Man kann mit Fug und Recht behaupten: Aus „Konkurrenten“ um die Gunst der Pilger sind längst enge Freunde im Sinne des Wallfahrtsgedankens geworden. Hatten sich die großen Marienpilgerstätten Lourdes, Fátima, Loreto, Einsiedeln, Tschenstochau, Mariazell und Altötting anfangs noch etwas argwöhnisch beäugt, wuchs im Zuge von Säkularisierung und Internationalisierung schnell die Einsicht, zusammenzuarbeiten zum Wohle aller.
Die „Shrines of Europe“ wurden 1996 als kommunale Arbeitsgemeinschaft gegründet – als jüngstes Mitglied wurde 2017 Einsiedeln in der Schweiz aufgenommen. 2020 strukturierte sich die Arbeitsgemeinschaft neu und gründete die „Shrines of Europe – Association of European Shrine Cities“ um die zukünftige gemeinsame Arbeit auf touristischer, kultureller und partnerschaftlicher Ebene zu intensivieren.
Nun also die „Silberhochzeit“, bei der ein Kuchen nicht fehlen durfte – angeschnitten beim gemeinsamen Rundgang der Bürgermeister der Mitgliedsstädte durch die aktuelle Ausstellung in der Altöttinger Stadtgalerie. Der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Altötting und das Überreichen gegenseitiger Gastgeschenke läuteten die Jubiläumsfeierlichkeiten ein, die mit einer Arbeitstagung begonnen hatten. Altöttings Bürgermeister Stephan Antwerpen hob den Beitrag der Shrines of Europe für ein friedliches, freundschaftliches Miteinander der Völker und ihrer Menschen hervor – ein Gedanke, der während des offiziellen Festakts am folgenden Samstag im Kultur + Kongress Forum vertieft wurde.
Heilige Stätten als Gegenentwurf zu Konflikt und Krieg
So betonten die jeweiligen Stadtoberhäupter in ihren Grußworten vor den geladenen Gästen die Bedeutung der Kooperation für die Entwicklung der Orte insbesondere im Tourismus. Mindestens ebenso wichtig sei aber die in 25 Jahren gewachsene Freundschaft untereinander, die sich auch in zahlreichen gemeinsamen Aktionen vom Jugendaustausch über Tanz- und Musikaufführungen bis hin zu wissenschaftlichen Kongressen widerspiegele. Angesichts von Putins Angriffskrieg in der Ukraine hoben mehrere Redner zudem die heiligen Stätten als konfliktfreie Räume und damit Gegenentwurf hervor.
Alle Bürgermeister äußerten den Wunsch, dass die Gemeinschaft weiter wachsen und gedeihen möge. Die Ideen gehen jedenfalls nicht aus: Derzeit werde an der Bewerbung beim Europarat gearbeitet, die Shrines zur europaweiten Kulturroute zu machen. Luis Miguel Albuquerque, Bürgermeister von Fatima und amtierender Präsident nannt die Shrines ein „Best-Practice-Beispiel europäischer Zusammenarbeit“.
Jubiläum „Shrines of Europe“ – Impressionen
Fotos: Wolfgang Terhörst
Die Ausstellung „Shrines of Europe – a path of culture & spirituality”: 24. Juni bis 24. Juli 2022, Stadtgalerie Altötting, Papst-Benedikt-Platz 3, 84503 Altötting, Mittwoch – Freitag: 14 – 17 Uhr; Samstag/Sonntag/Feiertag: 11 – 16 Uhr, Eintritt frei, Tel.: 08671 5062 – 38.
Höhepunkt des Festakts waren schließlich die Übergabe der Jubiläumsurkunden an die Bürgermeister und zwei besondere Auszeichnungen für den Altöttinger Altbürgermeister und „Shrines-Beauftragten“ Herbert Hofauer, der zum Ehrenmitglied der Vereinigung ernannt wurde. Die Stadt Tschenstochau verlieh ihm darüber hinaus die Merentibus-Medaille, die höchste Ehrung, die die Stadt zu vergeben hat. Ein besonderer Dank ging zudem an den langjährigen Altöttinger Tourismusdirektor Herbert Bauer und dessen Nachfolgerin Ulrike Kirnich für ihre Verdienste um die Shrines of Europe.
Einblicke und Ausblicke – Ausstellung „Shrines of Europe“
Sieben Wallfahrtsstädte, sieben Madonnen und unzählige Gemeinsamkeiten in Kultur, Geschichte und Tradition einen die bedeutendsten Marienwallfahrtsorte Europas. Und doch gibt es viele Unterschiede, die jede Stadt einzigartig machen. Vor allem in Altötting, Einsiedeln und Mariazell ist es beispielsweise Tradition, das Gnadenbild gemäß den liturgischen Farben zu kleiden. Im Zuge der Wallfahrtsgeschichte wurden viele edle Gnadenröckl gespendet und ebenso Schmuck und allerlei Zier. Einfacher, klarer und heller zeigen sich hingegen die Madonnendarstellungen aus Fátima und Lourdes, die beide nach den dortigen Marienerscheinungen gefertigt wurden.
Mehr dazu zeigen die wunderbaren Bilderserien in der Ausstellung mit 100 Motiven aus den „Shrines of Europe“-Städten – vom Marienheiligtum über Devotionalien bis hin zu Architektur. Auch ein Blick auf die Teller und in die Gastronomie der Städte lädt zur Entdeckung ein. Junge Fotografen haben sich auf eine Reise durch die sieben bedeutendsten Marienwallfahrtsorte Europas gemacht und nehmen die Besucher in der Ausstellung mit auf den Weg.
Ein kleiner Wermutstropfen vielleicht: Die interessanten Texttafeln sind alle auf Englisch. Das wiederum ist leicht erklärt, handelt es sich doch um eine Wanderausstellung, die anschließend auch in den anderen Marien-Orten „verstanden“ werden soll. Außerdem liegt in der Stadtgalerie ein Flyer mit allen Texten in deutscher Sprache auf.
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter