Bistum

Am Grenzkamm der Freiheit

Redaktion am 11.12.2023

2023 12 11 pb alb diskussion pfarrkirchen Foto: Harald Hampel
Stellten sich in der weihnachtlich geschmückten Aula einem schwierigen, aber gesellschaftlich drängenden Thema (v.l.): Domkapitular Dr. Wolfgang Schneider, Pastoralreferent Dieter Schwibach, Prof. Dr. Johannes Brantl, Dr. Heidi Massinger-Biebl mit ihrer Hündin „Liesl“, Prof. Dr. Holm Putzke und Schulleiter Andreas Rohbogner.

„Reden über Gott und die Welt“ nennt sich eine Gesprächsreihe des Pfarrverbands Pfarrkirchen gemeinsam mit dem Gymnasium Pfarrkirchen. In der Aula des Gymnasiums diskutierten beim letzten Mal namhafte Experten über den „Assistierten Suizid“.

Schul­lei­ter Andre­as Roh­bo­gner begrüß­te unter den Anwe­sen­den in der gut gefüll­ten Aula auch vie­le Schü­le­rin­nen und Schü­ler der obe­ren Jahr­gangs­stu­fen. Das The­ma assis­tier­ter Sui­zid“, das auch im katho­li­schen Reli­gi­ons­un­ter­richt ab der 9. Klas­se behan­delt wer­de, sei gesell­schaft­lich rele­vant, rührt uns an und pola­ri­siert“, stell­te er fest. 

Pas­to­ral­re­fe­rent Die­ter Schwi­bach, der den Abend orga­ni­siert hat­te und auch mode­rier­te, stell­te mit Prof. Dr. Johan­nes Brantl, Pro­fes­sor für Moral­theo­lo­gie in Trier, Dr. Hei­di Mas­sin­ger-Biebl, Gynä­ko­lo­gin, Onko­lo­gin und Pal­lia­tiv­me­di­zi­ne­rin in Wald­kir­chen, und Prof. Dr. Holm Putz­ke, Pro­fes­sor für Straf­recht in Pas­sau, drei hoch­ka­rä­ti­ge Gesprächs­part­ner vor. In einer Podi­ums­dis­kus­si­on zeig­ten sie die ver­schie­de­nen recht­li­chen, ethi­schen und prak­ti­schen Aspek­te des The­mas auf.

Prof. Putz­ke erläu­ter­te zum recht­li­chen Hin­ter­grund, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt 2020 das Recht des Ein­zel­nen auf ein selbst­be­stimm­tes Ster­ben fest­ge­stellt und den § 217 des Straf­ge­setz­bu­ches, der seit 2015 die geschäfts­mä­ßi­ge För­de­rung der Selbst­tö­tung“ unter Stra­fe stell­te, wie­der auf­ge­ho­ben hat. Damit wur­de es Ster­be­hil­fe­ver­ei­nen wie­der mög­lich, regel­mä­ßig und aktiv Ster­be­wil­li­gen Hil­fe bei der Selbst­tö­tung zu leis­ten, etwa durch Beschaf­fung ent­spre­chen­der Sub­stan­zen. Bis heu­te hat der Bun­des­tag dazu kei­ne Neu­re­ge­lung gefunden.

Es ist kei­ne ärzt­li­che Auf­ga­be an, vom Lebens- zum Todes­hel­fer zu werden.”

Prof. Dr. Johannes Brantl, Professor für Moraltheologie in Trier

In dem Urteil wird die Frei­heit hoch­sti­li­siert“, fand Prof. Brantl. Das selbst­be­stimm­te Wesen des Men­schen gehö­re zwar zur gött­li­chen Eben­bild­lich­keit. In der Pra­xis sei die Ent­schei­dung zur Selbst­tö­tung jedoch eine vul­nerable“, beein­flusst etwa von Ängs­ten oder Ein­sam­keit. Dr. Mas­sin­ger-Biebl, die im Jahr etwa 300 Pal­lia­tiv­pa­ti­en­ten beglei­tet, bestä­tig­te dies. Es herr­sche sel­ten völ­li­ge Klar­heit bei den Betrof­fe­nen, die­se woll­ten eher nicht mehr so“ leben. 

Prof. Putz­ke wies auf das Men­schen­bild des Grund­ge­set­zes hin, das im Rah­men der Selbst­be­stim­mung völ­li­ge Frei­heit las­se, das Leben nach eige­nem Wil­len zu gestal­ten oder auch zu rui­nie­ren. Der von Dr. Mas­sin­ger-Biebl ange­spro­che­nen pal­lia­ti­ven Ster­be­be­glei­tung setz­te Putz­ke ent­ge­gen, dass ein Betrof­fe­ner auch die Mög­lich­keit haben müs­se, auf die­ses Ange­bot zu ver­zich­ten und sei­nem Leben frü­her ein Ende zu set­zen. Einig­keit herrsch­te bei den Refe­ren­ten über das Erfor­der­nis von Qua­li­täts­si­che­rungs­maß­nah­men bei den Sterbehelfern.

Prof. Brantl zitier­te aus einer aktu­el­len Stu­die der Lud­wigs-Maxi­mi­li­an-Uni­ver­si­tät Mün­chen, wonach in es im prak­ti­schen Ablauf der Ster­be­hil­fe wenig Kon­trol­le oder Schutz­me­cha­nis­men gebe. Er und Dr. Mas­sin­ger-Biebl wie­sen auf Fra­ge­stel­lun­gen hin, dass Pati­en­ten etwa hoch­be­tagt oder chro­nisch krank, aber lebens­fä­hig“ sei­en, ihr tat­säch­li­cher Ster­be­wil­le in ihrer täg­li­chen Ambi­va­lenz“ kaum über­prüf­bar sei oder mit der gesell­schaft­li­chen Eta­blie­rung der Ster­be­hil­fe die Gefahr einer gewis­se Erwar­tungs­hal­tung bei den Ange­hö­ri­gen ent­stün­de, im Sinn von Tu’s halt end­lich“. Prof. Putz­ke ent­geg­ne­te dem, dass es sol­che Fäl­le jetzt schon“ gäbe. Pro­fes­sio­nel­le Hil­fe wür­de hier eher schützen.

Was Bischof Stefan Oster über den assistierten Suizid sagt

Nach einer kur­zen Pau­se, die Dr. Karl-Bern­hard Sil­ber mit Kla­vier­mu­sik unter­mal­te, beant­wor­te­ten die Refe­ren­ten Fra­gen aus dem Publi­kum. Prof. Brantl reagier­te auf die Fest­stel­lung eines Besu­chers, dass Sui­zid aus theo­lo­gi­scher Sicht Sün­de sei. Frü­her wur­de Selbst­mord als Auf­leh­nung gegen­über Gott als Eigen­tü­mer unse­res Lebens ange­se­hen“, sag­te er. Heu­te habe bei der Moral­theo­lo­gie ein deut­li­ches Ein­se­hen und ein Lern­pro­zess“ statt­ge­fun­den. Die Per­spek­ti­ve müs­se sein, Betrof­fe­ne und Ange­hö­ri­ge zu unterstützen. 

Zum Pro­blem der Auto­no­mie nach innen“ ant­wor­te­te Prof. Putz­ke, wo Betrof­fe­ne nicht mehr auto­nom sei­en, etwa bei einer Depres­si­on oder Demenz­er­kran­kung, müss­ten Fach­leu­te wie Ärz­te oder Psy­cho­lo­gen hin­zu­ge­zo­gen wer­den, die dies, anders als ein Laie, erken­nen und Betrof­fe­ne von der Ster­be­hil­fe auch aus­schlie­ßen könnten. 

Prof. Brantl sah es nicht als ärzt­li­che Auf­ga­be an, vom Lebens- zum Todes­hel­fer zu wer­den.“ Er sah Aus­wir­kun­gen auf das Ver­trau­ens­ver­hält­nis zwi­schen Arzt und Pati­ent. Schließ­lich stell­ten er und Dr. Mas­sin­ger-Biedl den Unter­schied von pal­lia­ti­ver Sedie­rung und akti­ver Ster­be­hil­fe klar. Das Wohl des Pati­en­ten kön­ne zu Ver­läu­fen füh­ren, bei denen man von kura­ti­ver zu pal­lia­ti­ver Ver­sor­gung wechs­le. Auch Papst Johan­nes Paul II. habe fest­ge­stellt, dass the­ra­peu­ti­scher Über­ei­fer‘ nicht im Sin­ne des Pati­en­ten ist“, sag­te Brantl.

Am Ende des Gesprächs­abends dank­ten Schwi­bach und Mit­ver­an­stal­ter Dom­ka­pi­tu­lar Dr. Wolf­gang Schnei­der den Refe­ren­ten und Schul­lei­ter Roh­bo­gner stell­ver­tre­tend für des­sen Team für die Orga­ni­sa­ti­on und den Stoff zum Nachdenken“.

Text: Harald Hampel

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