Kirchenmusik

„In Altötting lebt die Kirchenmusik“

Redaktion am 09.09.2024

2024 09 09 pb alb kirchenmusik orchestermesse basilika Foto: Roswitha Dorfner
Lucia Gasser leitet die Orchestermesse in der St. Anna-Basilika am Tag des Altöttinger Marienwerks am 8. September 2024.

Zwei Kirchenmusikstudenten aus Regensburg haben gerade für je drei Wochen den Stiftskapellmeister und die Stiftsorganistin vertreten. Sie erzählen von ihren Erfahrungen am Wallfahrtsort, dessen kirchenmusikalisches Angebot einzigartig ist in Deutschland.

Ich bin seit dem ers­ten Tag über­wäl­tigt, welch eine beson­de­re Rol­le der Glau­be hier noch spielt“, sagt Lucia Gas­ser. Alt­öt­ting ist ein Ort, wo die Kir­chen­mu­sik noch im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes lebt.“ Die 21-Jäh­ri­ge, die an der Hoch­schu­le für katho­li­sche Kir­chen­mu­sik und Musik­päd­ago­gik in Regens­burg (HfKM) ihren Bache­lor in Kir­chen­mu­sik mit Haupt­fach Orgel (BA) und Gesangs­päd­ago­gik macht, hat für drei Wochen den Stifts­ka­pell­meis­ter Ste­phan Thin­nes ver­tre­ten. Ins­ge­samt 40 Ein­sät­ze inklu­si­ve Pro­ben galt es für sie zu bewäl­ti­gen: Die Got­tes­diens­te, die hier fast im Stun­den­takt statt­fin­den, wer­den häu­fig mit Orgel beglei­tet“, erzählt sie. So hat man als Orga­nist, bei meh­re­ren Diens­ten täg­lich, auch die Mög­lich­keit viel aus­zu­pro­bie­ren und wert­vol­le Erfah­run­gen zu sam­meln. Man kann an unter­schied­li­chen Orgeln in ver­schie­de­nen Kir­chen­räu­men spie­len und aus­pro­bie­ren.“ Zudem sei es bewun­derns­wert, wie vie­le Got­tes­diens­te, vor allem in der Basi­li­ka, noch mit Chor und Orches­ter beglei­tet wer­den“. Ähn­lich schil­dert dies auch Manu­el Klein­henz, der eben­falls an der HfKM katho­li­sche Kir­chen­mu­sik stu­diert: Das kir­chen­mu­si­ka­li­sche Ange­bot in Alt­öt­ting ist abso­lut ein­ma­lig“, stellt der 22-Jäh­ri­ge fest, der drei Wochen lang die Stifts­or­ga­nis­tin Johan­na Maria Stitz ver­tre­ten hat und in die­sem Zeit­raum auf ins­ge­samt 56 Ein­sät­ze kam. An kei­nem ande­ren Ort hat man die­se Viel­falt an Orgeln, Ensem­bles und Anläs­sen bei so gerin­ger Distanz“, schil­dert er. Es ist jeden Tag wie­der span­nend und berei­chernd für das eige­ne musi­ka­li­sche Den­ken und Arbeiten.“

2024 09 09 pb alb kirchenmusik manuel kleinhenz und stephan thinnes Foto: Roswitha Dorfner
Ein Leben für die Musik. Manuel Kleinhenz an der Orgel in der Stiftspfarrkirche mit Stiftskapellmeister Stephan Thinnes.

Span­nend und berei­chernd sind die Tage frei­lich auch für Ste­phan Thin­nes und Johan­na Maria Stitz, die das gan­ze Jahr über in der Basi­li­ka, Gna­den­ka­pel­le und in den Kir­chen rund um den Kapell­platz im Ein­satz sind. Die Tage sind aber auch kräf­te­zeh­rend: Rund 900 Got­tes­diens­te im Jahr, rech­net der Stifts­ka­pell­meis­ter vor. Hin­zu kom­men Pro­ben, Büro­zei­ten, orga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­ben und natür­lich auch das Üben der Instru­men­te. Noch mehr Got­tes­diens­te sind es für die Stifts­or­ga­nis­tin. Auch wenn es wei­te­re Kir­chen­mu­si­ker gibt, die regel­mä­ßig zusätz­li­che Got­tes­diens­te über­neh­men: Für einen län­ge­ren Urlaub bleibt trotz­dem meist nicht genü­gend Zeit. So ent­stand die Idee für die­ses Pilot­pro­jekt: Stu­den­ten wer­den ins kal­te Was­ser gewor­fen und sam­meln Erfah­run­gen. Und dafür dür­fen die bei­den Pro­fis end­lich mal rich­tig Urlaub machen.

Die Stu­den­ten bekom­men lit­ur­gi­sche Plä­ne und haben sonst alle Frei­hei­ten“, sagt Ste­phan Thin­nes über die Ver­ein­ba­rung. Frei­hei­ten, die die bei­den zu schät­zen wis­sen, die sie aber auch her­aus­for­dern: Man muss sich schnell an eine Orgel anpas­sen, auch an die unter­schied­li­chen Wün­sche der Pries­ter und Pil­ger – da kann das Pro­gramm auch schon mal kurz­fris­tig geän­dert wer­den“, erzählt Lucia Gas­ser. Ihr Kom­mi­li­to­ne Manu­el Klein­henz schil­dert: Als ich das ers­te Mal das aktu­el­le Wall­fahrts­pro­gramm las, dach­te ich: Da ist was gebo­ten und für jeden ist was dabei‘. Das hat sich bewahr­hei­tet. Chan­ce und Her­aus­for­de­rung zugleich ist die Viel­zahl der Got­tes­diens­te und der Kir­chen­räu­me. Wenn ich an einem Tag drei Got­tes­diens­te beglei­te, dann kann es pas­sie­ren, dass ich drei­mal die­sel­ben Tex­te und Gesän­ge vor mir habe, es kön­nen aber auch drei völ­lig ver­schie­de­ne Got­tes­diens­te sein.“ Die Auf­ga­be sei es, hier­bei in gleich­blei­bend guter Qua­li­tät zu musi­zie­ren und die Got­tes­dienst­be­su­cher mitzunehmen.

2024 09 09 pb alb kirchenmusik lucia gasser und johanna maria stitz Foto: Roswitha Dorfner
Ein Leben für die Musik. Lucia Gasser an der Orgel in der Basilika mit Stiftsorganistin Johanna Maria Stitz.

Als Höhe­punkt in den drei Wochen nennt Manu­el Klein­henz das Pon­ti­fi­kal­amt zu Mariä Him­mel­fahrt: Es ist eine Freu­de zu sehen, dass auch im Jahr 2024 zu einem sol­chen Anlass die Basi­li­ka voll besetzt ist“, stellt er fest. Lucia Gas­ser nennt die Orches­ter­mes­se, die ich lei­ten durf­te“ als ihr per­sön­li­ches High­light“. Bei­de aber haben die Zeit am Wall­fahrts­ort in Sum­me sehr genos­sen“: Alt­öt­ting ist ein beson­de­rer Ort und man spürt wahr­lich, dass es ein Ort der Gna­de ist und hier noch sehr viel gebe­tet wird. Mei­ner Mei­nung nach ist dies die Grund­la­ge für eine gute‘ Kir­chen­mu­sik schlecht­hin“, sagt Lucia Gas­ser. Manu­el Klein­henz ergänzt: Nicht nur die gro­ßen Anläs­se sei­en reiz­voll und berei­chernd“; ganz all­ge­mein sei es eine Freu­de, wenn man in Gemein­schaft musi­zie­ren, sin­gen und Got­tes­dienst fei­ern kann“.

Die Orgel ist in der Kir­che das am meis­ten bean­spruch­te Instru­ment – und eines der schöns­ten oben­drein, zumin­dest wenn es nach den bei­den Stu­den­ten geht: Das Schö­ne am Orgel­spie­len ist die Viel­falt, die man immer wie­der neu erle­ben darf. Jede Orgel ist anders, so wie auch jeder Kir­chen­raum ande­re Gege­ben­hei­ten mit­bringt“ schil­dert Manu­el Klein­henz und fügt hin­zu: Als Orga­nist kann man aus der Viel­zahl der Klang­far­ben immer neue Kom­bi­na­tio­nen aus­wäh­len und muss immer wie­der neu den Klang erkun­den. Zusätz­lich steht man in den ver­schie­de­nen Got­tes­dienst­for­men und lit­ur­gi­schen Zei­ten immer wie­der vor der Her­aus­for­de­rung, Emo­tio­nen auf­zu­grei­fen, zu ver­stär­ken oder her­vor­zu­ru­fen. Es wird nie langweilig.“

2024 09 09 pb alb kirchenmusik orgel basilika Foto: Roswitha Dorfner
Blick auf die Kirchenorgel in der Altöttinger Basilika St. Anna.

Auch Lucia Gas­ser liebt die Köni­gin der Instru­men­te“: Man hat sozu­sa­gen ein gesam­tes Orches­ter in einem Instru­ment ver­eint; durch die unter­schied­li­chen Regis­ter kann man ver­schie­de­ne Klang­far­ben erzeu­gen – an der Orgel in der Alt­öt­tin­ger Basi­li­ka gibt es sogar ein eige­nes Farb­ma­nu­al mit ganz beson­de­ren Klän­gen und Klang­kom­bi­na­tio­nen. Es ist ein unbe­schreib­li­ches Gefühl, wenn man im Ple­num spielt und der Klang in jede Faser des Kör­pers dringt. Jede Orgel ist unter­schied­lich und die Kunst des Orga­nis­ten liegt dar­in, das Instru­ment spre­chen und sin­gen zu las­sen.“ Außer­dem sei es ein wun­der­ba­res Gefühl, in der Kir­che spie­len zu kön­nen: im Haus Got­tes, zu sei­ner Ehre und Verherrlichung“.

Lucia Gas­ser wird dem­nächst wie­der ihr Stu­di­um in Regens­burg fort­set­zen, mei­ne musi­ka­li­schen Kom­pe­ten­zen erwei­tern und mich inten­si­ver mit der Kir­chen­mu­sik beschäf­ti­gen“, wie sie sagt. Manu­el Klein­henz will im kom­men­den Som­mer sein Bache­lor­stu­di­um abschlie­ßen, dann noch ein Mas­ter­stu­di­um drauf­set­zen und ger­ne eine Stel­le als Kir­chen­mu­si­ker antre­ten, einen Chor und ein Orches­ter leiten.

So viel Freu­de an der Kir­chen­mu­sik beein­dru­cken auch Ste­phan Thin­nes und Johan­na Maria Stitz. Das Pilot­pro­jekt lief sehr gut. Bei­de freu­en sich auf eine Wie­der­auf­la­ge im kom­men­den Jahr.

Michael Glass

Michael Glaß

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