Ordensfrauen die einzige, die draußen arbeitete
Dass sie ihren Beruf trotzdem unbedingt weiter ausüben wollte, sah man im Orden zunächst skeptisch, schließlich werde jede Schwester in der Gemeinschaft gebraucht. Doch dann sagte die Congregatio Ja zu einem ungewöhnlichen Schritt: Schwester Elisabeth durfte als Dorfhelferin arbeiten. „Unter 300 Dorfhelferinnen war ich die einzige Ordensschwester“, erzählt sie. „Und unter damals etwa 600 Ordensfrauen die einzige, die nach draußen gegangen ist zur Arbeit.“ Dankbar ist sie für diesen Rückhalt aus der Gemeinschaft, die ihren Beruf immer mitgetragen habe. Auch dann, als sie das Tätigkeitsfeld wechselte. Als Familienpflegerin betreute sie ihr vom Jugendamt vermittelte Familien.
Dieser intensive Einsatz für Kinder, die dringend Hilfe benötigten und mitunter auch aus den Familien genommen werden mussten, prädestinierte sie aus Sicht des Ordens schließlich für eine neue Aufgabe: Schwester Elisabeth zog ins nordrhein-westfälische Langenberg, wo die Gemeinschaft eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterhielt. „Dafür habe ich mit 55 Jahren noch die Ausbildung zur Erzieherin gemacht“, erzählt sie.
Zwölf Jahre sollte sie in Langenberg bleiben, zuletzt als Leiterin eines elfköpfigen Teams in der Notaufnahme der Einrichtung. Eine Arbeit, die sie zutiefst erfüllte – und doch auch belastete. „Dass Kinder so viel aushalten können“ vermag Schwester Elisabeth noch heute kaum zu fassen. Tagtäglich war sie mit Not und Leid konfrontiert, das Erlebte ging ihr sprichwörtlich ans Herz.
Nun also Altötting. „Durch meinen Beruf habe ich bisher meine ganze Ordenszeit im Außendienst verbracht.“ Jetzt, nach den Jahren der „Sendung nach außen“, sei sie gerne bereit, in Altötting für ihre Mitschwestern da zu sein. Für zunächst drei Jahre wird sie als Oberin die Geschicke der 18 Schwestern zählenden Gemeinschaft lenken. Ein Neuanfang, an den sich die 67-Jährige noch gewöhnen muss, auf den sie sich aber freut.
Text: Gaby Mayer
„Kostbarer Ort“
Sr. Elisabeth Freund über Ihre Verbindung zu Altötting und was ihr im neuen Amt als Oberin wichtig ist
Kennen Sie Altötting bereits aus der Vergangenheit und welche Bedeutung hat der Gnadenort für Sie selbst und für Ihren Orden?
Sr. Elisabeth: In meiner Jugend war ich einige Jahre unter den Fußwallfahrern von Passau nach Altötting. Die Gemeinschaft, die Glaubensgespräche, dass Füreinander-da-sein auf dem Weg und der bewegende Einzug mit einem sehr herzlichen Willkommen in Altötting sind noch sehr lebendig in mir. Als noch junge Schwester habe ich dann meine Großmutter, Mutter und Tanten einmal jährlich zu einem Wallfahrtstag nach Altötting eingeladen. Von ihnen lernte ich, wie eine Wallfahrt „abzulaufen hat“: auf dem Hinweg der Rosenkranz und das Besuchen aller Kirchen – ebenso aber auch das leibliche Wohl und die Geselligkeit auf der Rückfahrt. Meine Gemeinschaft feierte 2021 „300 Jahre in Altötting“. Für meine Mitschwestern ist der Ort sehr kostbar, das Hiersein-dürfen ein besonderes Geschenk. Im Vergleich zu meinen früheren Gemeinschaften steht hier die Muttergottes sehr im Mittelpunkt. Ich persönlich bin noch auf der Suche nach meinem Platz an diesem Gnadenort. Ich spüre einen durchbeteten „Raum“, ein bewegtes, aber kein hektisches Leben um den Kapellplatz, das ich als sehr wohltuend erlebe. Und ich freue mich neben der Wallfahrt auch eine gelebte Gemeinde vor Ort kennenlernen zu dürfen.
Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit als Oberin in Altötting vorgenommen?
Sr. Elisabeth: Als Oberin für meine Gemeinschaft ist es mir wichtig, dass es meinen Mitschwestern gut geht, dass wir in unserem Alltag füreinander da sind, Freud und Leid miteinander tragen und unser Tun und Sein täglich neu auf Gott hin ausrichten. Auch wenn sich das Unterwegs-sein, die Sendung nach außen mit dem Alter sehr verändert, bin ich überzeugt, dass unsere Präsenz, das Sein unter den Menschen gut ist und gut tut. So ermutige ich zu einer herzlichen Gastfreundschaft im Haus, wie auch zu Begegnungen außerhalb.
Interview: Wolfgang Terhörst