Das glauben wir

Er bot den Nazis die Stirn

Redaktion am 26.02.2024

2024 02 26 pb alb wolfgang huber1 Foto: Archiv des Bistums Passau
Charismatisch und den Menschen nah: Pfarrer Johann Baptist Huber inmitten von Spendensammlerinnen der Caritas.

Der Landauer Stadtpfarrer Johann Baptist Huber (1892-1942) war Soldat und Priester. Bis zum letzten konsequent, trotzte er den Nazis. Er starb am 13. September 1942 als Häftling Nr. 30353 des KZ Dachau im Schwabinger Krankenhaus. Ein neues Buch zeichnet sein Leben als „Streiter für den Herrn“ nach.

Erin­ne­run­gen ver­blas­sen, fran­sen aus, wer­den ver­drängt, über­la­gert, ver­schwin­den irgend­wann. Davor ist nichts und nie­mand gefeit. Auch eine so star­ke, kan­ti­ge und prä­gnan­te Per­sön­lich­keit wie Pfar­rer Johann Bap­tist Huber kann in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Rund 80 Jah­re sind seit sei­nem Tod ver­gan­gen, annä­hernd drei Gene­ra­tio­nen. Jahr­zehn­te vol­ler Umwäl­zun­gen, Auf­brü­che, Zer­würf­nis­se. Wir leben heu­te in einer völ­lig ande­ren Welt als 1942 – und Land­au an der Isar ist eine völ­lig ande­re Stadt geworden.

2024 02 26 pb alb wolfgang huber experten trio Foto: Wolfgang Krinninger
Sie haben sich intensiv mit dem Leben von Pfarrer Johann Baptist Huber beschäftigt: Jürgen Stadler (v.l.), Annemarie Wallner und Nik Söltl.

Und doch gibt es hier noch Orte, die an den Pfar­rer erin­nern, der den Nazis so mutig die Stirn gebo­ten hat und das mit sei­nem Leben bezahl­te: Eine Stra­ße und eine Schu­le tra­gen sei­nen Namen, Gedenk­ta­feln und Aus­stel­lungs­käs­ten rufen sein Wir­ken ins Gedächt­nis – und es gibt vor allem Men­schen, die sich gegen das Ver­ges­sen stem­men, die wis­sen, wie wich­tig gera­de in unse­rer heu­ti­gen Zeit Vor­bil­der wie Johann Bap­tist Huber sind. Drei sol­che Men­schen sol­len hier zu Wort kom­men: Anne­ma­rie Wall­ner hat in einem Buch ihre Recher­chen über Leben und Wir­ken des streit­ba­ren Geist­li­chen zusam­men­ge­fasst: Stadt­pfar­rer Johann Bap­tist Huber, Strei­ter gegen das NS-Regime“. Wall­ner ist Stu­di­en­di­rek­to­rin am Gym­na­si­um Land­au und unter­rich­tet Latein und Religion.

Nik Söltl war über vier Jahr­zehn­te Leh­rer. Der ehe­ma­li­ge Stadt­rat ist aber auch als Autor und Hei­mat­for­scher nicht aus Land­au weg­zu­den­ken. Jür­gen Stad­ler ist der drit­te im Bun­de. Er hat als Bür­ger­meis­ter vie­le wich­ti­ge Akzen­te in der Stadt gesetzt und gestal­tet sie in vie­len Ehren­äm­tern auch heu­te noch mit; als Kir­chen­pfle­ger und geschichts­be­wuss­tem Men­schen ist ihm das Andenken an Johann Bap­tist Huber ein gro­ßes Anliegen.

Die drei haben sehr vie­le Men­schen getrof­fen, die den Geist­li­chen noch gekannt haben. Sie zeich­nen uni­so­no das Bild einer star­ken Per­sön­lich­keit mit dem Her­zen am rech­ten Fleck, die Men­schen in Not über das nor­ma­le“ Maß hin­aus unter­stütz­te und ihnen den Rücken stärk­te. Ein Bei­spiel von vie­len ist die Ver­tre­tung vor Gericht für einen bedräng­ten Fami­li­en­va­ter, der sich im Wirts­haus abfäl­lig über den Völ­ki­schen Beob­ach­ter“ geäu­ßert hat­te: Für den Schmar­ren hob i jetzt koa Zeit! I muaß jetzt mein Solo spie­len!“, soll er gesagt haben, wie sich Nik Söltl an das Gespräch mit einem Zeit­zeu­gen erin­nert. Anzei­ge und Ankla­ge folg­ten auf dem Fuße. Der Pflicht­ver­tei­di­ger habe signa­li­siert, dass der Fall klar sei und er kei­ne Chan­ce auf ein mil­des Urteil habe. Als Pfar­rer Huber davon Wind bekam, habe er sofort zuge­sagt, sel­ber die Ver­tei­di­gung zu über­neh­men. Er habe den Ange­klag­ten vor Gericht als klei­nen Bau­ern dar­ge­stellt, der vie­le Kin­der habe, immer sei­ne Abga­ben leis­te, in der Gemein­de aktiv sei und das Volk unter­stüt­ze. Wür­de er eine hohe Stra­fe bekom­men, wür­de die gan­ze Fami­lie aus­ein­an­der­bre­chen. Damit über­zeug­te er offen­sicht­lich den Rich­ter. Der Fami­li­en­va­ter wur­de frei­ge­spro­chen, erin­nert sich Nik Söltl. Auch im hohen Alter von 90 Jah­ren sei die­se Erin­ne­rung noch prä­sent gewe­sen: Wenn wir den Pfar­rer Huber nicht gehabt hät­ten, dann wäre es uns in die­ser Zeit schlecht gegan­gen!“, zitiert Nik Söltl den Bau­ern aus dem Gedächtnis.

2024 02 26 pb alb wolfgang huber3 Foto: Archiv des Bistums Passau
Pfarrer Johann Baptist Huber.

Johann Bap­tist Huber war ein leuch­ten­des Bei­spiel für Mut und Zivil­cou­ra­ge, sind sich die drei Land­au­er einig. Im Grun­de sind alle Gesprä­che mit Zeit­zeu­gen immer auf das­sel­be hin­aus­ge­lau­fen“, sagt Jür­gen Stad­ler, man hat ihn für sei­nen Mut bewun­dert, aber gleich­zei­tig ist die­ser Mut auch immer mit Kopf­schüt­teln beglei­tet wor­den – in dem Sin­ne, dass man gesagt hat: Lie­ber Pfar­rer Huber, hal­te dich bit­te zurück, sei nicht so mas­siv und aggres­siv gegen das Regime. Sonst bekommst du Pro­ble­me.‘“ Immer wie­der hät­ten Leu­te ihn zur Mäßi­gung auf­ge­ru­fen, ver­sucht, ihn ein­zu­brem­sen“. Aber das habe er nicht akzep­tiert, weil er nach dem Mot­to han­del­te, Was gesagt wer­den muss, muss gesagt wer­den‘“, so Jür­gen Stad­ler. Sei­nen Wider­stand habe er auch damit begrün­det, dass er als Pfar­rer frei­er han­deln kön­ne als ande­re, ergänzt Anne­ma­rie Wall­ner: Die ande­ren haben Fami­lie, ich nicht.“ Als Trug­schluss frei­lich erwies es sich, dass ihn sein Sta­tus als hoch­de­ko­rier­ter Front­kämp­fer im Ers­ten Welt­krieg vor Repres­sa­li­en schüt­zen würde.

Beson­ders am Her­zen lag dem volks­na­hen Geist­li­chen die jun­ge Gene­ra­ti­on. Er hat früh bemerkt, dass um die Jugend zwei Lager kämpf­ten: die Nazis und die Kir­che“, erklärt Anne­ma­rie Wall­ner. Das hat ihn offen­sicht­lich ange­spornt. Als Tur­ner und auch sonst sport­li­cher Mann kam er gut bei den jun­gen Men­schen an. Es gibt Bil­der, die ihn beim Schlit­ten­fah­ren zei­gen, auch auf Ski­ern hat er sich versucht.

Huber för­der­te den Turn­ver­ein, grün­de­te den Jung­ge­sel­len­ver­ein, den Jung­mäd­chen­ver­ein (Mari­en­ver­ein Die wei­ße Rose“) und eine Froh­schar­grup­pe, wie Anne­ma­rie Wall­ner bei ihren Recher­chen her­aus­ge­fun­den hat. Doku­men­tiert sind auch Hubers Spa­zier­gän­ge“ mit Jugend­li­chen nach Fram­me­r­ing („Das ist bloß die Län­ge eines Rosen­kran­zes“) und die Reli­gi­ons­stun­den in der Sakris­tei, als es das Fach in der Schu­le nicht mehr gab. Er hat auf die Jugend geschaut und sich viel Zeit genom­men für sie“, fasst Nik Söltl zusam­men. Dabei sei er von der Land­au­er Leh­rer­schaft arg­wöh­nisch beob­ach­tet wor­den, die zum Groß­teil den Nazis nahe­ge­stan­den sei.

2024 02 26 pb alb wolfgang huber2 Foto: Archiv des Bistums Passau
Charismatisch und den Menschen nah: Pfarrer Johann Baptist Huber mit Jugendlichen im Pfarrgarten in Kammern.

Pfar­rer Hubers Mut und sein tap­fe­rer Wider­stand waren nicht fol­gen­los, sind sich Wall­ner, Söltl und Stad­ler einig. Der Cha­rak­ter von Pfar­rer Huber war vor­bild­haft für die jun­gen Leu­te, was er getan hat, trug Früch­te“, sagt Söltl. Bei­spiel­haft dafür steht für ihn Fan­ny Ries, die Söltl als glü­hen­de idea­lis­ti­sche Chris­tin“ beschreibt. Sie war es, die an einem der letz­ten Kriegs­ta­ge die wei­ße Fah­ne auf dem Turm der Stadt­pfarr­kir­che St. Maria hiss­te. Unter Todes­ge­fahr. Sie habe sich nach ihrer Hel­den­tat in eine Kir­chen­bank gesetzt und gebe­tet. Die Nazis hät­ten damals die Fah­ne schnell wie­der ein­ge­holt und gedroht, den­je­ni­gen zu erschie­ßen, der sie auf­ge­hängt habe. Doch Fan­ny Ries wur­de nicht erwischt. Die­sen Mut hat sie sich vom Pfar­rer Huber abge­schaut“, ist Söltl über­zeugt. Und nicht nur sie. Vie­le Men­schen hät­ten Pfar­rer Huber als Maß­stab genom­men. Wenn man in Land­au mit älte­ren Men­schen redet, heißt es heu­te noch: Das war vorm Pfar­rer Huber oder das war nachm Pfar­rer Huber.‘ Der Pfar­rer Huber war wie eine Zei­ten­wen­de“, erklärt Söltl. Und Jür­gen Stad­ler ergänzt, dass der streit­ba­re Geist­li­che bis heu­te in der Pfarr­ge­mein­de ein hoch aner­kann­ter und prä­sen­ter Mensch sei. Dazu trägt gewiss auch die jähr­li­che Pfar­rer-Huber-Gedächt­nis­wall­fahrt im April bei. Alle drei wol­len sich dafür ein­set­zen, dass die Erin­ne­rung an Stadt­pfar­rer Johann Bap­tist Huber auch künf­tig nicht ver­blasst. Anne­ma­rie Wall­ner erzählt den Jugend­li­chen im Unter­richt über ihn, wenn das The­ma Natio­nal­so­zia­lis­mus und Kir­che behan­delt wird. Jür­gen Stad­ler hofft, dass die Stadt im Zuge der 800-Jahr-Fei­er in die­sem Jahr auch an Pfar­rer Huber erin­nert. Nik Söltl will sich dafür ein­set­zen, dass in der Pfar­rer-Huber-Stra­ße eine Tafel auf­ge­stellt wird, die über das Leben und Wir­ken des Geist­li­chen informiert.

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Christian Handschuh, Christian Kriegbaum, Simon Meier, Wolfgang Krinninger: Ein Streiter für den Herrn - Pfarrer Johann Bapstist Huber // Bischof Stefan Oster und Pfarrer Christian Kriegbaum stellen Stadtpfarrer Huber aus geistlicher Sicht vor, Christian Handschuh und Simon Meier aus kirchengeschichtlicher Perspektive. Annemarie Wallner, Nik Söltl und Jürgen Stadler kommen in Interviews mit Wolfgang Krinninger zu Wort. Sehr nachdrücklich zeichnen sie ein einleuchtendes Porträt von Johann Baptist Huber und stellen ihn in einer Reihe von Geschichten vor, die sich während seiner Zeit in Landau ereignet haben. Auch der Text auf dieser Doppelseite ist im Buch enthalten. // Bistum Passau, 9,99 Euro, ISBN 978-3920726069 // Das Buch ist u.a. im Domladen Passau erhältlich.

Denn – auch da ist sich das Trio einig – gera­de heu­te ist es wich­tig, dass die­ser leuch­ten­de Stern des muti­gen Strei­ters gegen das NS-Regime nicht ver­blasst und irgend­wann untergeht.

Pfar­rer Huber kön­ne auch heu­te noch ein Vor­bild sein, um sich zu posi­tio­nie­ren. Pfar­rer Huber war ein sehr gläu­bi­ger Mensch, er war hei­mat­ver­bun­den und hat sehr genau dif­fe­ren­ziert, was den Men­schen gut tut. Ihm war klar, dass die Nazis und Adolf Hit­ler schlecht sind für die Men­schen, dass sie sie in die Irre füh­ren“, sagt Anne­ma­rie Wall­ner. Die­se Dif­fe­ren­zie­rung müss­te auch heu­te genau­er von den demo­kra­ti­schen Par­tei­en auf­ge­zeigt wer­den, ist sie über­zeugt. Nach Ansicht von Jür­gen Stad­ler kann man gar nicht vehe­ment und zugleich auch kon­se­quent genug gegen­steu­ern gegen das Wie­der­erstar­ken des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gedan­ken­guts. Da kann der Pfar­rer Huber ein leuch­ten­des Bei­spiel dafür sein, dass man sich nicht ver­steckt und die Din­ge lau­fen lässt. Son­dern dass man offen­siv und selbst­be­wusst dage­gen­steht und die Prin­zi­pi­en der Frei­heit und der Men­schen­wür­de hoch­hält“, sagt Stad­ler. Und auch Nik Söltl mahnt, die rechts­ra­di­ka­len Strö­mun­gen der heu­ti­gen Zeit nicht zu unter­schät­zen – so wie Pfar­rer Huber die Radi­ka­li­tät und die Kon­se­quenz des Natio­nal­so­zia­lis­mus falsch ein­ge­schätzt habe.

Man muss Gott mehr gehor­chen als den Men­schen – die Prin­zi­pi­en und ethi­schen Nor­men des Chris­ten­tums waren Pfar­rer Johann Bap­tist Hubers Leit­plan­ken, sie zu ver­tei­di­gen und nach ihnen kon­se­quent zu leben, war ihm Ver­pflich­tung. Ich fin­de, er ist einen fei­nen Weg gegan­gen, einen Glau­bens­weg“, sagt Anne­ma­rie Wall­ner. Es ist von gro­ßem Wert, die­sen Weg, die­sen Men­schen vor dem Ver­ges­sen zu bewahren.

Tipp:

Das neue Buch Ein Strei­ter für den Herrn – Pfar­rer Johann Bap­tist Huber“ wird im Rah­men eines Fest­got­tes­diens­tes mit Bischof Ste­fan Oster am Sonn­tag, 3. März, um 10.30 Uhr in der Land­au­er Stadt­pfarr­kir­che Mariä Him­mel­fahrt vor­ge­stellt.

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

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