Wer wie die Gottesmutter in den Himmel aufgenommen werden möchte, der müsse lieben lernen – mit Leib und Seele. Das betonte Bischof Stefan Oster SDB in seiner Predigt während der Festmesse zu Mariä Himmelfahrt am 15. August in Altötting. Knapp 2000 Besucher kamen anlässlich des Patroziniums der Gnadenkapelle zur Vorabendmesse und noch etwas mehr zur Pontifikalmesse in die St. Anna-Basilika.
Bischof Oster nahm das „Hochfest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ zum Anlass, um über „Leiblichkeit“ zu sprechen – mit all ihren Licht- und Schattenseiten; und vor allem mit dem Ausblick, dass Menschen nach ihrem Tod dem christlichen Glauben nach nicht als „leibloser Zustand“ und „geistige Idee“ im Himmel enden werden, sondern: „Wir werden dann tiefer wir selbst sein als wir es jetzt sind“, betonte Bischof Oster, „weil wir dann tiefer integriert sind in unseren Leib und weil dieser dann ganz ein Instrument unserer Liebesfähigkeit ist – zu Gott, zu anderen Menschen und zu uns selbst.“ Jesus sei „immer noch Mensch im Himmel beim Vater“; und auch die Muttergottes sei „ganz Mensch aus Leib und Seele beim Vater, beim Sohn und im Heiligen Geist“.
Hochfest Mariä Himmelfahrt in Altötting – Impressionen
Fotos: Roswitha Dorfner
„Caro cardo salutis – das Fleisch ist der Angelpunkt des Heils“, zitierte Bischof Oster eingangs seiner Predigt „eine Art Glaubensaxiom seit Anfang der frühen Väterzeit“, das bis heute das Glaubensverständnis präge. In das christliche Menschenbild gehöre „zutiefst hinein, dass wir ins rechte Verhältnis zu unserer Leiblichkeit finden“. Dieses sei seit dem „Sündenfall von Grund auf gestört“, erklärte Bischof Oster. Seitdem hätten Menschen mit ihrer Sterblichkeit, mit Krankheit und Alter zu kämpfen, und ganz allgemein immer wieder „mit diesem Kerle, den wir da mit uns herumtragen“. Manche Leibverneinende philosophische Denktradition in Ost und West habe auch in das christliche Denken Eingang gefunden, doch sei in letzterer die Frage nach unserem Leib durch ein „unfassliches Ereignis“ in ein neues Licht gerückt worden: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14), zitierte Bischof Oster das Johannes-Evangelium; „Christus ist Mensch geworden“ und habe eine „leibliche Verfassung angenommen und alles bejaht, was an uns da ist“. Daher sollten vor allem Christen auch die positiven Seiten der Leiblichkeit im Blick haben: „Was gut schmeckt, wunderschön anzusehen ist, …“. Gerade Christen sollten akzeptieren: „Lieben können wir nur im Hier und Jetzt durch unsere Leiblichkeit“, wie es Bischof Oster formulierte und dabei die Hände als Beispiel nannte: „Hände können jemanden festhalten, der Halt braucht, jemanden loslassen, der Freiheit will, jemanden umarmen, der körperliche Nähe braucht, zärtlich sein, wenn jemand die Erfahrung braucht, geliebt zu sein.“ Menschliche Begegnung gehe nie „unmittelbar von Seele zu Seele“, sondern nur „vermittelt durch den Leib“. Bischof Oster betonte: „Wirklich zu lieben, das lernen wir nur durch tiefe Selbstannahme.“ Dazu gehöre es auch, die eigene Gebrechlichkeit und Sterblichkeit zu akzeptieren – dies alles in dem Glauben, „wir schon jemanden kennen, der diese Sterblichkeit überwunden hat, der Mensch geworden ist und uns erlöst hat, indem er seinen ganzen Leib verschenkt hat und in den Tod gegeben hat“. Dadurch sei Jesus zum „Sieger über den Tod“ geworden. Bischof Oster resümierte: „Wir sind als Christen dazu berufen in die Annahme unserer Leiblichkeit zu finden und zu lernen, uns selber zu einem Instrument der Liebe Gottes zu machen.“ Er nannte hierbei zwei Vorbilder: Die heilige Edith Stein, die sich im Todeswaggon nach Auschwitz „in großem Frieden“ um Kinder kümmerte, und den heiligen Maximilian Kolbe, der im KZ Auschwitz für einen polnischen Familienvater in den Hungerbunker gegangen ist, wo er schließlich auch starb.
Bischof Oster stellte jedoch auch fest: „Wir leben in einer Kultur, in der das Menschenbild in Frage steht, das wir heute feiern: Dass die Muttergottes mit Leib und Seele als ganzer Mensch in den Himmel aufgenommen worden ist.“ Vehement wandte er sich gegen „Angriffe auf unser christliches Menschenbild“: Hierbei nannte er die Ermöglichung des assistierten Suizids, „ideologische Strömungen, die Abtreibung zu einem Menschenrecht erklären wollen“ und „ideologische Strömungen“, die den Wechsel des biologischen Geschlechts bereits in jungen Jahren „für eine echte Option halten“. Dagegen betonte Bischof Oster die Bedeutung des christlichen Menschenbilds: „Wir sind berufen, die Annahme dessen zu lernen, was Gott uns geschenkt hat in unserer Leiblichkeit und was Gott bejaht hat, trotzdem wir krank werden und sterblich sind.“ Bischof Oster appellierte am Ende seiner Predigt: „Lassen wir uns festhalten an unserem Menschenbild: Dass wir Leib und Seele sind und dass wir berufen sind, mitten in unserer Sterblichkeit und Leiblichkeit Liebende zu werden – Liebende Gottes, der Menschen, die uns nahe sind, und Liebende unser selbst.“
Dass die Gottesmutter Maria Himmel und Erde verbinde, betonte Wallfahrtsrektor Prälat Klaus Metzl in seiner Predigt am Vorabendgottesdienst in der Basilika. „Darin besteht ihre Würde als neue Eva“, erklärte er und fügte hinzu: „Denn durch ihr Ja-Wort hat Maria für den Sohn Gottes eine Brücke zwischen Himmel und Erde geschlagen und uns das neue Leben der Gottes-Kindschaft ermöglicht. So wurde uns der Weg zu unserer ursprünglichen von Gott gewollten Heiligkeit wieder neu geöffnet.“ Außerdem betonte Prälat Metzl: „Das Mit-Wirken Mariens am Erlösungs-Werk Gottes ist also so bedeutsam, dass Gott sie dafür gewürdigt hat, mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen zu werden. Dort hat Gott sie zur Königin des Himmels gekrönt und ihr eine Würde verliehen, die alles übertrifft.“
Als Königin des Himmels sei Maria nun für uns zur „Pforte des Himmels“ geworden, stellte Prälat Metzl fest. „Denn wenn wir ihren Glaubens-Weg nachgehen, dann führt sie uns – gleichsam wie eine gute Mutter – zu ihrem Sohn Jesus Christus.“ Die Gottesmutter Maria „weiß – und hat selber erfahren – von Jesus Christus erhalten wir für unser Leben mit seinen je eigenen Herausforderungen, Krankheiten und Leiden, Gnade über Gnade“, erklärte Metzl. „Denn Jesus Christus ist unser Retter und Heiland.“
Zu Beginn des Pontifikalgottesdienstes am Festtag, den Kapellchor und Orchester unter der Leitung von Stiftskapellmeister Stephan Thinnes mit Franz Schuberts Messe in G‑Dur beeindruckend gestalteten, hatte der stellvertretende Wallfahrtsrektor Kapuzinerpater Marinus Parzinger die zahlreichen Besucher begrüßt, u.a. mehrere Wallfahrtsgruppen, Vereine und Fahnenabordnungen sowie zahlreiche Priester und Diakone, darunter Wallfahrtsrektor Prälat Metzl und Pater Benjamin Bakowski, Prior der ortsansässigen Pauliner und stellvertretender Wallfahrtsrektor. Außerdem begrüßte Br. Marinus Gäste aus dem öffentlichen Leben, darunter MdB Stephan Mayer, MdL und CSU-Generalsekretär Martin Huber, Bezirksrätin Gisela Kriegl, Altöttings Bürgermeister Stephan Antwerpen, 2. Bürgermeisterin Christine Burghart, Altbürgermeister Herbert Hofauer sowie Stadträte und Pfarrgemeinderäte und Pfarrgemeinderats-Vorsitzende Luise Hell. Beim Gottesdienst am Vorabend war auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann zu Besuch.
Die Festmesse am Vorabend war mit Orgel und von der Altöttinger Hofmusik musikalisch gestaltet worden. Im Anschluss hätte eigentlich die große feierliche Lichterprozession über den Kapellplatz stattfinden sollen, die jedoch wegen eines heftigen Gewitterschauers abgesagt werden musste. Wallfahrtsrektor Prälat Metzl kommentierte dies in Anlehnung an einen Ausspruch Karl Valentins humorvoll: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“
Vor dem Gottesdienst am Mittwochabend hatten ein Rosenkranz in der Gnadenkapelle und ein weiterer in der Basilika stattgefunden. Während der Gebete wurde das Gnadenbild feierlich in die St. Anna Basilika übertragen. Auch zum Gottesdienst am Festtag mit Bischof Oster wurde das Gnadenbild in die Basilika und anschließend wieder feierlich zurück übertragen. Nachmittags fand in der Stiftspfarrkirche mit Stadtpfarrer und Wallfahrtsrektor Metzl eine Marienvesper mit anschließendem Ave am Gnadenaltar statt; für die musikalische Gestaltung sorgte die Schola Autingensis. Die beiden Festgottesdienste wurden auch für die Zuschauer zuhause via K‑TV übertragen.
Michael Glaß
Readkteur