Gwiss wiss ma

Redaktion am 17.02.2025

2025 02 17 pb alb bundestagswahl Foto: Adobe Stock

In einem gemeinsamen Appell zur Bundestagswahl treten die Vorsitzenden der christlichen Kirchen in Deutschland für Demokratie und Menschenwürde und gegen Extremismus ein. Auch der Autor unseres aktuellen Editorials der Ausgabe 8-2025 bezieht Stellung.

Nix Gwiss woass ma ned.“ Gut, dass der Fines­sen­sep­perl“ ali­as Joseph Huber (17631828) neu­gie­ri­ge Fra­gen so schlau kon­ter­te – es muss­te ja nun wirk­lich nicht jeder wis­sen, was in den Lie­bes­brie­fen stand, die der stadt­be­kann­te Ver­trau­ens­mann in Mün­chen aus­trug. Man­che Din­ge blei­ben bes­ser privat.

Dann aber gibt es Din­ge, die uns alle ange­hen. Poli­ti­sche zum Bei­spiel. Denn so lus­tig es ist, dass ein Münch­ner Spitz­bua eine gan­ze Stadt in Lie­bes­an­ge­le­gen­hei­ten an der Nase her­um­füh­ren konn­te, so furcht­ein­flö­ßend ist die Aus­sicht, wenn dies einem poli­ti­schen Selbst­dar­stel­ler in Fra­gen des Gemein­we­sens gelingt.

Der idea­le Unter­tan tota­li­tä­rer Herr­schaft ist nicht der über­zeug­te Nazi oder enga­gier­te Kom­mu­nist, son­dern Men­schen, für die der Unter­schied zwi­schen Fak­ten und Fik­ti­on, wahr und falsch, nicht län­ger existiert.”

Hannah Arendt, Publizistin

Tat­säch­lich erwi­sche ich mich aktu­ell dabei, dass ich den Spruch vom Fines­sen­sep­perl“ vor mich hin­murm­le, wenn ich ver­su­che bei der Fül­le an Nach­rich­ten und Vide­os und Posts zu poli­ti­schen The­men im Inter­net den Über­blick zu behal­ten: Genau­es weiß ich eh nicht … Dann aber erin­ne­re ich mich an die War­nung der genia­len Publi­zis­tin Han­nah Are­ndt: Der idea­le Unter­tan tota­li­tä­rer Herr­schaft ist nicht der über­zeug­te Nazi oder enga­gier­te Kom­mu­nist, son­dern Men­schen, für die der Unter­schied zwi­schen Fak­ten und Fik­ti­on, wahr und falsch, nicht län­ger existiert.“

A bissl was Gwiss woass ma aber scho! Etwa, dass ein Blick in die Geschichts­bü­cher nicht nur net­te Gschichtn über baye­ri­sche Ori­gi­na­le zum Vor­schein bringt, son­dern auch har­te“ Fak­ten über unser Zusam­men­le­ben – wie es sich ent­wi­ckelt hat, was schief­ge­hen kann, was uns vor­an­ge­bracht hat, was uns zusam­men­hal­ten kann …

Denn har­te“ Fak­ten gibt es nicht nur in der Welt der Tech­nik oder in der Medi­zin. Sie gibt es auch in der wei­chen“ Welt der Geschich­te, der Poli­tik – oder in der Welt des Glau­bens. Wir wis­sen, dass unser christ­li­ches Men­schen­bild jeden Ein­zel­nen als einen von Gott gelieb­ten Men­schen ver­steht, der eine Wür­de hat. Wir wis­sen, dass es demo­kra­ti­sche Par­tei­en gibt, die in ihrem Men­schen­bild davon aus­ge­hen, dass jeder Ein­zel­ne eine Wür­de und damit auch das Recht besitzt, mitzubestimmen.

Für die christ­li­chen Kir­chen ist unse­re Demo­kra­tie unver­han­del­bar. Auf die­ses Fun­da­ment sind wir stolz.”

Wir wis­sen, dass es neben die­sen demo­kra­ti­schen Par­tei­en auch sol­che gibt, die ein­zel­ne Men­schen nur als Neben­dar­stel­ler eines Klas­sen- oder Ras­sen­kamp­fes sehen (Kom­mu­nis­ten oder Rassisten/​Nazis). Wir wis­sen, dass es Par­tei­en gibt, die Men­schen lie­ber sor­tie­ren und gegen­ein­an­der aus­spie­len: Hier die­je­ni­gen, die zu unse­rem Volk“ gehö­ren – und da die ande­ren. Wir wis­sen – dank der deut­schen, dank der sowje­ti­schen, dank der (…) Geschich­te –, wie schlimm es endet, wenn eini­ge bei einem exklu­si­ven Volks­club“ dabei sein dür­fen und ande­re nicht. Wir wis­sen übri­gens auch, dass Hit­ler kein Kom­mu­nist war, und dass wir als Chris­ten bei­de nicht wol­len. Und wir wis­sen, dass Par­tei­en mit Vor­lie­be für einen rus­si­schen Kriegs­herrn mit bes­ten Bezie­hun­gen zu Län­dern, die Chris­ten ver­fol­gen (Chi­na, Nord­ko­rea, Iran), kei­ne guten Alter­na­ti­ven sein können.

Frei­lich haben die demo­kra­ti­schen Par­tei­en Unter­schie­de: Kon­ser­va­ti­ve bevor­zu­gen einen star­ken Staat, der Sicher­heit garan­tiert; libe­ra­le beto­nen die indi­vi­du­el­le Frei­heit; sozi­al­de­mo­kra­ti­sche legen Wert auf die (wirt­schaft­lich-sozia­le) Gleich­be­rech­ti­gung; grü­ne“ haben ein biss­chen was von allen drei­en und set­zen sich für Got­tes Schöp­fung ein. Frei­lich machen die Ver­tre­ter die­ser Par­tei­en gro­ße Feh­ler – nicht nur die aktu­el­len. Aber die demo­kra­ti­schen Par­tei­en haben ein Wer­te-Fun­da­ment, das auch Chris­ten unter­stüt­zen können.

Wir wis­sen, dass wir es bes­ser kön­nen, dass wir schlau sein kön­nen wie der Fines­sen­sep­perl und dass es einen Fort­schritt auch in Fra­gen unse­res Zusam­men­le­bens geben kann. Wir wis­sen, dass demo­kra­ti­sche Par­tei­en trotz all ihrer Unter­schie­de und Feh­ler zusam­men­ar­bei­ten, Kom­pro­mis­se schlie­ßen, Krieg und Gewalt ver­hin­dern kön­nen. Unse­re Demo­kra­tie hat Ver­trau­en ver­dient. Gera­de auch dann, wenn es nicht so gut läuft.

Michael Glass

Michael Glaß

Redakteur

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