Nie wieder!

Redaktion am 06.11.2023

2023 11 06 pb alb aufmacher ausgabe 46 2023

Zum 85. Mal jähren sich heuer die Novemberpogrome gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland – und auch jetzt ist jüdisches Leben wieder bedroht: weltweit, auch in Deutschland. Das vielfach geäußerte „Nie wieder!“ darf keine leere Floskel bleiben, fordert Chefredakteur Wolfgang Krinninger im Editorial der aktuellen Ausgabe Nr. 46.

Nie­mand ver­lässt die­ses Land unbe­ein­druckt. Isra­el packt dich. Es berührt dich tief drin. Drei Mal durf­te ich es bis­her erle­ben. Bei jedem Besuch waren mei­ne Sin­ne über­for­dert – und man­ches erschien mir fast wie ein Wun­der: Die Stil­le in der Negev-Wüs­te. Das Auf­ge­hen der Son­ne am Jor­dan­gra­ben. Das Gedrän­ge, die Gerü­che, die Viel­stim­mig­keit auf der Via Dolo­ro­sa in Jeru­sa­lem. Stau­nend ließ ich mich mitreißen. 

Doch Isra­el ist viel mehr als Pil­ger­ort und Tou­ris­ten­ma­gnet. Es ist ein Exi­t­room, ein Zufluchts­ort für Jüdin­nen und Juden aus der gan­zen Welt. Wirk­lich ver­stan­den habe ich das erst in Masa­da und in Yad Vas­hem. Die Fel­sen­fes­tung Masa­da war um 70 nach Chris­tus der letz­te Rück­zugs­ort für 973 jüdi­sche Zelo­ten beim Auf­stand gegen die Römer. Drei Jah­re behaup­te­ten sie sich auf dem Fels­pla­teau inmit­ten der Wüs­te erfolg­reich gegen eine zah­len­mä­ßig gewal­ti­ge Über­macht. Als es den Römern doch gelang, eine Bre­sche in die Mau­er der Fes­tung zu schla­gen, beschlos­sen die Rebel­len, lie­ber gemein­sam zu ster­ben als in die Knecht­schaft der Römer zu gelan­gen. Unser Gui­de mach­te uns damals klar: Auch Masa­da steht für Nie wieder!“.

2023 11 06 pb alb masada Foto: Michael Glaß
Blick von der Felsenfestung Masada in Israel.

Yad Vas­hem ist Gedenk­stät­te, Denk­mal, Monu­ment, For­schungs- und Bil­dungs­stät­te glei­cher­ma­ßen. Auf dem Berg der Erin­ne­rung bei Jeru­sa­lem wer­den die Gräu­el­ta­ten der Nazis fass­bar, aber auch die Hel­den­ta­ten der Gerech­ten“, die ihr Leben für die Ret­tung jüdi­scher Mit­bür­ger ris­kier­ten. Und vor allem bekom­men hier die sechs Mil­lio­nen von den Deut­schen und deren Hel­fern ermor­de­ten Juden, die jeg­li­cher Wür­de beraubt und zu Num­mern degra­diert wur­den, wie­der einen Namen. Jesa­ja 56,5 steht wie eine Art Prä­am­bel über der Gedenk­stät­te: Und ihnen will ich in mei­nem Hau­se und in mei­nen Mau­ern ein Denk­mal und einen Namen („Yad Vas­hem“) geben … der nicht getilgt wer­den soll“. Wohl nie­mand, der noch ein wenig Emp­find­sam­keit in sich trägt, wird die­sen Ort so ver­las­sen wie er ihn betre­ten hat. 

Das unfass­ba­re Mor­den, das in Yad Vas­hem doku­men­tiert ist, begann in der Nacht von 9. auf 10. Novem­ber 1938. Orga­ni­sier­te Schlä­ger­trupps zer­stör­ten 7500 jüdi­sche Geschäf­te und über 1200 Syn­ago­gen. Mehr als 1000 Jüdin­nen und Juden star­ben, 30.000 Men­schen wur­den in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ver­schleppt. Und alle konn­ten es sehen. Die Nach­barn, die Kol­le­gen, die Bekann­ten im Verein. 

Am 7. Okto­ber 2023, an einem Shab­bat, ermor­de­ten Hun­der­te Hamas-Ter­ro­ris­ten auf bes­tia­li­sche Art 1500 Men­schen, Kin­der, Frau­en und Män­ner. Mehr als 200 Per­so­nen wur­den nach Gaza ent­führt. An kei­nem ande­ren Tag seit dem Holo­caust wur­den mehr Juden ermor­det als am 7. Okto­ber. Für Isra­el hat am schwar­zen Shab­bat“ erneut ein Exis­tenz­kampf begon­nen. Seit die israe­li­schen Streit­kräf­te gegen die Hamas im Gaza­strei­fen kämp­fen, müs­sen Juden welt­weit noch mehr als sonst um ihre Sicher­heit ban­gen, auch bei uns in Deutsch­land. 85 Jah­re nach den Novem­ber­po­gro­men trau­en sich Kin­der nicht mehr aus dem Haus, Syn­ago­gen wer­den ange­grif­fen, David­ster­ne an Woh­nungs­tü­ren von Juden geschmiert. Das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz hat seit dem 7. Okto­ber fast 2000 Straf­ta­ten in Deutsch­land in Zusam­men­hang mit dem Angriff auf Isra­el gezählt. Es kann kei­nen Zwei­fel geben: Nie wie­der!“ ist jetzt. Jetzt ist die Zeit für kon­kre­te Soli­da­ri­tät mit Jüdin­nen und Juden in unse­rem Land. Für jeden von uns.

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

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