Bischof

Den Geist Gottes erspüren

Wolfgang Krinninger am 20.05.2021

S02 Bischofspectrtum PB Fotos: Hofmeister
Bischof Stefan Oster bei einem Vortrag im Haus Spectrum Kirche

Wie werden wir morgen Kirche sein? Diese Frage treibt auch Bischof Dr. Stefan Oster um. Anstatt eines Pfingstwortes steht er im Interview Rede und Antwort und erklärt, was ihm Hoffnung macht und wo er Zeichen des Heiligen Geistes sieht.

Löscht den Geist nicht aus!“ mahnt der Apos­tel Pau­lus sei­ne Gemein­de im 1. Brief an die Thes­sa­lo­ni­cher. Der Appell gilt auch 2000 Jah­re spä­ter. Satt­heit und Träg­heit, Gleich­gül­tig­keit und Bequem­lich­keit sind der Tod des Glau­bens. Was kön­nen wir tun, damit sich der Geist nicht ver­flüch­tigt? Wie kön­nen wir im Lärm der Welt erspü­ren, wohin der Geist uns len­ken will?
Bischof Oster: Was für eine wich­ti­ge, schwe­re und zugleich ein­fa­che Fra­ge. Die ein­fa­che Ant­wort lau­tet: Gebet. Die schwe­re Sei­te davon: Es geht dabei nicht ein­fach um ein paar Minu­ten, in denen ich Sät­ze sage, in denen das Wort Gott“ vor­kommt. Es geht viel­mehr um eine Her­zen­s­öff­nung, einen Her­zens­auf­schwung zu Gott. Es geht um eine inne­re Hal­tung, die lernt, Jesus immer mehr vor dem inne­ren Auge zu haben, ihn gleich­sam dabei zu haben, ihn die inne­re Mit­te mei­ner See­le sein zu las­sen, die er ja von sich her eh schon ist. Stel­len Sie sich ein Lie­bes­paar vor oder eine Mut­ter von einem klei­nen Kind: Die Mut­ter hat ihr Kind inner­lich immer dabei, eben­so wie der Lie­ben­de die Gelieb­te – und zwar unab­hän­gig davon, ob sie grad kör­per­lich bei­ein­an­der sind oder nicht. In die­sem Sinn heißt Beten ler­nen“ zugleich Gott lie­ben ler­nen“ und dann ler­nen mit neu­en Augen zu sehen – und damit auch ler­nen, die ande­ren Men­schen zu lie­ben – wie Er. Das ist es, was den Geist nicht auslöscht. 

An Pfings­ten wur­den Angst und Furcht, Klein­gläu­big­keit und Hoff­nungs­lo­sig­keit von den Jün­gern genom­men. Es wur­de ihnen neu­er Schwung und neu­er Mut geschenkt. Was ist Ihre Bot­schaft für ein neu­es Pfings­ten, das die Kir­che bei uns wohl nöti­ger denn je hat?
Bischof Oster:
Jesus hat uns zuge­sagt, dass er uns nicht ver­lässt, bis zum Ende der Welt. Und ich habe am eige­nen Leben erlebt, wie er mich von innen her ver­än­dert hat. Und das wirk­lich Schö­ne ist: ich sehe sehr regel­mä­ßig bei Men­schen, oft jun­gen Men­schen, dass sie sich wirk­lich bekeh­ren. Und ich ste­he stau­nend dane­ben und den­ke mir: Wie groß ist das denn! Das Evan­ge­li­um ist wirk­lich wahr. Es stimmt, wir leben eigent­lich von Zeu­gin­nen und Zeu­gen. Die braucht die Kir­che mehr als fast alles ande­re. Und ja, wir brau­chen eine Über­win­dung von Men­schen­furcht! Wie sel­ten habe ich in der Kir­che erlebt, dass dar­über über­haupt gespro­chen wur­de, dass es die­se Men­schen­furcht gibt, die uns wirk­lich hin­dert, von unse­rer Freu­de am Herrn zu erzählen! 

Was kön­nen Zei­chen des Hei­li­gen Geis­tes heu­te sein?
Bischof Oster: In jedem Fall ist es ein per­sön­li­ches Zei­chen für Ihr Leben, wenn Sie sich mehr zu Gott hin­ge­zo­gen füh­len, wenn Sie mehr über Jesus ler­nen wol­len, wenn die Hl. Schrift plötz­lich ein span­nen­des Buch für Sie wird – und nicht eines mit sie­ben Sie­geln bleibt. Wenn Sie Sehn­sucht haben nach Gebet, nach der Mes­se, nach der Beich­te. Wenn Sie wirk­lich berührt wer­den von Not und Armut ande­rer Men­schen. Dann ist der Geist Got­tes am Werk. Im Brief an die Gala­ter (5,2223) zählt Pau­lus auf, was Frucht des Geis­tes“ ist. Wenn Sie also im Her­zen mehr Frie­den, Güte, Geduld spü­ren – mehr Freu­de und Lie­be – auch für schwie­ri­ge Men­schen, dann wach­sen Sie im Geist. Ein Zei­chen des Geis­tes ist aus mei­ner Sicht auch, dass es welt­weit so etwas wie eine Gebets­be­we­gung gibt: Men­schen aus allen Kon­fes­sio­nen ver­sam­meln sich im Bild gespro­chen neu und ver­tieft und gemein­sam im Ober­ge­mach“ – um wie die Jün­ger mit Maria vor Pfings­ten um die Her­ab­kunft des Geis­tes zu beten. Über­all sprie­ßen so genann­te 24/​7‑Orte her­vor, also Orte, wo rund um die Uhr das Gebet nicht mehr aufhört. 

S02 bischof Sammarei PB Fotos: Hofmeister
Bischof Stefan Oster im Gespräch mit Jugendlichen in Sammarei. Er hofft, dass es künftig wieder mehr gelingt, junge Menschen zu den Inhalten und Vollzügen des Glaubens heranzuführen und eine tiefere Auseinandersetzung anzustoßen, was der Glaube mit dem eigenen Leben zu tun hat.

Der Pfingst­geist wird durch Tau­fe und Fir­mung in die Her­zen der Men­schen aus­ge­gos­sen. Nach­dem es zwangs­läu­fig eini­ge Zeit fast kei­ne Fir­mun­gen gab, emp­fan­gen jetzt die ers­ten jun­gen Leu­te mit 16 Jah­ren die Fir­mung. Was erhof­fen Sie sich von der Neue­rung? Und was erwar­ten Sie von den nun älte­ren Firm­lin­gen?
Bischof Oster: Ich den­ke, es wird in jedem Fall ehr­li­cher sein. Wir müs­sen uns ja ehr­lich ein­ge­ste­hen, dass wir in den letz­ten Jah­ren viel mehr sakra­men­ta­li­siert“ haben – aber eben kaum evan­ge­li­siert“; ein wenig nach dem Mot­to: Haupt­sa­che gefirmt, den Rest wird der lie­be Gott schon rich­ten. Aber ein ech­tes Hin­füh­ren zu den Inhal­ten und Voll­zü­gen des Glau­bens und in die tie­fe­re Aus­ein­an­der­set­zung, was das mit mei­nem eige­nen Leben zu tun hat, damit tun wir uns ins­ge­samt schwer. Ich hof­fe, dass das nun mit den älte­ren Jugend­li­chen etwas bes­ser gelin­gen kann. 

Ein aktu­el­les Bemü­hen in der Kir­che von Pas­sau zielt dahin, die Pas­to­ral gut auf­zu­stel­len und wo nötig neu zu orga­ni­sie­ren. Was darf man sich dar­un­ter vor­stel­len? Was erwar­tet die Gläu­bi­gen in den Pfar­rei­en?
Bischof Oster: Zunächst erle­ben wir ja vie­ler­orts das Bewusst­sein, dass wir nicht ein­fach so wei­ter­ma­chen kön­nen wie bis­her. Die struk­tu­rel­le Kri­se der Kir­che, die Glau­bens­kri­se, die Pan­de­mie-Kri­se – all das lässt uns fra­gen, wie wir mor­gen Kir­che sein wer­den? Wir sehen, dass wir Pas­to­ra­le Räu­me ent­ste­hen las­sen, die auch durch die Ver­wal­tungs­zen­tren schon ein wenig Struk­tur haben. Und wir fra­gen uns, wie kön­nen wir bes­ser koope­rie­ren in der Seel­sor­ge. An wel­chen Orten genügt eine Grund­ver­sor­gung, an wel­chen Orten kann und soll es ein brei­te­res, gutes Ange­bot geben? Wenn Sie Fir­mung mit 16 anspre­chen: Wir sehen, dass das eine Auf­ga­be sein kann, die man auch im Pas­to­ra­len Raum gut ange­hen kann. Die Rol­le der Deka­ne und Pro­de­ka­ne wird noch wich­ti­ger wer­den als bis­her: Wir wol­len sie in ihrer Ver­ant­wor­tung stär­ken und zugleich die in der Seel­sor­ge Täti­gen ermu­ti­gen, mit ihnen gemein­sam nach neu­en Wegen und Schwer­punk­ten zu suchen. 

Auch das am Dom­platz ent­ste­hen­de HOME Pas­sau steht als Schu­le für Glau­bens- und Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung für einen Neu­an­fang. Wel­che Hoff­nung set­zen Sie in HOME Pas­sau?
Bischof Oster:
Wir fra­gen uns, wie ein jun­ger Mensch heu­te Christ wird, wenn die bis­her gän­gi­gen Wege immer weni­ger zu grei­fen schei­nen? Und wir wol­len ler­nen, wie es in ver­än­der­ter Zeit gelin­gen kann. Die Loret­to Gemein­schaft aus Öster­reich, von der ja die Idee für das HOME stammt, zeigt uns da einen viel­ver­spre­chen­den Weg. Ich hof­fe, dass davon nach und nach auch gute Impul­se für das Bis­tum aus­ge­hen wer­den, zum Bei­spiel auch wie­der in der Firm­vor­be­rei­tung. Aber zunächst ein­mal müs­sen wir sie gut star­ten und Erfah­run­gen sam­meln lassen. 

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Der Hei­li­ge Geist öff­net den Mund und bewirkt Ver­stän­di­gung: Wo tut Ver­stän­di­gung heu­te beson­ders Not – und wo müs­sen gera­de wir Chris­ten den Mund beson­ders deut­lich öff­nen?
Bischof Oster:
Ich glau­be, wir brau­chen kon­se­quen­te Schrit­te in der Öku­me­ne. Wie kom­men wir zusam­men, wie spre­chen wir mehr mit geein­ter Stim­me? Wie kom­men wir zusam­men, wie spre­chen wir mehr mit geein­ter Stim­me? Da muss uns der Geist Got­tes wirk­lich immer neu zusam­men füh­ren. Aber wir haben auch drin­gen­de Anlie­gen: Der Schutz des Lebens am Anfang und Ende wird in die­ser Gesell­schaft immer zer­brech­li­cher. Die Pola­ri­sie­run­gen neh­men zu. Der Hass, der vor allem im Inter­net geäu­ßert wird, wird uner­träg­lich – und wir Chris­ten machen nicht sel­ten mit. Euro­pa ist ange­schla­gen, unse­re Demo­kra­tie wird ange­fragt, die Fra­gen nach den For­men unse­res Zusam­men­le­bens und der Iden­ti­tät des Men­schen for­dern uns her­aus, die Umwelt lei­det mas­siv, Men­schen wer­den aus­ge­schlos­sen oder an den Rand gedrängt; Pfle­ge­kräf­te wer­den weni­ger und sind schlecht bezahlt. In alle­dem und ande­rem mehr sind wir als Chris­ten gefragt – und sind geru­fen, auch unse­re Stim­me zu erheben.

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

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