„Arbeite mit großer Ruhe, Freude und Großherzigkeit. Denn was in einem Jahr nicht erledigt werden kann, kann es in einem anderen“. Dieses Wort der Ordensgründerin Mary Ward (1585−1645) fasst das zusammen, was zu einem großartigen Geburtstagsgeschenk zum 300-jährigen Bestehen der Maria-Ward-Schulen in Altötting geworden ist: Ein „Mary Ward Oratorium“, in dem das Lebenswerk und der Geist der beeindruckenden Frau auf tief bewegende Weise in Musik, Gesang und Klang ausgedrückt wird. Die Zuhörenden in der Basilika – unter ihnen bei der Premiere am Freitag, 7. Oktober auch Bischof Dr. Stefan Oster – erlebten eine glanzvolle, musikalisch bildgewaltige Schilderung des Lebens einer Frau, die weit über ihre Zeit hinaus Bildung und geistliches Leben in ganz Europa prägte. Eigentlich war die Feier schon vor einem Jahr geplant gewesen, die Umstände der Corona-Zeit machten einen Aufschub nötig – eben ein Jahr später.
Aber was dabei entstanden ist, sprengt alle Grenzen: Knapp zwei Jahre Kompositionsarbeit, unzählige Proben für die rund 200 Mitwirkenden, das war ein künstlerischer Kraftakt, der nur mit viel ruhe, Freude und Großherzigkeit gelingen konnte – eben ganz im Geist und Sinn von Mary Ward, die in ihrer Zeit gegen viele und gewaltige Widerstände auch innerhalb der katholischen Kirche kämpfte, die ihre großen Träume mit einem unbändigen Gottvertrauen wahr werden ließ: Bildung für Mädchen und zugleich ein moderner, den Menschen zugewandter Orden für Frauen.
Mary Ward Oratorium – Impressionen
Fotos: Petra Pichler
Der aus Tittmoning stammende Josef Irgmaier, der bereits zahlreiche Werke für Solo- Kammer- und Orchesterformationen geschaffen hat und auch an der Berufsfachschule für Musik in Altötting unterrichtet, hat Gedanken und Aussprüche von Mary Ward – in originaler englischer Sprache – mit großer Empathie musikalisch zum Klingen gebracht, für den gewaltigen großen Chor, für den hoch disziplinierten Kinderchor und für das herausragend besetzte Orchester. Denn dieses Oratorium verlangt von den Musizierenden höchste Konzentration und Motivation, und die konnte die musikalische Leiterin der Aufführung Sigrid Weigl mit atemberaubender Sicherheit vermitteln und fördern. Zusammen mit ihrer Kollegin Andrea Wibmer setzte sie ihre überzeugende musikalische Kompetenz und ihre Ausbildung in der Meisterklasse Chordirigieren in München voll für diese Aufführung ein und konnte eine ansteckende Freude an dieser hoch anspruchsvollen Musik absolut sicher weitergeben, an aktuelle und auch viele einstige Schülerinnen und Schüler aus dem Maria Ward Gymnasium und der Realschule, die diese in vieler Hinsicht herausfordernde Partitur mit großer Begeisterung und Freude an der Musik umgesetzt haben.
„Was mich beeindruckt: Eine volle Kirche und noch dazu mit lauter jungen Menschen und mit vielen, die ihre Verbundenheit zu Mary Ward über die Schule hinaus bezeugen, das lässt mein Herz höherschlagen. Die Worte von Mary Ward haben viel Substanz. Sie ist nie in ihrem Ich-Drama geblieben, sondern hat sich auf das große, allumfassende Gottes-Drama eingelassen. Gott ist ein Künstler. Er hat jeden einzigartig gemacht. Je mehr wir lernen, das Ego-Drama hinter uns zu lassen, umso mehr Substanz und Tiefe kriegt unser Leben.”
Ergänzt wurde die Aufführung mit Texten aus dem Buch von Schwester Birgit Stollhoff „frei, wahr, gerecht. Mary Ward und ihre Freundinnen“, in dem in zeitgemäß übersetzten Tagebucheinträgen und Briefen Mary Wards ihr ungebrochener Kampf für ihre Idee der Bildung von Frauen, ihr Ringen um Anerkennung und Gerechtigkeit und vor allem auch ihr gewaltiges Gottvertrauen deutlich zur Sprache kam – eine spannende Brücke zwischen den einzelnen musikalischen Sequenzen. Ein Höhepunkt des bis zum letzten Ton durch sehr tiefgehende Instrumentierung und seine rhythmisch-klar strukturierten Chorsätze mitreißenden Werkes war zweifellos „The Just Soul“ – die Botschaft von Mary Ward, die immer noch Gültigkeit besitzt: „Zeig dich so wie du bist und sei so wie du erscheinst“. Mary Ward wünschte sich, ihre Nachfolgerinnen in der Ordensgemeinschaft sollten „frei, wahr und gerecht“ sein, und dies sollte auch zum Auftrag für die Maria Ward Schulen werden, „denn nur dann haben wir eine Zukunft“.
Text: Dr. Hans Würdinger