„Zur Krippe herkommet …“ – dieses Motto herrscht in der Zeit von Ende November bis Ende Februar bei Erika Thaler aus Heiligkreuz-Engertsham im Pfarrverband Feichten (Dekanat Altötting). Dann läuft sie zu Hochform auf und stellt ihre sorgfältig verstauten Papierkrippen und alles, was mit Weihnachten zu tun hat, wieder auf. So auch dieses Jahr: Erika Thaler hat abgestaubt, gewischt, auseinandergeklappt und die Krippen wieder ansprechend aufgestellt. Über 100 Exemplare hat sie in den letzten Jahren fertiggestellt und immer wieder ergänzt. Zur Sammlung gehören viele Dinge, die im Zusammenhang mit der Heiligen Familie stehen: Puzzles, Adventskalender, Faltkarten, Taschenkrippen, Zinnkrippen, Bücher oder Wachsstöcke.
Nicht nur auf Weihnachtsmärkten wird sie dafür fündig, sondern auch beispielsweise bei einer Reise nach Krumau oder bei den Besuchen auf der Auer Dult in München. Bei ihren Fahrten nach Regensburg darf der Besuch in einem besonderen Laden, der historische Adventskalender anbietet, nicht fehlen. Wenn sie sich auf die Suche nach den begehrten Papierbögen macht, hilft inzwischen oft auch die Reise durch das Internet. „Ich habe ja schon so vieles. Da wird die Auswahl klein,“ bestätigt sie. Ein tschechischer Anbieter und ein Verlag in Südtirol produzieren noch immer neue Papierkrippen, die in Thalers Sammlung fehlen. Etwa 150 Papierkrippen hat sie noch in einer großen Schachtel – diese warten darauf, ausgeschnitten, zusammengeklebt und aufgestellt zu werden.
Das große Krippenzimmer ist das ganze Jahr über verdunkelt, die Fenster sind mit einer UV-Folie beklebt. „Damit das empfindliche Papier nicht ausbleicht“, erklärt die gebürtige Eggenfeldnerin. Ein weiteres Zimmer hat sie umdekoriert. Dort geht es nach der Weihnachtssaison direkt zur Osterzeit über, denn Thaler sammelt nicht nur alles rund um die Weihnachtszeit, sondern auch noch alles, was mit Ostern zu tun hat. „Ich bin wirklich ein Sammler“, gibt sie zu. Bilder für Poesiealben und altes englisches Geschirr in Blau und Rot sind weitere Sammelleidenschaften der 63-Jährigen.
In ihrer Kindheit, so erzählt sie, wurden zu Hause einfache Krippenfiguren aus Papier auf Sperrholz aufgeklebt und dann mit der Laubsäge ausgeschnitten. „Das hat mir gut gefallen und da hat auch alles angefangen.“ Nach der Heirat, als sie nach Engertsham gezogen war, hat sie oftmals das Schulmuseum Schwoshuber in Tacherting besucht. „Nicht nur einmal im Winter, sondern mehrmals bin ich hingefahren. Dort gab es einige Krippen, die sehr schön waren“, erinnert sie sich.
Für einen Bogen mit Figuren, Tieren und Landschaft zahlt Erika Thaler zwischen zwölf und 28 Euro, der Versand koste meist noch einmal so viel. „Das ist es mir aber wert. Es gibt Bögen, die muss ich einfach haben und dann aufbauen. Andere Bögen mit Krippen habe ich, möchte sie aber dann doch nicht ausschneiden“, schmunzelt sie über ihre Leidenschaft. Eine Krippe sei einmal auf einer Waschmittelpackung aufgedruckt gewesen. Dies habe Juri Mentl als „Fröhliche Papierkrippe zu Werbezwecken“ kreiert – natürlich in Tschechien. Ihre Kinder bringen auch hin und wieder eine Krippe aus dem Urlaub mit. Die letzte kleine bunte Krippe aus Zinn hat sie bei einem Ausflug zum Wallfahrtsort Birkenstein (Landkreis Miesbach) erstanden.
Vor allem gefällt Thaler, dass die Papierkrippen die Häuser der kleinen Leute darstellen und auch dort zuhause sind. Eine große Vielfalt an Darstellungen der Heiligen Familie in ihrem Besitz stammt aus Tschechien, Böhmen, Südtirol, Österreich und Bayern, die sie zusammengestellt hat. In einem eigenen dafür geschreinerten Regal stehen die Papierkrippen Seite an Seite und wollen bewundert werden.
In mühevoller Kleinarbeit schneidet Erika Thaler die Figuren aus. Nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern auch gerne einmal mitten im Sommer. „Ich bereite mich in der warmen Jahreszeit schon mal vor. Mit Tageslicht kann man viel besser ausschneiden. Dazu verwende ich eine sogenannte Hardangerschere. Die geht am besten. Sie liegt mir besser in der Hand als eine ‚Silhouettenschere‘”, erzählt die 63-Jährige. Kleine Zwischenräume muss sie mit dem Skalpell vorsichtig ausschneiden. Die Figuren werden dann auf ein dünnes Holzstäbchen aufgeklebt und auf eine Styropor- oder Styrodurplatte platziert. Einmal aufgebaut, bleibt die Szenerie wie sie ist.
Dabei sind die Darstellungen alle unterschiedlich. Je nach Hersteller sind Figuren, Bäume und Hintergründe historisch, mittelalterlich, im Nazarener-Stil, modern oder naiv kindlich. Besonders aufwendig hat Erika Thaler ihre größte Krippe mit über 150 Figuren gestaltet. Äußerst filigran sind Personen, Bäume und Tiere. „Es ist hier nicht nur die Heilige Familie zu sehen, sondern vor allem die Menschen aus dem normalen Volk mit Berufen, die Kinder und Tiere in Alltagsszenen“, erklärt sie. Das sei ein besonderes Merkmal der tschechischen Krippen und dieser Stil gefällt ihr am besten. In der Krippe aus Böhmen und Mähren aus dem Jahr 1948 bringt ein Wirt drei Halbe Bier zum Stall. „Hier bekommt wohl der Josef eine Halbe und die Maria. Die dritte Halbe ist wohl für ihn selbst gedacht“, interpretiert Erika Thaler mit einem Augenzwinkern die Szenerie.
Die Künstler damaliger Zeiten haben mit feinem Pinselstrich gearbeitet, so wie Alés Mikolás, ein böhmischer Maler, dessen Ursprungskrippe auf 1902 datiert wurde. Im Nazarener-Stil hat Franz Plattner aus Meran gemalt, die bayerische Weihnachtsszene von Willibald Mayrl stammt aus dem Jahr 1925. Thaler hat dabei keine Originale aus dieser Zeit, sondern Nachdrucke. Lässt man den Blick über die Ausstellung schweifen, findet sich auch eine Krippe aus Holz. Bestückt mit Häusern und Spieltieren hat sie dieses überdimensionale Stück geschenkt bekommen und Freude daran. Wenn es sich ergibt, fährt Erika Thaler zu einer Krippenausstellung. Im letzten Jahr war sie mit dem Traunsteiner Krippenverein in Mindelheim. Sie konnte auch schon eine Ausstellung in Kolbermoor und im Bayerischen Wald mit ihren Papierkrippen bestücken.
In ihren vier und mehr Wänden finden sich auch so manche Künstlerkrippen, wie etwa die „Wasmeier-Krippe“ in Papierausführung oder die „Bretterkrippe“ vor der Altöttinger Basilika im Kleinformat. Die vielen Krippenlandschaften zeigen dabei durchaus keine Fantasielandschaften, sondern reale Städte. Vor einem Fluss in der slowakischen Stadt Modrany etwa warten die Heiligen Drei Könige auf ihre Überfahrt. Vor dem malerischen Hintergrund der Gnadenkapelle und Stiftskirche von Altötting ist eine der vielen Krippenszenen aufgemalt und auch Eggenfelden findet sich in ihrem Sammelsurium der Krippen wieder. Doch sind es vorwiegend die Städte und Landschaften aus Tschechien, Böhmen und dem Alpenland, die dargestellt werden.
Im heimischen Wohnzimmer steht jedoch unter dem Christbaum eine Krippe aus Holz. Die Figuren aus Südtirol, die sich vor einem orientalischen Hintergrund bewegen, werden jährlich ergänzt. Den Christbaum selbst hält sie vorwiegend in Weiß und Silber: „Das gefällt mir besonders gut“.
Text und Fotos: Christine Limmer