„Ich bin überzeugt, dass unsere Sodalen bodenständige Christen bleiben werden“
Am 25. März vor 425 Jahren haben Jesuiten in Altötting die Marianische Männerkongregation (MC) gegründet. Im Jahr 1874 übernahmen Kapuziner die Betreuung der Gebetsgemeinschaft und kümmern sich seither nicht nur um die heute rund 9000 Sodalen in über 200 Pfarr- und Ortsgruppen, sondern auch um die Förderung der Marienverehrung und der Wallfahrt. Im Interview blicken MC-Präses Kapuzinerpater Br. Georg Greimel und MC-Präfekt Stefan Burghart auf die lange Geschichte der MC zurück, sprechen über die Herausforderungen für die Zukunft und das Frühjahrshauptfest zum Jubiläum am 10. März.
Lieber Bruder Georg, sehr geehrter Herr Burghart: 425 Jahre! Ganz schön alt. Ist eine Gebets- und Glaubensgemeinschaft wie die MC noch zeitgemäß – oder braucht es sie auch und gerade in der heutigen Zeit?
Stefan Burghart: Ja! Auch ich habe mir diese Frage erst kürzlich zur Vorbereitung des „Sodalenblatts“ (Anm. Mitteilungsblatt für die Mitglieder der MC) gestellt. Im Rückblick auf Fahrten zu unseren Ortsgruppen stelle ich fest: Vor allem die Gemeinschaften vor Ort geben unseren Sodalen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Gerade heute, in einer Zeit, die sehr vom Individualismus geprägt ist, ist dieses Gefühl sehr wichtig. Das Motto von Papst Benedikt XVI. bei seinem Altötting-Besuch 2006 – „Wer glaubt, ist nie allein“ – wird in der MC sicht- und fühlbar.
Bruder Georg: Die MC ist ja aus einer Laienbewegung heraus entstanden. Während sich in vielen Orden im Laufe der Zeit sogenannte „Dritte Orden“ für Laien entwickelten, entstanden aus Laienbewegungen zur Unterstützung der Jesuiten an vielen Orten Marianische Kongregationen – so wie auch 1599 in Altötting. Ich denke, so wie die verschiedenen Dritten Orden heute noch einen tieferen geistlichen Sinn haben, hat es auch eine MC. Die MC-Sodalen sind wichtig für den Erhalt des Glaubens in den Familien; außerdem zur Unterstützung der Pfarreien, ebenso wie des Wallfahrtsortes Altötting, dem sich viele Sodalen durch die Lebensweihe an Maria sehr verbunden fühlen.
Als ich mal gefragt habe, wie ich die MC am besten erklären könnte, hat mir ein Sodale geantwortet: „Ja mei, wir sind halt wie der katholische Frauenbund – aber nur für Männer!“ Wieso ist gerade auch die Männerseelsorge in der Kirche so wichtig?
Bruder Georg: Es gab seit 1751 auch Marianische Frauenkongregationen. Die haben sich allerdings bei uns aufgelöst zugunsten vom Frauenbund. Es gibt an manchen Orten auch Marianische Bürgerkongregationen für Frauen und Männer und es schließen sich mancherorts wieder Frauen zu einer Marianischen Frauenkongregation zusammen. Tatsächlich ist aber gerade die Männerseelsorge sehr wichtig. In manchen Pfarreien hat man den Eindruck, es engagieren sich fast nur noch Frauen. Und es ist ja auch gut, dass Frauen da sind! Aber ganz ohne Männer? Die MC kann helfen, auch die Männer mehr für den Glauben zu begeistern. Und es tut den Männern gut, wenn sie mal unter sich beisammen sind, beten und sich unterhalten.
Stefan Burghart: Das stimmt. Die MC ist ein Teil der (in den Bistümern) organisierten Männerseelsorge und bietet einen Ort, in dem ein Mann einfach Mann sein kann – mit all seinen Stärken und Schwächen. Er kann sich hier mit anderen austauschen, zur Ruhe kommen, Kraft tanken. Oder auch in der Pfarrgemeinde mit anpacken. Generell stelle ich fest, dass sich das Rollenverständnis von Mann und Frau sehr stark verändert hat und dass sich manche Männer damit schwertun, vielleicht sogar überfordert sind. Frauen dringen völlig zurecht in klassische Männerdomänen vor und fordern im Gegenzug mehr Verantwortung der Männer etwa auch im Familienleben. Dieser berechtigte aber eben auch relativ schnelle gesellschaftliche Wandel sorgt bei Männern wiederum oft für einen Zwiespalt und eine Art Zerrissenheit. Hier kann die MC helfen, Orientierung zu geben.
Dürfen trotzdem auch Frauen zum Jubiläums-Festgottesdienst am 10. März kommen? Oder zu anderen Veranstaltungen der MC?
Stefan Burghart: Selbstverständlich! Glaube bedeutet ja auch Gemeinschaft. Bei unseren beiden Hauptfesten im Frühjahr und im Herbst oder auch bei Ausflügen sind Frauen immer herzlich willkommen!
Bruder Georg: Frauen durften immer schon mitkommen. Manchmal kommen auch bei Konventen in den Pfarrgruppen Frauen mit zur Versammlung – warum auch nicht? Allerdings erinnere ich mich, es gab mal Festgottesdienste vor einigen Jahrzehnten, da hatte der Präses die Frauen hinausgebeten, da die Basilika bereits voll war mit all den Männern. Heute kommen zwar auch noch viele, meist über tausend, aber für die Frauen bleibt trotzdem genug Platz …
Die MC wurde im Jahr 1599 von Jesuiten gegründet und wird seit langem von Kapuzinern betreut. Heute sitzt ein Jesuit mit dem Namen Franziskus auf dem Papstthron. Haben Sie den Papst schon um ein Grußwort für den Jubiläums-Festgottesdienst am 10. März gefragt?
Bruder Georg: Die Zahl 425 ist zwar groß, allerdings kein rundes Jubiläum. Papst Franziskus ist zwar Jesuit, aber mit der Leitung der Kirche, mit dem Synodalen Weg, etc. sehr beschäftigt. Darum haben wir uns noch nicht getraut, ihn zu fragen. Aber ich bin mir sicher, als Jesuit bekommt er auch dieses Jubiläum mit.
Stefan Burghart: Vielleicht holen wir das zum Herbsthauptfest, ein weiterer Höhepunkt des Jubiläumsjahres, nach.
Als vor 25 Jahren Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., mit der MC 1999 in Altötting das 400-Jahr-Jubiläum feierte, stellte er fest, dass der Glaube müde geworden sei und die Menschen wieder lernen müssten, „von innen her zu sehen“, um den Glauben neu zu entdecken und um zu erkennen, worauf es wirklich im Leben ankommt. Diese Predigt könnte Kardinal Marx heuer am 10. März eigentlich 1:1 so übernehmen, oder?
Bruder Georg: Ja, die Predigt würde auch heute noch so passen. Die Frage bleibt, wieso Glaube und Kirche heute so schwer zu vermitteln sind. An dieser Entwicklung hat gewiss auch moderne Technik ihren Anteil, die zwar vieles erleichtert, aber auch ablenkt. Glaube aber muss entdeckt werden – und das braucht Zeit! Allerdings darf sich gerade die Kirche nicht von negativen Gedanken beherrschen lassen. Trotz all der Sünden, die auch in der Kirche passieren, bleibt der Glaube an Jesus Christus – und beides: Kirche und dieser Glaube sind untrennbar miteinander verbunden. Daher hatte Kardinal Joseph Ratzinger recht: Der Glaube muss von innen her, von Jesus aus betrachtet werden. So sagt es ja auch das diesjährige Wallfahrtsmotto: „Ich bin der Weg. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“
Impressionen von MC-Festen
Fotos: Roswitha Dorfner
Die MC hatte auch bekannte Sodalen wie die seligen Pater Rupert Mayer (1876−1945) und Franz Jägerstätter (1907−1943) sowie Kapuzinerpater Ingbert Naab (1185−1935) in ihren Reihen, die während der Nazi-Diktatur (1933−1945) bzw. des Zweiten Weltkriegs (1939−1945) mit noch viel schwierigeren Situationen zurechtkommen mussten als heute. Was würden die drei dazu sagen, dass heute wieder eine in großen Teilen gesichert rechtsextreme Partei so viel Zulauf erhält? Was können wir von ihnen für unser (Glaubens-)Leben lernen?
Stefan Burghart: Die drei Genannten waren zu ihrer Zeit fest überzeugte und im Glauben tief verwurzelte Christen, die dem Krieg und dem Nationalsozialismus abschworen. Ich bin mir sicher, dass sie auch heute so handeln würden. Der Zulauf zur AfD, vor allem in Ostdeutschland, erschreckt und kann mit einer christlichen Grundeinstellung nicht vereinbart werden. Erschreckend sind etwa Pläne zu einer sogenannten „Remigration“, die in ihrem kalten sprachlichen Duktus und der zugrundeliegenden völkischen Gesinnung doch sehr an die dunklen Jahre während des Dritten Reichs erinnern. Mut machen die Kundgebungen gegen Rechtsradikalismus in den vergangenen Wochen. Das Demonstrieren liegt uns Bayern ja eigentlich nicht so im Blut, aber hier zeigen sehr viele Menschen, dass der breiten gesellschaftlichen Mehrheit ein Rechtsruck eben nicht egal ist.
Bruder Georg: Die drei genannten MC-Sodalen sind standhaft geblieben und haben nach ihrem Gewissen gehandelt. Was sie gegen eine rechtsextreme Partei sagen würden, hängt u.a. davon ab, was diese gegen die christlichen Kirchen anstellen würde. Mit Sicherheit würden sie sich dagegen wehren, dass der christliche Glaube in unserer Gesellschaft immer mehr angegriffen wird. Lernen können wir von ihnen auf jeden Fall, dass es für Christen gerade auch dann wichtig ist, nach ihrem Gewissen zu handeln, wenn die Umstände schwierig und gefährlich sind.
Gibt es noch weitere bekannte Sodalen, die wir in Erinnerung behalten sollten?
Bruder Georg: Natürlich den heiligen Bruder Konrad von Parzham (1818−1894), den wir ja auch in Altötting sehr verehren. Hier fällt mir aber auch Pater Viktrizius Weiß (1842−1924) ein, dessen Seligsprechungsverfahren läuft und der von vielen bereits als Vorbild verehrt wird. In seiner ebenso wie in Bruder Konrads Zeit hat sich die Kirche nach der Säkularisation wieder neu entfaltet, woran auch der Kapuziner Pater Viktrizius seinen Anteil hatte.
Stefan Burghart: Wir sollten vor allem auch nicht die treuen, weniger bekannten Sodalen der jüngeren Zeit vergessen, die für „ihre“ MC „regelrecht gebrannt“, sich ein ganzes Leben lang engagiert haben. Da fallen mir viele Namen von vorbildlichen Sodalen ein.
„In einer Zeit voller Wandel und Krisen gibt vielleicht gerade auch die Vergangenheit Hoffnung. Es gab auch in den vergangenen Jahrhunderten viele Krisen, Kriege, etc. Nicht nur ein Blick auf die Geschichte der MC zeigt, dass es nach Krisen immer wieder auch aufwärts geht.”
Auch Kirchenkrisen sind nichts Neues. Diese hat auch Altötting erlebt, wovon gerade auch die MC erzählen kann. Was gibt heute Hoffnung für die Zukunft?
Bruder Georg: Die Kirche hat oft ein Auf und Ab erlebt – nach der Reformation etwa kam das Konzil von Trient (1545−1563), das für einen neuen Aufschwung sorgte; als etwa während der Säkularisation die Kapuziner 1802 nach Altötting geschickt wurden, um dort zu sterben, passierte das Gegenteil und der Orden blühte im 19. Jahrhundert wieder neu auf … Beispiele gibt es hier viele. Hoffnung gibt die MC, die in guten wie in schlechten Zeiten zu ihrem Glauben gestanden hat. Ich bin überzeugt, dass unsere Sodalen bodenständige Christen bleiben werden. Und es gibt viele weitere Hoffnungszeichen: wie etwa aktive Jugendliche, die sich z.B. bei Nightfire engagieren; oder eine Wieder-Belebung von Anbetungen in Pfarreien oder der Adoratio-Kongress in Altötting; oder auch die Aktion „Deutschland betet Rosenkranz“.
Stefan Burghart: In einer Zeit voller Wandel und Krisen gibt vielleicht gerade auch die Vergangenheit Hoffnung. Es gab auch in den vergangenen Jahrhunderten viele Krisen, Kriege, etc. Nicht nur ein Blick auf die Geschichte der MC zeigt, dass es nach Krisen immer wieder auch aufwärts geht.
Was sind ihre Wünsche und Pläne für die Zukunft der MC? Was möchten Sie unseren Lesern mit auf den (Glaubens-)Weg geben?
Stefan Burghart: Die erweiterte Leitung der MC steht vor einem Generationswechsel und wir möchten dort, im Konsult, nicht nur Altöttinger, sondern auch Sodalen aus den anderen Ortsgruppen mit einbinden – für die Zukunft wünsche ich mir, dass das alles gut klappt; auch, dass wir wieder neue, junge Mitglieder gewinnen können. Die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Kongregationen hat sich für 2025 vorgenommen, eine gemeinsame Aktion in Altötting stattfinden zu lassen. Das Format wird im April in unserer Frühjahrstagung festgelegt und orientiert sich an den beiden Jugendwallfahrten und der Jubiläumsfeier 2013 in München. Für die Leser wünsche ich mir, dass sie einfach mal nach Altötting kommen, den Kraftort in der Gnadenkapelle spüren – und dann schauen Sie doch einfach mal bei der MC vorbei! Auch in den Ortsgruppen können Sie jederzeit mal „hineinschnuppern“ …
Bruder Georg: Uns allen wünsche ich, dass wir uns auch heute den „Blick zum Himmel“ bewahren und diesen auch anderen öffnen können. Speziell für die MC wünsche ich mir neue, junge Mitglieder und dass die Ortsgruppen Quellen der Wallfahrt zum Marienheiligtum nach Altötting bleiben. Vielleicht erweist sich unser Ehrenkonsultor Pater Viktrizius Weiß ja als guter Fürsprecher – dann ergibt sich für seine Seligsprechung womöglich ein dafür entscheidendes Wunder …
Michael Glaß
Readkteur